Peter und die Unke

Als Peter das Badezimmer betrat, hüpfte gerade eine blaugrün gestreifte Unke aus der Klopapierrolle.
„Was machst du denn da?“, fragte Peter verdutzt, obwohl ihm sicherlich bessere Fragen eingefallen wären, hätte er nicht so dringend auf Toilette gemußt.
„Ich wohne hier.“, antwortete die Unke und lief dabei ein wenig orange an. Peter zog seine Schlafanzughose runter, setzte sich auf die Klobrille und überlegte:
„Du wohnst in der Klopapierrolle?“
„Nein, natürlich nicht! Ich wohne im Klo!“
„Aber ist das nicht ziemlich widerlich?“, fragte Peter und verrichtete sein morgendliches Geschäft. Die Unke sah interessiert zu. Wenn man es genau nahm, glotzte sie eigentlich nur. Ob sie interessiert war, konnte Peter nur schwer einschätzen. Wenn man es noch genauer nahm, glotzte die Unke eigentlich immer. Das lag an ihren Glubschaugen, die so wirkten, als hätte sie irgendwer einfach auf den Körper aufgeklebt. Außerdem ging von ihnen ein grüngoldener Schmmer aus, der nichts und alles zugleich zu bedecken schien. Peter wußte nie, wohin die Unke gerade starrte.
„Natürlich wohne ich nicht in der Toilette. Das wäre widerlich!“, meinte die Unke nach einer Weile, und Peter hatte das Gefühl, das sie sich damit selbst widersprach. Doch er zuckte mit den Schultern. Was wußte er schon von der unter Amphibien üblichen Gesprächsführung?
„Die Toilette ist nur ein Tor.“, erklärte die Unke. „Und ich bin nur der Hüter.“
„Der Hüter?“
„Ja, das sieht man an meinem unsichtbaren Hüter-Hut.“, sagte die Unke und patschte sich demonstrierend auf ihren feuchten Kopf. Sie hatte Recht: Der Hut war wirklich unsichtbar.
Peter stand auf, zog die Hose hoch und betätigte die Spülung. Erschrocken hüpfte die Unke beiseite.
„Die Toilette ist also ein Tor…“, murmelte Peter, während der dem wirbelnden Wasser hinterherblickte.
„Zu einer anderen Welt.“, nickte die Unke – oder versuchte es zumindest. Es sah nicht aus wie ein echtes Nicken aus, doch Peter konnte erkennen, was gemeint war.
„Was für eine Welt?“, fragte Peter neugierig.
„DAS … darf ich nicht sagen. Ich bin nur der Hüter. Das sieht man an meinem Hut.“
Peter nickte.
„Und wie gelangt man dorthin?“
„Du mußt nur eine einzige Rätselfrage richtig beantworten, die der verantwortliche Torhüter dir stellt.“
„Mehr nicht?“
„Mehr nicht.“
„Also los.“, meinte Peter, den die Kröte allmählich nervte.
„Unke.“, verbesserte die Unke.
„Dann eben Unke.“, murmelte Peter, den die Unke allmählich nervte.
„Die Frage lautet … an dieser Stelle mußt du dir einen Trommelwirbel vorstellen … : Wieviel ist zwei plus drei?“
Peter hatte es satt. Diese glubschäugige Unke veralberte ihn doch! Trotzig antwortete er „Achtundzwanzig.“ und hoffte, fortan in Ruhe gelassen zu werden. Er stürmte in Richtung Badezimmertür.
„Achtundzwanzig ist richtig!“, jubelte die Unke und das Wasser in der Toilette brandete auf. Es toste und tobte und formte sich zu einer riesigen Welle, zu einer feuchten Hand, die tropfend nach ihm griff und ihn in die Toilette zerrte.
„Neeeein…!“, schrie Peter, doch schon war er in der Toilette verschwunden. Die Unke gluckste vergnügt: „Ich bin der Hüter.“
Als Peter zu sich kam, befand er sich in einem langen, schlecht beleuchteten Korridor. Sein Schlafanzug war trocken, als wäre er nie durch das Klo gezogen worden, und nirgends sah er eine Unke herumhüpfen.
Er ging ein paar Meter. Seine Schritte hallten auf dem langen Gang wieder. Er fühlte sich unwohl.
„Ich will nach Hause!“, rief er, doch nur das Echo des Korridors antwortete. Er begann zu rennen. Türen um Türen flogen links und rechts an ihm vorbei, aber der Gang nahm kein Ende.
Erschöpft hielt er nach ein paar Minuten inne.
„Ich will nach Hause.“, flüsterte er. Vorsichtig öffnete er die Tür links von ihm und lugte hinein. „Ein Badezimmer.“, wunderte er sich.
Als Peter das Badezimmer betrat, hüpfte gerade eine blaugrün gestreifte Unke aus der Klopapierrolle.
„Was machst du denn da?“, fragte Peter verdutzt.