Künstler

Ich bin Künstler.

Fällt dieser Satz aus meinem Mund, so rückt mein Schmunzelmundwinkel [rechts] unweigerlich ein Stückchen nach oben, bin ich mir doch der Gewaltigkeit dieser Aussage durchaus bewußt – und ebenso der Überheblichkeit, die in ihr steckt. Tatsächlich vermag ich es nicht, die Worte – egal, ob entrüstet oder verträumt, stolz oder desinteressiert – auszusprechen, ohne semidebil in mich hineinzugrinsen.
„Künstler“: Diese Buchstabenanreihung allein trabt durch höchste Sphären – und sei es nur durch die der Verachtung. In ähnliche Bereiche kommt vermutlich nur noch „Webmaster“, ein Titel, mit dem ich mich ebenfalls nicht zu schmücken vermag, ohne mich selbst auszulachen.

Heute vergaß ich meinen Schlüssel innerhalb meiner Räumlichkeiten, war also auf die Gunst meines Mitbewohners angewiesen, der jedoch beschlossen hatte, noch mehrere Stunden lang in der Ferne zu verweilen, unerreichbar und angefüllt mit Beschäftigung. Für mich bedeutete dies: Warten.
Allerdings fällt es mir leicht zu warten, insbesondere, wenn ich alle Utensilien für die Anfdertigung eines neuen Comics oder ein Buch [oder gar beides] bei mir trage. Ein Bleistift fehlte, doch diesen zu erwerben, erwies sich als leichte Aufgabe.

Schwieriger war es, ein wenig befülltes Café zu finden, das Gemütlichkeit nicht mit fehlender Beleuchtung gleichsetzte. Ich fand und plazierte mich ich einer bequemen Ecke, mein Künstlerutensiliar auspackend. Die Bedienung eilte herbei, und ohne die Karte eines Blickes gewürdigt zu haben, bestellte ich.
Das suggerierte Selbstbewußtsein und Geradlinigkeit. Und zumindest ersteres ist für die Existenz als nur von der eigenen Kreativität lebender Künstler vonnöten.

Mein Äußeres schaffte es, den Spagat zwischen „verlottert“ und „gepflegt“ zu bewältigen, denn während ich eigentlich sauber und ästhetisch gekleidet aussah, zeugten doch mein langes Haar, meine stopplige Gesichtsbehaarung und meine unhell-alternative Gewandung von gewisser Bequemlichkeit, gesellschaftlichen zwängen abschwörend. Dieser Zwiespalt brachte vielleicht auch einen Teil der gespaltenen Persönlichkeit nach Außen, derer Künstler bekanntlich oft habhaft sind.

Ich bestellte. Abgesehen davon, daß ich alkoholische Getränke ohnehin verweigere, erschien es mir auch unangemessen, daß ein kreativer Geist seine Insipiration durch Vernebelung vergällen oder – noch schlimmer – erwirken müßte. Kaffee – dem ich ebenfalls längst abschwor – hätte zu profan, zu normal, zu unbedeutend gewirkt. Modegetränke wie ‚Latte Macchiato mit Zimt-Erdnußaroma‘ hätten von Anpassung und Trendwellensurferei gekündet.
Ich entschied mich also für eine Heiße Schokolade – wie so oft – und für Waffeln mit Puderzucker. Letztere dienten als Alibi für einen längeren Café-Aufenthalt – und gleichzeitig als willkommene Leckerei.

Als die Waffeln gebracht wurden, war ich längst vertieft in meine Arbeit – nahezu unansprechbar. Ein weiteres Mal tauchte die Kellnerin auf, um sich nach meinem Leergeschirrstatus zu erkundigen, und sah mich zwischen zahlreichen Stiften über ein weißes Blatt gebeugt, entrückt Linien ziehend. Neben mir stand die Tasse mit der mittlerweile weniger heißen Schokolade und der Teller mit dem letzten Waffelrest, der zugunsten des Spontanausbruchs meiner Zeichenwilligkeit warten mußte.

Nun schien sie zu begreifen: ‚Ah, da sitzt ein Künstler!‘, denn fortan ließ sie mich in Ruhe. Noch mehrere Mal erspähte ich sie, durch meine Blickwinkelränder laufend, doch niemals hielt sie inne, um sich nach meinem Begehr zu erkundigen, mein kreatives Schöpfen durch ihre profane Fragerei zu unterbrechen.
Ich war akzeptiert als Teil der Lokalität, als Teil meiner Ecke, als Künstler, der unter keinen Umständen mit Normalität konforntiert werden durfte, solange sein Schaffen anhielt.

