der morgendliche wurm im ohr 9

nachdem mein rechner sich entschieden hatte, während des letzten geschriebenen textes jegliche anwendung als inexistent zu verleugnen und einen neustart herauszufordern, der meine zeilen dem unwiderbringlichen nichts übergeben und für alle zeit verschwinden lassen würde, verzichte ich nun auf eine wiederholung meiner selbst, sondern erwähne nur schnell die beiden heutigen morgenohrwürmer.

ersterer war mir schon während des aufwachens im kopf, zweiterer gesellte sich erst später dazu. beiden ist gemeinsam, daß schon mehrere tage vergangenen sind, seitdem ich die lieder letztmals vernahm.
mir fällt jedoch gerade auf, daß ich mich nicht mehr des ersten ohrwürmchens entsinnen kann, nur noch weiß, daß es ein metallischer war, womöglich von danzig . beim zweiten handelt sich aber gewißt um

annett louisan – „daddy“.

Doch ich mach all diese Fehler, Daddy
Und finde überhaupt keinen, den es stört.

wiedersehen

das wiedersehen war kurz und doch zu lang.
wie schwer doch stille wiegen kann.
ich erinnere mich daran, noch gestern dein foto geküßt zu haben.
jenes bild, auf dem du lachend aus meinen armen auftauchst.
doch die, die ich küßte, war eine andere.
warst nicht du.
irgendwie.

wir versuchen, die last des schweigens mit einem lächeln zu vertreiben.
wir versuchen, themen zu finden, die wir kennen.
wie versuchen, einander zu finden.
doch die vergangenheit trennte uns.
in der gegenwart bleiben narben und klüfte zurück.
ich lächle dir zu, doch du weißt, daß ich lüge.

dein mund äußert bedauern.
„wir sollten mal wieder etwas zusammen machen.“
ich stimme dir zu, doch sehe mich schon in mein schneckenhaus zurückkriechen.
die wirklichkeit soll mich nicht finden.

das war alles.
wenige worte, die so unendlich schwer waren, daß sie noch immer am boden herumkriechen, ohne gefunden zu werden.
bilder, auf denen wir aus irgendeinem unverständlichen grund lachen.
eine leere, die nicht befüllt werden kann.
vage gesten, die wohl nichts bedeuten.

die vertrautheit zerbrach längst.
irgendwann hatten wir uns verloren.
der schein der freundschaft schmerzt.

waren wir einander immer schon so fremd gewesen?

betrübt blicke ich dir nach.
irgendetwas in mir vermißt das mädchen auf dem foto.
das mädchen, das du längst nicht mehr bist.
vielleicht nie warst.

zäsur

zum zweiten mal an diesem tag überkommt mich der wunsch nach einer zäsur.

ich möchte die augen schließen und für einen augenblick lang mir selbst entfliehen, irgendwohin, wo ich nicht ich bin, wo ich nicht denke, wo ich nicht weiß, wo ich keinen grund zur furcht mit mir herumschleppen muß. ich möchte die augen schließen, um irgendwann wieder zu erwachen, das trübe vergessen, mit frischem elan den neuen momenten begegnend.

vermutlich sind diese gedanken nur eine illusion, der ich mich hingebe, ohne daß sie in der wirklichkeit bedeutung besitzt. vermutlich werde ich in altem trübsal erwachen, neuerlich müde, neuerlich erschöpft und mit meiner existenz belastet. vermutlich.

doch meine anwesenheit im jetzt gleicht einem ziellosen herumdümpeln, auf ein niemals eintreffendes unding wartend, das zu benennen ich noch nicht einmal imstande bin. mit jeder sekunde, die vergeht, steigt mein unmut, meine traurigkeit, zerrt mich mein dasein tiefer in die düsteren gefilde des eigenbedauerns. ich will das nicht, beobachte mich in meinem fall und störe mich daran. doch die weigerung, die ablehnung all dessen, was geschieht, verstärkt es nur. jeder sich in mir regende unmut gesellt sich zu dem bisherigen und mehrt diesen. ein kreis, aus dem es kein entkommen geben kann. kein entkommen, aber vielleicht eine pause, ein neuanfang, eine zäsur.

