Ein Wildschwein!

„Ich hätte gern ein Wildschwein!“, rief Elvira und nahm sich eine weitere Lakritzstange. Elvira hasste Lakritzstangen, und so war es nicht verwunderlich, dass sie angewidert auf die Süßigkeit in ihrer Hand blickte und diese dann – für ein achtjähriges Mädchen erstaunlich kraftvoll – aus dem Fenster warf.
„Das war bereits die fünfte.“, dokumentierte ich milde.
„Lakritzstangen sind Iiieh!“, meinte Elvira und hatte Recht. Lakritzstangen waren eklig. Eklig genug, um immer wieder welche zu kaufen und sie anschließend angewidert wegzuwerfen. Das hatten sie nun davon, diese widerlichen Dinger!
„Ein Wildschwein!“, wiederholte Elvira und ihre Stimme nahm einen quengelnden Tonfall an.
„Was willst du denn mit einem Wildschwein?“, fragte ich sanft. „Die sind doch immer so … wild.“ Ein schlagkräftigeres Argument gegen ein Wildschweinhaustier fiel mir auf die Schnelle nicht ein.
„Von wegen ‚wild‘.“, meinte Elvira. „Meerschweine sind ja auch nicht ‚mehr‘, sondern eigentlich ziemlich klein. Also ‚weniger‘.“
„Meerschweine heißen Meerschweine wegen des Meeres.“, erklärte ich.
„Aber Meerschweine sind kein Meer. Sie sind noch nicht einmal nass!“, rief Elvira. „Also sind Wildschweine auch nicht wild!“
„Aber Meerschweine können nass werden…“, konterte ich schwach, doch Elvira unterbrach mich sofort.
„Nur, wenn jemand sie nass spritzt. Und das ist Tierquälerei!“
„Oder wenn sie sich bepullern.“
Elvira stutzte. „Wenn sie sich bepullern?“
„Ja, wenn sie sich bepullern, werden Meerschweine nass. Also ‚meerig‘.“
„Du meinst also“, fragte Elvira zögerlich, „dass Meerschweine manchmal meerig sind?“
„Ja.“, antwortete ich und führte den Gedanken fort, bevor sie widersprechen konnte. „Und wenn Meerschweine meerig sein können, können Wildschweine auch wild sein.“
„Wenn sie sich bepullern?“, meinte Elvira.
„Wenn sie sich bepullern.“, sagte ich nickend und warf eine Lakritzstange aus dem Fenster.