Ich räume auf.
Allein diesen Satz zu schreiben, kostet Mühe. Nicht nur weil im Augenblick der Niederschrift sein Inhalt sich zur Lüge wandelt, da ich mal wieder unterbrach, um mich zu erfreuen, abzulenken, mit anderem zu beschäftigen; sondern auch, weil das Wort „aufräumen“ meinen Aktiv-Wortschatz zumeist umgeht.
Ich mag es nicht, aufzuräumen, bevorzuge die Schichten-Methode, nach der alles Anfallende übereinander gestapelt und zuweilen von Müll befreit wird. Suche ich etwas, kann ich anhand der so entstehenden Zeitlinie chronologisch leicht einordnen, an welcher Stelle der Stapel ich zu wühlen habe.
Das System funktioniert natürlich nicht, kann nicht funktionieren. Sobald ich einen Zettel aus der Stapelmitte hervorgekramt habe, und wieder zuoberst einordne, gerät das Gefüge durcheinander, rückt ein Stück dem Chaos entgegen, das es wohl längst heimlich propagierte.
Irgendwann kommt ein Tag, an dem ich mich in meiner sorglosen Haut nicht länger wohl fühle, an dem ich Ordnung schaffe, äußere Ordnung, die sich auch auf das innere Wirrwarr auswirken soll. Wenn nur mein Zimmer, mein Schreibtisch, mein Boden, von Überflüssigem befreit, mit Struktur und Plan versehen wurde, wenn jedes Zettelchen, jeder Gegenstand, seinen Platz fand, dann habe ich den ersten Schritt gewagt, auch in mir Ordnung zu schaffen, eine Art Neuweg zu begehen.
Selbstverständlich belüge ich mich. Die Ordnung, die zu erzielen ich wünsche, existiert nicht, ist unerreichbar. Ich besitze zu viel, das sich des Aufhebens lohnt, aber in keine Schublade, in keinen Ordner gehört, das nicht verstaut, versteckt werden darf, das ich wiederfinden muß, weil doch nicht dieses oder jenes zu tun gedachte, weil ich mich an dieses oder jenes erinnern wollte.
Selbst wenn es mir theoretisch gelänge, vielleicht in einem unendlich großen Zimmer, die erwünsche Struktur allem aufzuwirken, so scheiterte ich stets an meiner mit jeder Minuten steigenden Unlust, an meiner alsbald einsetzenden Trägheit, an meinem rasch sinkenden Willen, mich der Belastung auszusetzen, all das [Und jenes „das“ umfaßt gewaltige Dimensionen!] aufzuräumen, umzusortieren.
Selbst wenn ich auch diese Hürde überwinden könnte, so bliebe mir doch meine Neugierde, gepaart mit der mir eigenen Zerstreutheit. Überall finden sich an zu beräumenden Plätzen Papierfetzen, auf denen in kaum lesbarer Handschrift Notizen und Gedanken, Ideen für Geschichten, Gedichtansätze oder gar fertige Werke zu entdecken sind, Zeichnungen, einstmals für irgendwen, irgendwas, angefertigt, doch längst vergessen oder nie fertiggestellt. Und ich liebe es, mich darin zu verlieren. Es ist, als versänke ich in mir selbst, als erinnerte ich mich plötzlich wieder vergangener Schönheiten. Nur zu gern halte ich inne, um zu betrachten, um zu entziffern, um mich zu vertiefen und alles andere für unbedeutend zu erklären.
‚Das ist nicht schlecht.‘, denke ich zu oft und lege das Fundstück auf einen neuen, stetig wachsenden Stapel.
[Im Hintergrund: Stillste Stund – „Blendwerk Antikuns“]
Komisch, dass du gerade heute über das Aufräumen schreibst. Hab auch grad damit angefangen und bin auf ähnliche Problem gestoßen. Einfach zu viele Postkarten, Erinnerungen an Ausflüge und dergleichen, die einfach keinen Platz finden wollen. Die haben einfach zu unterschiedliche Formate als dass man sie irgendwo leicht abheften könnte…
Aktuelle Lösung: Schublade auf – Andenken rein – Schublade zu
Problem wird es dann erst wenn die Schublade voll ist. Unten Andenken an London, oben Andenken an London und dazwischen Konzertkarten 😉
REPLY:
Vielleicht liegts am Wetter. Oder an der Sonnenaktivität. Oder an den Außerirdischen.
Oder so…
Du brauchst das!
Oder das drei Kistensystem, eine für „kann weg“ eine für „behalten“ und eine für „kann mich nicht entscheiden“. Die „kann mich nicht entscheiden“ Kiste kommt in den Keller und wenn du sie 6 Monate nicht vermisst, oder zumindestens alles was da drin ist und du nicht in den 6 Monaten hoch geholt hast – kann weg! Hatte das Problem mit Klammotten, aber auch mit Büchern, alten Briefen etc. Eigentlich habe ich das Problem immer noch, denn es graut mich wenn ich die Papierstapel sehe, besonders wenn da nur Rechnungen etc. drin sind, aber einmal die Woche (gelogen im Monat) zwinge ich mich Sonntags den Kram durch zu gehen und in nen Ordner weg zu sortieren! Das ist schrecklich! Keine Frage, aber danach fühle ich mich meist immens gut- sortiert und als Frau die ihren Sachen im Griff hat bzw. die Übersicht hat!
Aber vieleicht hab ich es auch leichter, wenn ich mal wieder vermülle, denke ich an meine Mutter bzw. besuche sie, ihre Wohnung ist riesig aber bis oben hin vollgestopft, das belastet, läst mich nicht atmen, deprimiert mich- soviel Vergangenheit, so wenig Platz für die Gegenwart!
Und schliesse mit nem Gassenhauer:
Alles was du besitzt, besitzt auch dich! 😉
REPLY:
Mmhh… Ja sicherlich. Wegsortieren ist gut. Aber das löst das Problem nicht. Schließlich gibt es genug Dinge, an die ich mich erinnern möchte, die daher aufhebenswert sind. Oder alls die Skizzen und angefangenen Geschichten/Gedichte/Gedanken. Wäre schade, das zu entsorgen.
Aber ein regelmäßigeres Ordnung-Schaffen reicht vielleicht schon aus.
Übrigens: Unser Keller ist feucht und eklig. Bevor man dort etwas abstellt, kann man es gleich entsorgen.
Und:Ich bin kein Anhänger der Theorie „Wenn du es solange nicht brauchtest, brauchst du es nie wieder“.
Und zu guter Letzt: Ich finde es nicht falsch, bessen zu sein werden…
P.S: Mein Leben zu vereinfachen, gehört eigentlich zu meinen Grundprinzipien. Versuche alles stets möglichst einfach zu lösen.
Mag das Buch nicht haben… Trotzdem danke für den Ratschlag…