Musik, bitte.

Der Stuttgarter Club Zentral hatte zu den sogenannten Metal Nights geladen und mich frisch Zugezogenen mit schwermetallischen Bands gelockt. Ich wehrte mich nicht, und erwarb eine Karte, die mir ermöglichen sollte, Agathodaimon, eine von mir seit ungefähr zehn Jahren gutgefundene Klangformation, live zu erleben, begleitet von Agrypnie, dem Projekt, das aus den nicht mehr existierenden, aber von mir noch immer hochgeschätzten Kapelle Nocte Obducta hervorging.

Der wahre Anlass war natürlich das neue Agathodaimon-Album, das nach diversen bandinternen Umstrukturierungen eventuell in mir diverse Befürchtungen geweckt hätte, wenn ich überhaupt davon gewusst hätte. Doch bis vor wenigen Tagen wusste ich nichts, und bis Zeitpunkt des ersten Agathodaimon-Konzertsongs hatte ich von dem Neuwerk nicht mehr gehört als wenige durchgezappte Minuten in irgendeinem Musikfachfarengeschäft. Aber immerhin kannte ich das Altwerk zur Genüge und glaubte mich zumindest für den Headliner gerüstet.

Agrypnie hingegen war mir nahezu unbekannt. Glücklicherweise hatte last.fm das Debüt dieser Musikgruppe anhörbereit, so dass ich ihm drei Male komplett lauschen konnte, bevor ich mich heute auf den Weg begab. Doch war ich diesbezüglich sorgenfern, denn auch Nocte Obducta war keine Band gewesen, deren Titel man mitsingen können sollte.

Es hieß Metal-Nights, und so war es nicht verwunderlich, dass zwei Vorbands aufzutreten beabsichtigten. Zum einen handelte es sich dabei um Lyfthrasyr, deren Name mir bekannt vorkam, deren Klänge mich beim last.fmigen Hineinhören jedoch nicht dazu ermutigten, mehr als zwei Lieder erlauschen zu wollen. Ich war demnach unvorbereitet, doch mit diesbezüglicher Gleichgültigkeit benetzt. Und von der lokalen Band Darkness Ablaze wollte ich mich schlichtweg überraschen lassen.

Dass der Club Zentral so heißt, war gut, denn die Haltstelle Stadtmitte war nicht fern, und erhöhte mir Unwissendem, mit handgezeichnetem Lageplan Bestücktem die Erreich- und Findbarkeit der Lokation. Selbige war klein, aber im Gegensatz zu den üblichen Metalschuppen sauber und abseits jeglicher wrackiger Konsistenz. Es gab sogar eine behindertengerechte Männertoilette – unguterweise war sie jedoch für maskuline Wesen die einzige, so dass auch wir Nichtweibchen mal die Erfahrung einer Kloschlange machen durften. Zum Glück war sie stets angenehm kurz.

Weiteres Glück hatte ich, weil ich nach der Konzerterei meine Jacke an ihrem Platz antraf. Denn Stuttgart besitzt in seinen Clubs zwar Möglichkeiten, ablegbares Kleidwerk zu verstauen, doch mangelt es sehr häufig an Bewachern, Abholmarkenausgebern und 50-Cent-Kassierern. Intelligentweise war ich vorbereitet gewesen: Monatskarte, Geld und Wohnungsschlüssel waren alles, was ich an bedeutsamen Gegenständen bei mir trug – und natürlich nicht in der Jacke ließ.

Darkness Ablaze waren erstaunlich gut. So gut, dass ich während ihrer nur halbstündigen Darbietung immer wieder dachte: Huch, die sind ja gut. Nicht gut genug, um 12 Euro für ihr silbernes Presswerk ausgeben zu wollen, doch gut genug, um bereits jetzt in die Stimmung zu kommen, den Kopf nicht nur taktbezogen wippen, sondern mitsamt des wallenden Haupthaares schütteln zu wollen. Ich schüttelte nicht, doch freute mich über das angenehm abwechslungsreiche Spiel und den fähigen Frontmenschen, der mich eine einst getroffene Aussage korrigieren ließ: Kurzhaarige Headbanger sehen albern aus, aber nur, wenn die Kurzhaarigkeit nicht in eine Glatze mündet. Tatsächlich versprühte der Schreikerl angenehm viel Energie, um auch den recht kleinen und trotzdem nicht übermäßig dicht bevölkerten Club in Wallung zu bringen. Und auch wenn ich befürchte, die Band abseits ihres Live-Daseins nicht übermäßig viel hören zu werden, empfehle ich sie hiermit.

Das Gegenteil mache ich mit Lyfthrasyr. Unwillig muss ich zugeben, dass es nicht Unfähigkeit war, die meine Sympathie an dieser Band vorbeigehen ließ. Nein, der Grunzer war durchaus zum verschiedenen-tonlagigen Kreischen imstande und konnte auch nebenbei seinen elektrischen Bass bedienen. Doch allein dieser E-Bass war ein Hort der Widerwart: Alles an ihm schrie: Ich bin ein Poser, schaut alle her! Und es ging noch weiter: Die Gewandung der Musizierenden war tiefstes Gothic-Klischee, irgendwie unpassend für ihre harten metallischen Laute, mit Lack und Bondagerei eher dem ELektronischen zuvermutet – und auf jeden Fall in jedweder Umgebung unschön, abartig, als hätten sie Rabatte bei XtraX bekommen. Die Mimik, die Gestik, des Frontmenschen – alles rief „Poser“ und vermochte noch nicht einmal mehr, mich schulterzuckend schmunzeln zu lassen. Und wenn es nicht „Poser“ war, dann war es „evil“ – was allein der Scheinwerfer bezeugte, der den Sänger von unten bestrahlte und dementsprechend taschenlampenböse aussehen ließ. Wenn wenigstens die Musik gut gewesen wäre – doch irgendwie empfand ich sie nur als sinnloses Geknüppel, das hin und wieder von dem mit einer Baumarktkette beschmückten Keyboard unterbrochen wurde.