die erste stille war kurz, zu kurz, um meine erschöpfung zu beseitigen. geschlossener sinne weilte ich unter weichem tuch und ließ die wärme mich davontragen. ein klopfen entzog mich meiner dämmerung, zog mir sanft die augen auf. ich ließ herein, was mich erfreute: eine begegnung mit dem lächeln. wenige worte flossen durch den abgedunkelten raum, zwei hauchzarte berührungen wurden verschenkt. dann war es vorbei, ich blickte dem leuchten hinterher und erhob mich lächelnd.

doch mein weg im jetzt war kurz. bald schon fand mich mein inneres, vertrieb meine leuchtende krone, verscheuchte das unwirkliche. in meinem schädel wächst das trübsal. ich spüre die wolke, die meine sinne vernebelt, die mich verdunkelt, mich von innen mit tränen begießt. was verbleibt, ist der wunsch nach ruhe, vielleicht auch der wunsch nach menschen, nach worten. vielleicht sollte ich meine augen erneut schließen, mein haupt in weiche träume betten und darauf hoffen, daß später alles besser sein wird…

der morgendliche wurm im ohr 8

rotkäppchen: „warum schaust du denn so betrübt?“
ich: „weil ich mal wieder gegen einen baum lief und das erst bemerkte, als ich blutend am boden lag…“

vielleicht bemerkt man zuweilen schon von vorneherein, daß ein tag nur schlecht werden kann, vielleicht versprüht der tag sein gift schon in die morgenstunden und läßt einen erahnen, welches übel noch bevorsteht. vielleicht jedoch legt man bei einem unangenehmen morgen im geiste selber fest, wie dieser tag zu verlaufen habe, definiert ihn als „schlecht“, weswegen er gar nicht anders kann als so zu werden.
ich versuche ja aufzusehen und darauf zu warten, daß die sonne, die durch mein fenster lugt, auch mein gemüt zu erhellen weiß, doch der zweifel in mir ist stark.

in den letzten beiden tagen kroch morgens stets ein kleines würmchen durch meinen gehörgang. doch seine erwähnung ist wenig spektakulär, waren es doch lieder, die ich am vortag bewußt und teilweise mehrmals vernommen hatte.
heute jedoch spukte mir ein song von empyrium im schädel herum. allerdings stellte ich dies erst fest, nachdem ich schon mehrere minuten unter den aufrecht gehenden wandelte. das wiederum führte mich zur wiederholung einer beobachtung, die mich schon einige male aufblicken und nachdenken ließ: nicht selten huscht das morgendliche lied erst im letzten moment in mein ohr. werde ich also geweckt und döse anschließend noch ein paar augenblicke, kann ich darauf wetten, daß zum zeitpunkt des weckerklingelns mein schädel liedfrei ist, daß ich aber nach dem dösen ein paar klänge in mir finde. das wiederum läßt den logischen schluß zu, daß irgendwelche gedanken, die mich in morgendlicher trägheit heimsuchen und vom kommenden künden oder über das gewesene berichten, in meinem geiste mit liedern assoziiert und zu morgendlichen würmern gewandelt werden. wer weiß.

Zugfahrt

Der Zug ist leer. Um diese Uhrzeit fährt wohl niemand mehr. Nur eine Handvoll Leute leistet mir Gesellschaft, doch flüchtet sich in verschiedene Abteile, sucht die Isolation von den Anderen, den Fremden. Es ist der letzte Zug. Ich bin froh, ihn erreicht zu haben, lasse mich nieder und freue mich darauf, bald endgültig zu Hause sein zu könen. Ein Türke fragt mich nach einem Wochenendticket. Ich habe keines. Merkwürdigerweise schäme ich mich dafür.
Das Abteil gehört mir alleine. Als der Zug anfährt, wechsele ich den Sitzplatz.

