In den Laken

Ich wühlte mich in die Laken, als gäbe es Wege, Wege nach unten, weiter nach unten, so tief es eben ging. Schluchten wollte ich finden, Höhlen, sie mit meinen Händen betasten, mit meinen unnützen Augen erahnen. Nicht, weil ich schlafen wollte, nicht um die verlockende Wärme der Decken, das weiche Flauschen des Kissen, weiterhin um mich zu spüren, nicht, um nicht der warmen Obhut meines Bettes entrissen, der alltäglichen Tat ausgeliefert zu werden. Nein, ich suchte, war ein Forscher, ein Finder, ein Entdecker.

Ich tauchte tiefer in die Laken, tiefer in die schlafwarme Welt, die so angenehm vertraut roch, die sich über Stunden, Nächte hinweg vollgesogen hatte mit mir. Ich raubte dem Tageslicht jeden Zugang zu meinem Pfad, den erwachenden Geräuschen jeden Eintritt unter die wärmende Federschicht. Bleibt draußen, hauchte ich, und blickte hinab in das Dunkel.

Ich sah nichts. Nichts. Nur Schwärze, finsterste Lichtlosigkeit. Und. Eine Tür.

Keine Tür. Das konnte nicht sein. Noch immer befand ich mich in meinem Bett. Ich riss die Decken von mir fort. Sonnenlicht durchflutete meine Höhle aus Stoff, ließ die Tür verblassen, als sei sie Traum und Hirngespinst gewesen. Keine Tür. War ja klar.

Und doch zweifelte ich. An mir. Am Licht. An meinen Augen. Denn veilleicht war sie noch da. Irgendwo unter den Laken, versteckt in der Dunkelheit, die sich wiederum vor der plötzlich aufwuchernden Helligkeit versteckt hielt.

Ich kroch zurück ins Bett, erbaute meine Höhle neu, schloß Tag und Vernunft aus und begann zu suchen. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dunkel, vermochten nur allmählich die Falten in meinem Laken zu erahnen, streiften über die winzige Fläche unter mir, als sei dort irgendwo eine Tür verborgen.

Und da war sie.

Keine Tür, die einem Märchen entsprungen wäre. Keine Tür, die mit metallenen Schnörkeln, mit blattwerkiger Verzierung, mit Initialen oder güldenem Gleißen aufwartete. Nein, eine normale Tür, wie sie in jeder normalen Wohnung zu finden war. Pressholz mit schlichter Klinke. Glatt und frei von Kratzern. Und auch wenn ich wusste, dass es unmöglich war, hätte ich doch geschworen, dass diese Tür eine normale Größe besaß, groß genug war, dass ein Mensch hindurchgehen konnte.

Ich legte die Hand auf die Klinke.
Zögerte.

Was mochte dahinter sein? Eine fremde Welt voller sagenhafter Fabelwesen, wie sie Narnia und zahllose weitere Geschichten herbeiwünschten? Vielleicht ein Weg in meinen Kopf, wie es der Film „Being John Malkovich“ vorschlug? Vielleicht war die Tür gar ein Tor, in eine andere Dimension, eine andere Zeit, irgendwohin, wo fremdartige Gestalten mit primitivster oder höchster Technologie nach Besserem strebten? Vielleicht, kicherte ich leise, landete ich aber nur in meinem Bettkasten.

Die Klinke war warm. Gerne hätte ich ein Pulsieren gespürt, verlockende Stimmen gehört. Doch da war nichts. Nur die Klinke, deren Temperatur der Umgebung glich, in der sie sich befand, die Klinke, die weder sonderlich schön noch interessant oder einladend wirkte. Nur die Klinke.

Ich zögerte noch immer.
Würde ich zurückkehren können? Würde ich erblinden? Würde ich…?

Ich drückte die Klinke nach unten. Erst langsam, unsicher. Dann verlor ich die Geduld, riss die Tür auf, die keinen Widerstand leistete. Ein Raum offenbarte sich mir, nicht groß, doch dunkel.

Ich nickte. „So etwas hatte ich erwartet.“
Seufzend schaltete ich das Licht an und ging duschen.