Dem Herbst ein Haha

Haha, lache ich dem Herbst in sein trübes Antlitz, du musst wahrlich der Verzweiflung anheim gefallen sein. Sind dir die Menschen trotz zeitigem Abenddunkel, trotz straff reduzierter Tageslichtmengen, trotz gesenkter Temperaturen, trotz windigem Wetter noch immer zu fröhlich gesonnen, noch immer zu glücklich? Oder warum sonst musst du den nächsten Schritt einleiten, den Kältomaten ein wenig aufdrehen, während diesiger Sprühregen die Welt vernebelt? Von romantischem Winter findet sich keine Spur, denn die Kälte ist nass und kaum ertragbar. Schnee weilt weit oben in höchsten Himmelssphären und scheint noch nicht einmal davon zu träumen, irgendwann dem Boden entgegenzuschweben. Der Winter ist fern, und du, lieber Trübherbst, bist es, der seine Kräfte spielen lassen darf. Längst hast du alles Laub von den Bäumen geschüttelt, hast die Freuden der Kinder vernommen, die sich raschelnd und lachend durch das trocknende Blattwerk wühlen, hast Pilze sprießen lassen, die von sammelnden Genießern beglückt gesucht und entdeckt wurden, hast uns den nahenden Winter spüren lassen mit Tagen voller Nullgradnähe, hast uns Kastanien und Eicheln im Überfluss geschenkt, hattest dich hübsch gemacht für uns mit buntem Laub und letzten Sommersonnenstrahlen. Doch nun, da der Winter naht, an die Pforte klopft, dir das Zeitzepter zu entreißen sucht, grummelst du, bescherst uns Übellaunigkeit und lichtfremde Tage. Versuchst du tatsächlich aufzubegehren, ein letztes Mal zu zeigen, welch Kräfte in dir wallen, dass es ein Leichtes für dich ist, die Launen der Menschen deinen eigenen zu unterwerfen? Versuchst du tatsächlich mit der Macht zu spielen, die dir eigen ist, uns mit deinem, vom baldigen Weichen getrübtem Gemüt zu infizieren? Glaubst du wirklich, dass ein wenig Nieselregen, ein wenig Sonnenraub, ein wenig Nebeldunst, ein wenig Windeskühle ausreicht, um den Frohsinn aus unseren Herzen zu reißen, um uns die Vorfreude auf wintrige Ereignisse, die Nachfreude über Frühling, Sommer und auch Herbst aus den Gedanken zu stehlen? Glaubst du wirklich, dass uns kümmert, ob Tage grau sind und Nächte nicht zu enden scheinen? Nun, vielleicht hast du recht, vielleicht gibt es tatsächlich jene, die mit sich spielen lassen, die äußere Trübnis zu ihrer inneren machen; doch wisse: Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich lache dem Regen ins Gesicht, lache dir meine Worte entgegen, küsse den eisigen Wind mit Winter ersehnendem Lächeln, begrüße die allgegenwärtige Dunkelheit mit dem Wissen, dass auch sie ein Ende finden wird. Ich mag dich, Herbst, selbst wenn du alt und bitter geworden bist, selbst wenn du nicht sehen willst, dass noch immer Freude in meinem Herzen glimmt, Freude über die Pfützen auf den Wegen, Freude über die Kälte, die von heißem Tee vertrieben werden kann, Freude über die Nacktheit der Wälder, die zu schlafen beginnen, um alsbald zu neuem Leben zu erwachen. Gräme dich nicht über mein Lachen, lieber Herbst, gräme dich nicht mit Regen und Nebel, gräme dich nicht ob deines Schwindens. Denn ich mag dich, mag die Tropfen, die dem Himmel entfliehen, mag auch das kalte Eis der Hagelkörner, mag die viel zu früh notwendigen Lichter in den Fenstern und Straßen. Ich mag dich und freue mich, gleich in die Kälte eilen zu können und mich vom nieselnden Nass umarmen zu lassen, im abendlichen Dunkel umherzulaufen und in den Mienen der Passierenden deinen Gram kopiert zu finden. Und vielleicht finde ich irgendwo ein Lächeln, eines, das meines spiegelt, eines, das dich liebevoll verabschiedet und den Winter begrüßt, eines, das sich auf das nächste Jahr freut, wenn die Wälder buntes Laub rascheln lassen und warmes Licht auf fleißige Pilz- und Kastaniensammler fällt, wenn die Wärme des Sonnenlichts schwindet, doch jene in meinem Herzen verbleibt. Vielleicht.