Draußen hinter der Scheibe entdecke ich nur Dunkelheit. Das Rattern des Zuges beruhigt mich. Meine eigenen Worte beruhigen mich. Ein Schaffner kontrolliert meinen Fahrschein. Seine Höflichkeit erstaunt mich und wird von mir erwidert. Ich verkrieche mich wieder in meine Gedanken. Der Türke kehrt zurück, berichtet mir von seiner erfolgreichen Flucht vor dem Schaffner. Ich lächle, gebe ihm recht, weiß nicht, ob er immer so offen ist oder getrunken hat. In seinem Stoffbeutel klirrt es verdächtig gläsern. Es ist mir egal. Wieder allein beiße ich in einen Apfel, lese ein paar Zeilen in einem Buch, das ich längst kenne, doch von dem zu fesseln ich immer wieder bereit bin.

An der Scheibe klebt der Handabdruck eines Kindes. Fasziniert setzte ich meinen eigenen daneben und betrachte die beiden eigenartigen Kunstwerke. In einem anderen Abteil beginnt der Türke zu singen. Laut und nicht wirklich begabt. Ich verstehe kein Wort, doch grinse vergnügt. Als abzusehen ist, daß der fremdartige Gesang nichtaufhören wird, vertiefe ich mich erneut in meine Lektüre.

Vielleicht war heute ein guter Tag.

Nächtliche Reflexion

Der Tag war angefüllt mit wundersamen Ereignissen. Zu spätester Stunde in einem leeren Zugabteil sitzend, in die Unsichtbarkeit der Außenwelt hinausstarrend, doch trotzdem nur nach innen hineinsehend, versuche ich, meinen Geist zu beruhigen und die widersinnigen Stimmen in meinem Schädel zum Schweigen zu bringen. Ich bin mir der Ignoranz bewußt, die ich mir selber aufzuerlegen gedenke, bemerke den Widerstand in mir gegen die äußere Ruhe und das einlullende, regelmäßige Rattern des Zuges. Doch mehr noch als alles andere wünsche ich mir in diesen Augenblicken, vor mir selbst zu fliehen und der Andeutung eines Lächelns, das sich in meinem Mundwinkel versteckt, nachzujagen.

Mich bedrängt das schlechte Gewissen des unausweichlich Kommenden, der erneut gewagte Versuch, einen richtigen Pfad vorerst nicht begehen zu wollen, das Morgige in die unbestimmte Ferne der Zukunft zu verschieben. Ich weiß, daß falsch ist, wie ich handeln werde – und doch scheint es mit der beste, ja vernünftigste, Weg zu sein, davon ausgehend, daß auch dieser zu einem Ziel, zu meinem Ziel führt (obgleich ich mir im Unklaren darüber bin, ob das Ziel wahrlich meines ist). Das schlechte Gewissen und die damit einhergehende Ungemütlichkeit, das unmerkbare Zittern meiner Hände, die vielen Gedanken voller Furcht, vermag selbst die Gewißheit, nicht zu vertreiben, den heutigen Tag mit einer guten Tat gefüllt zu haben.

Das Wissen dämpft das Gewissen, doch nicht genug. Trotzdem bin ich geneigt, mir – ohne selbstpreisend agieren zu wollen – ein lobendes Wort zu schenken, weil ich mir heute selbst bewußt machen konnte, woraus in meinen Augen wahre Freundschaft besteht: Im richtigen Moment alles Eigene stehen- und liegenlassen zu können und sich vollends dem anderen zu widmen. Ich bin gewiß ein wenig stolz, dergleichen getan zu haben und jederzeit wiederholen zu würden, doch mischt sich die Scham über den Stolz und darüber, womöglich eine Art Überposition gegenüber dem Hilfe-Ersuchenden einzunehmen, in meine Gedanken und trübt sie ein wenig.

