Der Terrier

‚Alles wird gut.‘, dachte ich gerade, als der Terrier mich anfiel. ‚Anfiel‘ in wahrsten Wortsinn, denn er stürzte vom einem Baum hinab, direkt auf meinen Schädel. „Ich bin eine Zecke!“, bellte er vergnügt, doch weil Hundegebelltranslation nun einmal nicht zu meinen Fachgebieten gehört, verstand ich ihn nicht. Da die Temperaturen aber schon vor Tagen die große runde Schmelznull zurückgelassen hatten und sich nun mit einem dicken Minuszeichen vergnügten, fühlte sich der mich anfallende Terrier auf meinem Kopf sofort richtig an, fast, als hätte er dort seit jeher hingepasst: Mein schütter werdendes Haupthaar wurde nicht nur schützend verdeckt, sondern durch krauses, aber gut gepflegtes und vor allem dichtes Terrierhaar ersetzt; die Wärme des Hundeleibes bewahrte, falls er seine Beine im richtigen Winkel ausstreckte, meine lauschende Extremitäten vor potentiellem Frösteln; und die gute Laune, die das bis eben noch fallende Tier schwanzwedelnd mitbrachte, war nahezu ansteckend.

Ich bin ein Regenfreund, und so störte ich mich nicht am gelegentlichen Träufeln aus dem vorderen oder hinteren Ende der neugewonnenen Mütze, und wenn seine Beine im richtigen Winkel verblieben und mir flauschige Ruhe schenkten, war auch das hin und wieder auftretende Gekläff keine allzu immense Unfreude. Schließlich verhielt sich der Terrier meistens ruhig, verweilte stoisch auf meinem Kopf, als gelte es, der Welt mit besonnener Gelassenheit entgegenzublicken. „Ich bin eine Zecke!“, bellte er hin und wieder erfreut zu mir herab, und ich wünschte mir stets erneut, ihn endlich verstehen zu können.

Als der Winter von dannen floh und wir vergnügt dem blauen Band des Frühling nachjagten, fragte ich ihn, wie es mit uns weitergehen sollte. „Wie soll es denn mit uns weitergehen?“, fragte ich ihn, doch er bellte nur. Ich nahm es ihm nicht übel, denn Bellen war etwas, das Hunde gut können, und besäße ich eine Fähigkeit, die ich zu derartiger Perfektion vorangetrieben hätte, setzte ich sie sicherlich auch bei jeder Gelegenheit ein. „Wie soll es denn mit uns weitergehen?“, fragte ich ihn, und er bellte erneut. Lächelnd streichelte ich sein mittelgescheiteltes Fell, das ich seit ein paar Tagen als moderne Neufrisur trug.

Der Sommer kam und brachte Hitze mit, anderthalb Eimer für jeden von uns. „So geht das nicht weiter.“, sagte ich zu meiner Kopfbedeckung, während sich Schweißperlen auf meiner Stirn sammelten und allmählich mit dem Toten Meer konkurrierten. „Mir ist warm!“ Der Terrier schwieg, doch das Schweigen klang, als dächte er nach. Dann bellte er kurz „Ich bin eine Zecke!“ und schwieg erneut.

„Du hast recht!“, rief ich, obwohl ich kein einziges Wort begriffen hatte. „Du hast ja so recht!“ Ich rannte los, denn meine Genialität lechzte nach sofortiger Umsetzung. „Mir ist warm, im Schatten jedoch ist es kühl.“, erklärte ich schnaufend dem interessiert zuhörenden Hund. „Also brauche ich Schatten!“
Der Terrier stimmte mir zu: „Ich bin eine Zecke!“, und ich fuhr fort: „Was liegt also näher, als der Gedanke, dass ich mir eine Mütze besorge, eine Kopfbedeckung für meine Kopfbedeckung sozusagen?!“ Ich war begeistert von meiner Idee, rannte weiter und freute mich vor.

‚Alles wird gut.‘, dachte ich noch, als mich plötzlich das Zebra anfiel. ‚Anfiel‘ in wahrsten Wortsinn, denn es stürzte vom einem Baum hinab, direkt auf meinen Schädel. Beziehungsweise direkt auf den Terrier, der sich kurz wunderte, dann euphorisch kläffte und den neuen Gefährten freundlich willkommen hieß. „Eine lebendige Mütze!“, jubelte ich und ergänzte die beiden schon vorhandenen Grinsen um mein eigenes.

„Ich bin eine Zecke!“, wieherte das Zebra, doch niemand verstand es.