Ich zeichnete. Der heutige Comic nahm Gestalt an, und meine Laune besserte sich. Die letzten Linien kontrollierend verstaute ich das bekrakelte Blatt in meiner Mappe, steckte auch die Stifte weg, beseitigte die unschönen Radiergummikrümel und blickte auf.
Noch immer wurde ich gemieden – doch nicht, als wäre ich ein Aussätziger, keiner Beachtung würdig, sondern als natürlicher Teil des Cafés, der auf sich aufmerksam machen würde, sollte er etwas wünschen. Und tatsächlich, ich wünschte. Eine Cola sollte es sein; nichts weiter als das Bedürfnis, meinen Kopfschmerzen und der stillstehenden Zeit entgegenzuwirken.

Ich kramte mein Buch [Salman Rushdie – „Scham und Schande“] aus dem Rucksack, lümmelte mich bequem in meine Ecke, darauf achtend, mich von den in der öffentlichkeit üblichen Verhaltensmustern nicht allzu weit zu entfernen, und las. Als das Glas kam, weilte ich schon wieder in fernen Welten.

Irgendwann, als ich glaubte, meinen Mitbewohner zu Hause zu wissen, erhob ich mich. Ich hatte es nicht nötig, auf das Erscheinen der Bedienung zu warten, war mein eigener Herr, warf meinen Mantel über und ging vor, zum Tresen. ‚Der Künstler bequemt sich zu bezahlen.‘, schienen ihre Augen zu wispern, als die Kellnerin mir die Rechnung präsentierte.
Mit annehmbarer Trinkgeldhöhe und freundlichen Abschiedworten verließ ich das Café und erfreute mich meiner guten Laune.

Ich bin Künstler, dachte ich schmunzelnd.

FFFfF: Grandios!

Da ich es gestern nicht erwähnte, tu ich es heute:
Ich wagte es endlich, den Carlsen-Verlag auf meinen Frederick-Comic und den mit ihm verbundenen Weblog aufmerksam zu machen. Leider nur in Form eines Kontaktformulars auf deren Seite, aber immerhin.
Als amüsant erachtete ich die Aufforderung seitens der Homepage, nicht einfach irgendwelche Comics an den Verlag zu senden, sondern die 10 wichtigen Regeln zur Erstellung eines Comics/Mangas durchzulesen und zu befolgen. Ich beschloß, nach mehr als 160 Comics nicht damit anzufangen, mich nach den Vorstellungen anderer zu richten.
Bin gespannt, wann und ob Antwort kommen und was diese beinhalten wird…

Und so.


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[Im Hintergrund: Gojira – „From Mars To Sirius“]

Falsches Stottern

Die Reform der Reform [Wenn es nach mir ginge, müßte man „Reform“ mit PH schreiben, also „Rephorm“, einfach, weil es albern aussieht.] der deutschen Rechtschreibung wurde verabschiedet.

Ich bin mir unschlüssig darüber, warum man „verabschiedet“ sagt, wenn Dinge beschlossen werden, die in naher Zkunft Willkommen geheißen werden. Aber die deutsche Sprache ist sowieso von mißverständlichen Kompliziertheiten geprägt, so daß es mir eine Freude ist, mich absichtlich in ihnen zu verrennen und stundenlang den inexistenten Weg hinaus zu suchen.

Eine Vereinfachung, die eigentlich der reformierten Reform hätte untergejubelt werden sollen, fiel mir in der vergangenheit häufiger auf, zuletzt am gestrigen Abend. Zuweilen gerate ich nämlich ins Stottern. Das geschieht schnell und ohne daß ich einen eigentlichen Fehler fabriziere. Nein, meine Aussprache ist von ordnungsgemäßer Korrektheit; nur die deutsche Sprache nicht.

Erzähle ich beispielsweise von meinen frühen Programmierkünsten, werde ich manchmal argwöhnisch beäugt:
„In Informatik war ich schon immer gut.“
Moment. In Informatik? Das klingt ja schrecklich! Die Harmonie des Sprachflusses ist gewaltig gestört. Ich stottere nicht, und dennoch stottere ich. Es tut mir leid.

Um anderen ein solches Schicksal zu ersparen, plane ich, die deutsche Sprache einer zusätzlichen Reform auszusetzen, die das falsche Stottern in Zukunft verhindern und somit den Redefluß nicht länger bremsen wird:
Besteht die Gefahr, daß Präpositionen [insbesondere lokale] dem nachfolgenden Substantiv ähneln und die Zunge zu Wiederholungen zwingen, so wird gnadenlos gekürzt.

Umständliche Erklärungen erübrigen sich, zähle ich folgende Beispeile auf:

– In Formatik war ich schon immer gut.
– Ich strebe nach Haltigkeit.
– Ich verweilte mehrere Wochen lang in Dien.
– Ich wohne am Brosiusplatz.
– Ich achte eigentlich nur auf Fälligkeiten.
– Ich bitte um Buchung meines Fluges.
– Mein Freund kommt aus Tralien.
– Ich schreibe einen Brief an Tje.

Mit dieser Sprachverbesserung wird Reden endlich wieder Spaß machen!

[Im Hintergrund: Gojira – „From Mars To Sirius“]