Eine ältere Photographie brachte zudem Wirbel in mein Denken. Denn mit ihr verspürte ich die immense Wucht der völligen Rückkehr der Sehnsucht, die stets in mir gewohnt hatte, doch verdeckt war durch das Ersehnen des Vergangenen. Nun jedoch, da das Vergangene langsam aus meiner Seele herausgeblutet ist, nun jedoch, da nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz die Unmöglichkeit des Unerreichbaren erfaßte, öffnen sich meine Augene wieder, und ich beginne zu sehen. zu suchen und zu träumen. Nie verlor ich den Traum, doch verlor ich ein Gefühl der Leichtigkeit, ein gefühl, das meine tiefsten Regungen von Trauer und Schmerz loszulösen wußte. Ich verlor die Fähigkeit zu fliegen, blickte nur stets vom Grunde hinauf zu den gegflügelten Wesen über mir, beweinte ihre Ferne und leckte meinen gebrochenen Schwingen. Doch nun vermag ich zu lächeln, ohne die Träne der Vergangenehit zu spüren. Was war, ist nicht vergssen, wird nie vergessen werden, war viel zu schön, erfriff mich zu sehr, um es noch loslassen zu wollen, zu können, doch die Möglichkeiten des Gegenwärtigen ergreifen von mir Besitz und öffnen mein Herz für eine traumhafte Leichtigkeit.

Vielleicht ist es einfach nur der nahende Frühling, der mich lockt. Wer weiß. Doch in mir wogt ein Lächeln, eine Liebe, die ich lang vermißte, eine Liebe, die den Dingen gilt, die allem gilt, die sich nicht in einem Punkte konzentriert, nicht in einem Wesen manifestiert, sondenr überall winzige Spuren zu bestaunender Existenz hinerläßt. Ich vermag aufzusehen und der grauen Zukunft ins Anlitz zu schauen, wissend, daß irgendwo mein Leuchten wartet.
Draußen zieht unbemerkt die Nacht an der Scheibe vorbei. Im Geiste küsse ich die Gesichter der Vergangenheit. Ich spüre, daß ich sie liebe, spüre, daß ich das Leben liebe, heiße mich willkommen in einer unwirklichen Zauberwelt, die nur einen Atemzug lang Bedeutung haben wird, solange, bis die Schatten der Realität sie vertreibt, zersplittert.

Ich fürchte mich vor dem Dunkel, das dort draußen lauert, fürchte die Möglichkeiten, fürchte die Zukunft. Doch halte ich fest an der Gewißheit, daß alles gut zu werden vermag, daß meine Pfade die richtigen sein, daß mir stets leuchtende Wesen beiseite stehen werden, daß ich in keinem Augenblick allein und trostlos bin.

Ich blicke hinaus. In der Ferne funkeln müde Lichter. Der Zug rattert träge vor sich hin, betäubt mich mit Stille. In der spiegelnden Scheibe entdecke ich ein Lächeln auf meinem Gesicht.

Ich heiße es willkommen.

Kleinigkeiten

Vielleicht sind es nur Kleinigkeiten, winzige Splitter einer gläsernen Sonne, die ich ersehne; vielleicht aber ist es ein Leben.

