Schnee

Ich liebe Schnee.

Nun, da der Winter allmählich weicht, in Matsch keimendes Grün zurückläßt und einem sonnigen Frühling die Pforten öffnet, sehne ich mich zuweilen zurück. Ich liebe es, wenn der Schnee in großen, schweren Fladen vom grauen Himmel schwebt, wenn man den Flug der Flocken verfolgen, sie zu erhaschen versuchen kann. Ich liebe es, Schnee in der Hand zu spüren, darauf zu warten daß er langsam schmilzt, ihne zu kleinen Kügelchen formend, fester und fester zusammendrückend, bis daß der letzte Tropfen kalten Wassers meiner Hand entrinnt. Ich liebe es, im Vorgehen meine Finger über Baumrinden und Autos streifen zu lassen, winzige Mengen Weiß zu klauben und in meiner immer tauber werdenden Hand zu einem kugelschönen Schneeball wachsen zu lassen. Ich liebe es, Schneebälle mit Wucht gegen Bäume oder Wände zu schmettern, auf daß deren Hälften fest verwachsen an ihrem Ziel kleben bleiben. Ich liebe es, wenn meine schwarze Gewandung eine weiße Hülle trägt, eine, die man in der nächsten Straßenbahn, im nächsten Hauseingang, nur abzuschütteln braucht, sollte man ihrer überdrüssig werden.

Ich liebe es, durch frisch gefallenen Schnee zu stapfen. Egal, wie tief oder dünnschichtig ist, ich möchte hindurch, nehme Umwege in Kauf, nur um im reinen Weiß meine Spuren zu hinterlassen, zeichne auf einer Wiese mit Fußstapfen einen riesigen Buchstaben, den der neue Schnee alsbald bedeckt. Ich ertappe mich, Wege gehen zu wollen, auf denen noch niemand ging, abseits der Mitte, dort, wo alle laufen, abseits bereits Vorhandener Schuhwerk- und Pfotenabdrücke. Nur selten blicke ich zurück, sehe meine Spuren mich verfolgen, während unter meinen Sohlen der neue Schnee leise knirscht, entjungfert durch meinen Schritt. Ich bin hier, denke ich schmunzelnd, ich bin hier und hinterlasse Zeichen.

Ich liebe Schnee.

[Im Hintergrund: <7b>Gojira – „From Mars To Sirius“]