Die Umbauarbeiten waren jedesmal wieder faszinierend. Zum einen erstaunte mich, wieviele Menschen Platz auf dieser kleinen Bühne hatten, zum anderen fand ich angenehm, dass die Bandmitglieder selbst es waren, die den Hauptteil des Auf- und Abbaus besorgten, nicht irgendwelche Groupies.

Agrypnie waren der Höhepunkt der Metal-Nights. Zumindest wenn es nach dem Publikum ging. Es wimmelte nur so von Agrypnie- und Nocte-Obducta-Bekleidung, während sich Agathodaimiges nirgends finden ließ. Der Saal erreichte seine Maximalbefüllung des Abends, jedoch längst nicht seine maximal mögliche.
Ich befand ich mich irgendwo in dritter, vierter Reihe und schwelgte in Sympathie. Denn tatsächlich war die Band auf den ersten Blick schon einnehmend. Da war der Schlagzeuger, der seine Ohren mit dicken Kopfhörern bedeckte und gerne in des Sängers Ansagen hineintrommelte. Da war der Bassist, ein etwas Fülligerer, der während der Songs vielleicht am meisten mitging und hin und wieder sein Musikinstrument in die Höhe hielte, als wollte er un zeigen, dass es noch immer existierte. Da war der Leadgitarrist, ein riesiger Kerl, dessen Gitarre in anderen Händen poserartig gewirkt hätte, beim ihm jedoch etwas Zierliches hatte. Während der cleanen Passagen zupfte er vor sich hin, auf seine Arbeit konzentriert und doch ohne Besessenheit. Wie nebenbei brachte er die Gitarre zum Klingen. Der zweite Gitarrist war fast noch ein Kind. Nach dem Aufbauen setzte er seine Brille ab, nach dem Konzert wieder auf. Zwischendurch strich er sich immer wieder die Haare aus dem Gesicht, obwohl sie dort überhaupt nicht verweilten. Der Sänger selbst war allerliebst. Gerne hätte ich mehr Ansagen gehört, doch war aufgrund der hohen Musikerdichte dafür kaum Zeit. „Wir spielen noch zwei Titel. Also zuerst den einen, dann ruft ihr Zugabe; dann spielen wir den anderen.“ Dass er zudem auch noch Linkshänder zu sein schien, machte ihn aus unbekannten Gründen umso sympathischer.

Leider war der Klang mies. Schwarzmetall eignet sich vielleicht nicht für Konzerte, oder der Mischpultmann war überfordert; ich weiß es nicht. Sicher war nur, dass ich zum Teil aus dem ganzen Rauschen, das ich vernahm, kaum noch das Lied heraushören, das ich immerhin schon dreifach gehört hatte. Nicht weniger schade war, dass nur wenige Songs des mir bekannten Albums, dafür umso mehr der neueren Scheibe gespielt wurden, so dass mein Haarschüttelpotential nicht völlig ausgeschöpft werden konnte. Doch wenigstens zum mir Bekannten arbeitete ich fleißig an den Nackenschmerzen, die mich am nächsten Tag ereilen würden.

Dann Agathodaimon. Weil das neue Werk präsentiert werden sollte, und ich eigentlich nur dessen ersten Titel wiedererkennen konnte, befürchtete ich ein wenig, nicht ausreichend Begeisterung förderndes Material auf die Ohren zu bekommen. Zum Glück unebrechtigterweise, denn obgleich tatsächlich viele Werke der gerade erschienenen CD gespielt wurden, schafften die Agathodaimonen es auch, mich sehr zu erfreuen. Ja, mehr als das: Obwohl sich der Raum ein wenig geleert hatte und die allgemeine Kopfschüttelneigung sehr gering war, wirbelte ich eifrig mein Haupthaar umher – und konnte sogar den neuen Klängen etwas abgewinnen. Der Sänger, angeblich einigermaßen neu und unguterweise mit diversem Gothic-Kram bestückt, war nicht nur allgemein gutfindbar, sondern auch zu begeisternswerten Klängen fähig und imstande, auch das Altwerk zu präsentieren, als wäre es schon immer das seine gewesen.

Dass das Mikrophon des Zweitsängers und Gitarristen nichts nutzte, störte durchaus ein wenig, doch war das Konzert gut genug, um mich darüber hinweghören zu lassen. Und als dann abschließend mit „Departure“ in der Zugabe eines meiner favorisierten Lieder gespielt wurde, war ich vollends zufrieden und kehrte mit einem berauschenden Gutgefühl bestückt heim.

Die dicke Elfe

Als eines Tages die dicke Elfe ein wenig herumhokuspokierte, war sie – schwups – plötzlich nicht nur total durcheinandergewirbelt, sondern hatte an ihrem Hintern auch noch eine englische Ameise, „ant“ genannt, kleben.
Und so wurde aus der dicken Elfe ein Elefant.