Ich wünsche mir, mit geschlossenen Augen geküßt zu werden – aus dem Nichts heraus, wünsche mir, eines deiner langen Haare auf meinem Bettlaken zu finden. Ich möchte deinen Duft in meiner Kleidung finden, möchte bei jeder Gelegenheit, bei jedem Musikstück, an jeder Straßenecke, an dich erinnert werden. Ich möchte einschlafen mit den Gedanken bei dir. Ich sehne mich danach, mit meinen Fingern den Linien deines Körpers zu folgen, mit geflüstertem Wort dein Lächeln zu wecken. Ich möchte im Nirgendwo plöztzlich aus dem Auto aussteigen, dich in den Arm nehmen und wissen, daß ich genau hier richtig bin. Ich möchte, daß du dich beschwerst, wenn meine Stoppeln beim Küssen stören, möchte ein lautloses ‚Bis bald.‘ von deinen Lippen klauben, wenn du gehst. Ich möchte für einen Moment meine Gedanken in deine Hände legen, die Welt vergessen und nur dich behalten. Ich möchte mich der heimlichen Tränen erfreuen, die sich bei schmalzigen Filmen in mein Gesicht stehlen, möchte, daß du an mich rückst, Bestätigung suchst, daß mit uns alles gut sei. Ich sehne mich danach, dir deinen Mantel abzunehmen und deine Schönheit still zu bewundern. Ich möchte vo dem Spiegel deinen Nacken küssen, dich umschlingen und halten. Ich wünsche mir, du stündest hier, meiner Begegnung harrend, wünschte, den Klang deiner Schritte vor der Haustür erkennen zu können. Ich möchte Briefe an dich schreiben und mich unzählige Male am Telefon verabschieden, möchte das Kind in dir finden und die Frau in die begehren. Ich möchte dich betrachten, wenn du schläfst oder dich anziehst, möchte deine Hand nicht loslassen müssen. Ich wünsche mir das Feuer in deinen Augen blitzen zu sehen, wenn du für etwas Begeisterung empfindest, wünsche mir, mit dir fühlen zu können. Ich möchte dich durch das Herbstlaub jagen, auf saftigen Wiesen fangen, dich unter Wasser küssen. Ich möchte dich schüchtern fragen, ob du mich schön findest, möchte mir Mühe geben müssen, pünktlich zu sein. Ich möchte dein Lachen vernehmen, wenn dir der Wind das Haar ins Gesicht weht, möchte ohne Worte ahnen, was du denkst. Ich sehne mich danach, im Winter deine Hand in meine Tasche zu stecken und zu wärmen, sehne mich danach, die Namen deiner Plüschtiere zu kennen. Ich sehne mich danach, sprachlos vor Freude zu sein und für dich jede Spinne des Zimmers zu verweisen. Ich möchte mit dir einkaufen gehen, mit den Fingern über deinen Lieblingspullover streichen, dir ein T-Shirt leihen. Ich möchte zu viele unscharfe Fotos von dir besitzen und deinen Namen im Meeressand schreiben. Ich möchte…

Vielleicht möchte ich einfach nur lieben.

der morgendliche wurm im ohr 7

„du sau.“

meine ersten worte am heutigen tage galten der weckapparatur. das eigentliche läuten hatte ich zwar als störend, jedoch nicht als unangnehm empfunden. in einer spontanen anwandlung von großzügigkeit mir selbst gegenüber hatte ich mittels der omniösen „snooze“-funktion [ich mußte soeben endlich mal nachschauen, wie man dieses alberne wort am besten übersetzt] meine schlafenszeit um fünf winzige minuten verlängert. ich ließ die gedanken treiben und bereitete mich innerlich auf das aufstehen vor. ich denke, der tag wäre nicht so schlimm, wenn das elende aufstehen wäre, das in jenen augenblicken immer so wirkt, als würde man die schöne gegen die schlechte alternative eintauschen. kurz bevor ich in den zustand gelangte, in dem ich mich selbst davon überzeugt hatte, daß es an der zeit wäre, mich zu erheben, gab der wecker erneut unangenehme geräusche von sich. diesmal nervte es mich und entlockte mir oben erwähnte beleidigung – und zwar einzig und allein, weil das klingelding unter garantie mit bösartiger häme auf den ungünstigsten augenblick zum klingeln gewartet hatte, um mich meiner selbstüberredung zu entreißen und mich mit einem läutenden tritt in den arsch aus den federn zu scheuchen.

