„Ich muss dir eines gestehen, lieber, vielleicht bester, Freund, ach, was rede ich, nicht ‚vielleicht‘, ganz gewiss sogar bester, ja, allerbester Freund. Bitte unterbrich mich nicht, denn das, was ich dir nun darlegen, darreichen, also: sagen, werde, ist keineswegs allzu profan, entbehrt jedoch nicht einer gewissen Simplizität. Es lag mir bereits viele Male auf den Lippen, doch du weißt ja, wie ich bin: ich kann mich nicht immer aufraffen, auch das auszudrücken, was zu sagen ich gewillt bin. Und so war es auch hier. Ich entsinne mich noch des eines Abends, als wir gemeinsam nach einer kleinen Feierlichkeit bei deiner Cousine oder Mitbewohnerin oder Stiefschwester oder dergleichen heimkehrten, auf ein Taxi verzichteten und gerade, sicherlich ermutigt durch den Konsum diverser Alkoholitäten, in Begriff waren, uns näher zu kommen, unsere Freundschaft zu vertiefen, uns gegenseitig Dinge zu offenbaren, die wir voneinander trotz langjähriger Bekanntschaft nicht wussten, wie wir also nach Hause gingen, fast torkelten, möchte ich meinen, wollte ich es bereits sagen, wollte ich mich dir öffnen und auch dieses, vielleicht letzte, Geheimnis aus mir herausreißen und in deine Hände, oder vielmehr: Ohren, legen, weil ich plötzlich erkannte, dass du vielleicht die einzige Person auf Erden bist, der ich vollstes und jederzeitiges Vertrauen entgegenbringe. Doch wie du dich – möglicherweise – noch entsinnst, es ist ja noch nicht allzu lange her, kam dann deine Cousine oder Mitbewohnerin oder Stiefschwester hinter uns hergelaufen und brachte mir meinen Schal, den ich im Eifer des Aufbruchs, bei all dem herzhafen Verabschieden, Küssen und Umarmen, liegen gelassen hatte, brachte den Schal und unterbrach uns, beziehungsweise mich, der gerade in Begriff war, dir das zu erzählen, was zu erzählen ich nun in Begriff bin. Übrigens gab es seitdem noch eine Handvoll Situationen, in denen es nicht unangebracht gewesen wäre, das mir auf dem Herzen Liegende kundzutun, doch meinte es das Schicksal oder der Zufall, je nachdem, woran man glauben mag, mit mir nicht sonderlich gut, und jedesmal fand ich irgendeinen, oft winzigen Grund, nicht weiterzureden, nicht zu sagen, was ich nun sagen werde, nicht auszusprechen, was auszusprechen ich längst willens war. Nun aber soll es raus, ins Freie, soll meinen Schädel und somit auch meinen Mund verlassen, soll ausgesprochen werden und dich finden, soll von dir vernommen und beurteilt werden, und ich hoffe, dass unsere Freundschaft anschließend noch dieselbe sein wird. Oh ja, das hoffe ich, und mehr noch: Ich hege den Hauch einer Hoffnung – verzeih‘ mir diese kleine Alliteration, werter Kumpan – dass unsere Verbindung, die, wie dir sicherlich bewusst ist, bereits mehr als ein Jahrzehnt währt, durch dieses kleine Geständnis, gar vertieft werden wird, dass du mein nicht länger mögliches Schweigen als Beweis meines Vertrauens verstehen und vielleicht sogar in Zukunft mehr denn je bereit sein wirst, mir das deinige zu schenken. Ich will auch nicht länger um den heißen Brei, der, wenn man es genauer betrachtet, gar nicht so heiß ist – und Brei sowieso nicht -, herumreden, sondern nun die Karten auf den Tisch legen, die Wahrheit der eigentlich einzig und allein aus dir bestehenden Öffentlichkeit darreichen. Das, was ich dir all die Zeit, all die Male, von denen ich dir eben nur ein einziges, kleines Beispiel aufführte, sagen, mitteilen, ja, nennen wir es beim Namen: gestehen wollte, war – und es fällt mir wirklich nicht leicht, es hier auszusprechen, und gleichzeitig bin ich doch froh, wenn die Last endlich von meinem Herzen weichen wird, wenn ich mich um dieses winzige Geheimnis, das ich nun schon so lange Zeit mit mir herumtrage, erleichtert haben werde -, das, was ich dir also längst sagen wollte, ist:
Ich verliere nicht gern viele Worte.“
„Ich schon.“