Von brennenden Giraffen, schlechter Musik und rosafarbenen Deppen

Nachdem man um Mitternacht am Magdeburger Bahnhof anläßlich einer Dalí-Ausstellung acht Giraffen zu Klängen von Pink Floyd [„Shine On You Crazy Diamond“ (Live-Version)]“ in Brand gesetzt worden waren und ich mich an den Reflexionen der Flammen in sämtlichen Scheiben und dem dadurch entstehenden Eindruck einer zu angenehmen Klängen brennenden Welt erfreut hatte, fuhren wir kurz zu C, um seiner Verzweiflung über den zu vermutenden Verlust seiner EC-Karte zusätzlich Nahrung zu geben. Ohne seine Karte gefunden zu haben, begaben wir uns in die lokale Schwarzmusikdiskothek, die Factory, die Cs Motivationslosigkeit mittels „Synthetic Pleasures“ verschwindne lassen sollte.

Doch die Musik war schlecht, so schlecht, daß ich binnen weniger Lieder [welch euphemistische Bezeichnung für diese monoton basslastige Krachklangstücke!] am Tiefpunkt meiner Laune angelangt war und infolge dessen sontan beschloß, mich zu mir völlig unbekannten Stücken zu bewegen, unabhängig von Gefallen oder Nichtgefallen. Doch die Monotonie ließ noch nicht einmal ein bewegungsintensives Ausleben lernstreß- und lärmbedingter Unlaunen zu, vermochte nicht wirklich aufheiternd zu wirken, sondern zog mich tiefer in einen Strudel aus Stirnfurchen und innerem Unmut.

Ich floh, floh in den „Club“, wie die zweite Tanzfläche genannt wurde, wo „Goth’n’Hard“ oder ähnliches angesagt war und vorerst nur alberner Batcave gespielt wurde, zu dem niemand seine Füße schwang und nur die Plattenauflegerin vergnügt ihren teilrasierten Schädel bewegte. In späteren Momenten wechselten die Klänge zu hartmetallischer Bösmusik, und ich war einigermaßen froh, nicht nur mit irgendeinem, flüchtig beannten Metaller zu kommunizieren

„Was warn das?“
„Hypocrisy.“
„Ach so.“
„Das dritte Lied von der neuen Scheibe.“
„Und was ist das? Kommt mir bekannt vor.“
„Keine Ahnung. Haggard vielleicht.“
„Nee, Dimmu Borgir.“
„Von der neuen Scheibe, oder?“

, sondern auch mehrere [zwei] mir bekannte Song vernehmen zu können, die ich zwar nicht unbedingt mochte, aber immerhin dazu einluden, mein Haupthaar ausreichend zu schütteln.

Und so wechselte ich den gesamten Abend zwischen mir unbekannter und oft mißfallender Gitarrenmusik und monoton stampfender Rumsbumsklänge, floh von einem Raum in den anderen, stetig hoffend, „auf der anderen Seite“ mit Angenehmerem erfreut zu werden, floh von einer Schlechtmusik zur nächsten, hüpfte zuweilen über irgendeine Tanzfläche und bemühte mich, meine beiden Begleiter nicht völlig zu vernachlässigen.

Die Zeit verging; Lied für Lied prasselte auf meinen Schädel nieder. Auf einer Leinwand bewegte sich eine Ansammlung inhaltsloser und widerlich unästhetischer 3D-Animations-Filme und vor uns ein in erstaunlich enge, weiße Klamotten gespreßtes, übergewichtiges Hiphoptussiimitiat, das sich alle Mühe gab, ihren aus den Kleidern quellenden Leib möglichst sexy in Bewegung zu setzen.

Ich wollte nicht gehen. Eigenillusionen und unzerstörbare Hoffnungen waren schon immer dbeutsamer Teil von mir und überzeugten mich auch heute wieder, daß das nächste Lied mein favoristiertes sein würde.
Meine Begleiter jedoch sahen auf ihre Handy-Uhren, mindestens ebenso mißmutig wie ich, hatten sich bereits zu einigermaßen interessanten Rumbsbumsklängen bewegt, doch auch noch keine „Erfüllung“ finden können. Es wurde Zeit zu gehen.
„Noch zwei Lieder.“, meinte A.

Ich zuckte mit den Schultern. Ich hoffte zwar, doch wußte andererseits auch, daß mein Hoffen auf Gutmusik vergeblich sein würde. Einen letzten versuch wagend floh ich in den „Club“, verweilte wenige Augenblicke, wartete das neue Lied ab und wich erneut enttäuscht. Nun war auch ich bereit zu gehen.
Es war halb vier, als wir heimkehrten, wenig begeistert vom erlebten Schwarzdiskoabend.
Um zehn sollte der Wecker klingeln. Ich hatte zu lernen.

Kurz nach neun rief meine Mami an, hatte Probleme mit ihrem von der Telekom eingerichteten Telefonanschluß, mit der Eumex. Ich konnte nicht weiterhelfen, war noch zu verpeilt, zu gedankenlos, kroch aus dem Bett und begab mich unter die belebende Dusche.
Ein problemlösender Gedanke kroch durch meinen Kopf. Langsam wurde ich wach.
‚Es ist noch viel zu früh.‘, dachte ich und freute mich – blieb doch so mehr effektive Lernzeit für mich.

Weitere Telefonate ereigneten sich, führten zu einer Klärung. Meine Mami hatte in dem Kabelgewirr zwei Enden zueinander geordnet, die nicht zusammengehörten und daraus ein Problem konstruiert, das keines war.

Minuten später. Das Telefon klingelt erneut.
Mein Bruder war bei meiner Mami eingetroffen, kümmerte sich sorgend um die Eumex. Sie funktioniert noch immer nicht, schien defekt, denn trotz scheinbar korrekter Anschlüsse an NTBA und Stromnetz weigerte sich die grüne Diode „T-ISDN“ aufzuleuchten. Ich war ratlos, vermochte am Telefon keine Ferndiagnosen zu erstellen, legte auf.

Eneutes Telefonklingeln.
„Alles in Ordnung.“, sagte mein Bruder, “ Die Telekom ist ein räudiger Drecksverein!“
Das war maßlos untertrieben, hatte doch der Telekom-Installateur den Stromnetzanschluß der Eumex einfach in einen Modem-Anschluß gesteckt. Depp!
Nun schien aber alles zu funkionieren.
„Na hoffentlich.“, meinte ich.

Die Hefter und Bücher lugten zu mir herüber, als wollten sie mir ihre Dringlichkeit verkünden. Ich wandte mich ab und stopfte genüßlich das restliche Frühstück in mich hinein.