wenige augenblicke später stellte ich fest, daß ich schon mehrere momente lang das duschwasser auf meinen leib rieseln ließ, ohne mir dessen bewußt zu sein. ich dachte kurz nach und begriff, daß als nächstes das haarwaschmittel an die reihe käme. ohne zögern griff ich danach und kleckste mir ein paar tropfen davon auf die hand. allerdings ließ mich irgendetwas stutzen. unsicher fuhr ich mit der unbeklecksten hand ins haar – und stellte fest, daß dieses längst shampooniert war, daß ich also mein haupt längst mit dem haarwaschmittel beschmiert hatte, ohne mir dessen bewußt gewesen zu sein, ohne mich daran erinnern zu können. fatal.

immerhin verlief der restliche reinigungsvorgang ohne weitere zwischenfälle. außerdem war es mir vergönnt, dem morgendlichen wurm in meinem gesäuberten gehörgang beachtung zu schenken:

chamber – „in your eyes“

In your eyes I see
beautifully and cruelly
truth within eternal love

[…]

But I wouldn’t want to be
a heartbeat away.
You gave me everything you had
and all I see is you.
I want to thank you,
for everything you are and do

zum glück weiß niemand, daß ich häßlich bin.

mein lächeln entblößt meine seele, abgründe ergreifen von den blicken besitz. das lächeln wird zum schauermärchen; was sein könnte, birgt einen albtraum. in meinen augen spiegeln sich tränen wieder, werfen die formlosen schatten des geistes in die leere der welt, erzählen von zu vielen gedanken, die wirr und unvollkommen ein dasein fristen, das meines und zugleich keines zu sein scheint. zerzaustes haar spielt mit den winden, verdeckt mein zerfurchtes antlitz. jede silbe aus meinem mund birgt einen schrei oder ein grelles, tonloses lachen, die aussichtslosigkeit des seins betreffend. der spiegel zeigt eine leichenbleiche silhoeutte, irgendwo am rand der eigenexistenz gestrandet. kraftlos zittern die dürren spinnenfinger; ein hauch meiner selbst formt meine gestalt. die stimme flüstert welke worte, doch verbirgt mich längst nicht mehr.

doch aus der ferne brennt mein leben. worte entströmen meinen sinnen, verbinden sich zu wunderlichkeiten, malen ein netz feinster silbergedanken in die trübnisse der welt. ein lächeln entsteht auf papier, gerinnt zu zeilenbergen. ich schreibe mich schön. der autor ziert sich selbst mit jeder silbe, kritzelt einen seligen schleier über seine seele, entfremdet sich zum guten auf der suche nach dem ich.
aus der ferne betrachtet erwachsen mir weiße zauberschwingen, zerren mich hinauf in die weiten des himmels, lassen fliegen, was längst am grunde zerschellte. ich ziehe fremde blicke in bizarre traumwelten aus licht, kreiere mit winzigen zeichen eine hoffnung, deren größe mit dem geiste nicht zu erfassen ist. liebe wuselt vergnügt zwischen den worten herum, und irgendwo wartet ein leben, von ihr geküßt zu werden.

mit flüssigem wort schreibe ich träume, reiße die narben der wirklichkeit von suchenden gesichtern.

zum glück weiß niemand, daß ich häßlich bin.

der morgendliche wurm im ohr 6

es ist erstaunlich, wie viele gedanken in meinem kopf auf ewig unerfüllbar bleiben werden, wie viele träume nur illusionen darstellen, bilder, die ich mir ersinne, um mich für den moment zu trösten, hoffnungen, die ich mir ausmale, um die wirklichkeit für einen augenblick zu stillen – und die mir immer wieder den leidigen schmerz des erwachens schenken…

beim heutigen wurm in meinem ohr handelt es sich um lied, das ich zuletzt vor zwei tagen bewußt vernahm.

pink floyd – „let there be more light“