Die Magdeburger Universität zelebriert ihren jährlichen Türöffnungstag und heißt all das interessierte oder orientierungslose Jung- und Altvolk willkommen, das sich mit studiumsnahen Inhalten an den dem Regenwetter trotzenden Ständen zu bestücken versucht.
Bratwurstschwangere Nichtluft zwängt mich durch die Wege versperrenden Massen hindurch. Ich wende meine Blicke ab von den immergleichen Darbietungen der Fakultäten, die mich schon bei meinem ersten Besuch vor vielzuvielen Jahren nicht zu überzeugen wußten, und überlege – wie in jedem Jahr -, ob ich nicht innehalten und anprangern sollte, daß mit dem Dargebotenen Unwissende ins Verderben gelockt werden. Denn mit den spielerischen Experimenten, die die neugierigen Blicke kurzzeitig Faszinierter aus sich lenken, beschäftigt sich ein Studium frühestens kurz vor dessen Ende.
Doch ich haste weiter, begegne einer Studentencommunity, für deren Anmeldung es einer universitären Emailadresse bedarf – die also nutzlos ist für all das herumstreunernde Schülervolk. Ein Vertreter einer weiteren Studentencommunity läßt sich von mir, dem Zeichner des hauseigenen Maskottchens, veralbern, als ich eben jenes Maskottchen zu kritisieren beginne. Schmunzelnd verabschiede ich mich.
In Mensavorräumen warten Blutspendewillige auf ihre Abfertigung. Ohne Wartezeit jedoch verläuft die Typisierung zur Knochenmarkspende. Keine fünf Minuten meines irdischen Daseins werden in Anspruch genommen.
Das vegetarische Essen der Mensa läßt zu wünschen übrig, doch ich vertilge es, meine Augen in einen Roman vertieft. Heute greift die Regel nicht, die mich sonst zu erfreuen weiß: Ich bin lange genug Student, um bei einem Mensabesuch immer jemanden zu treffen, dem ich mich anschließen kann.
Ich bedaure nichts und lese.
Vor der Bibliothek grüße ich Leute, treffe Freunde, scherze darüber, welches Studium ich ihnen, die längst studieren, empfehlen könnte und daß es sich lohnen würde, sich bei der Studentencommunity mit dem häßlichen Maskottchen anzumelden.
Während ich die planlosen oder Pläne studierenden Gesichter der Nochnichtstudenten betrachte, erfreue ich mich meines Wissens um die einzelnen Campuslokationen. Gerne würde ich stehenbleiben und schlaue Tipps geben, doch ich eile weiter, schweige, frage mich, ob ich äußerlich den Unwissenden zugeordnet werde oder als Mitglied der Studierendenschaft erkennbar bin.
Ich bemühe mich, kein Interesse für die Stände aufzubringen, laufe an ihnen vorbei, als gäbe es sie nicht, ignoriere den Menschentrubel, gehe meine Wege, fast blind, wie ein Profi eben. Ich möchte nicht dazugehören, nicht zu jenen, die ahnungslos das Gelände durchstreifen.
Die Bibliothek lockt junge Besucher an und ich freue mich darüber, dort heute nicht lernen zu müssen. Die Tasche eines Mädchens ist mit kleinen Glöckchen bestückt und klingelt bei jeder Bewegung fröhlich vor sich hin. Keine gute Idee, denke ich schmunzelnd, während sie läutend das Büchergebäude betritt.
Noch einmal die Wahl zu haben, überlege ich, wäre vielleicht nicht das Schlechteste. Ich habe immer die Wahl, rede ich mir ein, und setze meinen Weg fort. Das angestrebte Zimmer ist verschlossen, und für einen Moment fühle ich mich ebenso planlos wie die über den Campus wanderten Massen.
Als ich das Gebäude verlasse, eile ich an zwei Sitzenden vorbei, die sich vom ziellosen Trubel auf einer Bank erholen. Eine Bemerkung über mein Aussehen fliegt an mein Ohr, und ich schmunzle erneut:
„Ein typischer Student.“