Musik im Ohr

Ich sehe euch auf den Straßen, in den Bahnen, in Geschäften und Cafés. Überall verweilt ihr, eins mit euren kleinen elektronischen Begleitern.

Durch eure Ohren dringen harmonische Gesänge, feinste Melodien, wummernde Bässe und kreischende Gitarrensoli – doch ihr rührt euch nicht.
Die Kopfhörer schenken euch jeden einzelnen geliebten Klang, mühevoll auserwählt und auf dem mobilen Abspielgerät plaziert – doch ihr rührt euch nicht.
Eure Lieblingslieder, Lieblingsarien, Lieblingskünstler umschwärmen euch, betören, betönen, euch – doch ihr rührt euch nicht.

Wie könnt ihr mit grimmigen Gesichtern durch die Straßen wandeln, wenn das schönste Lied der Welt durch euren Kopf wirbelt?
Wie könnt ihr reglos auf dem Cafésessel sitzen, wenn die mitreißendste Stimme zum Eigengesang einlädt?
Wie könnt ihr arglos nach Klamotten stöbern, wenn ein treibender Takt euren Körper heimlich zucken läßt?

Ihr, mit den iPods, Walkmen, Discmen, mp3-Playern!
Ihr, mit den High-End- oder Aldi-Kopfhörern!
Ihr mit der Lieblingsmusik im Ohr:

Warum tanzt ihr nicht!?!

[Im Hintergrund: Samsas Traum – „Endstation.Eden“]

7 Gedanken zu „Musik im Ohr“

  1. Tanzen werde ich nicht! Aber ich wippe immerhin mit dem Fuß mit, bewege mich im Takt und zeige auch ansonsten immer irgendwie, dass ich was gutes höre :). Das allein irritiert die Leute ja schon genug.

  2. *g*

    Ich komm mir schon immer richtig bescheuert vor wenn ich mit nem fetten Grinsen auf den Lippen oder sich lautlos bewegenden Lippen ob des lautlosen Mitsingens der tollen Lieder in meinem Ohr durch die Straßen laufe… und manchmal wünscht ich mir da, ich könnte wirklich einfach tanzen… bzw. würde es micht trauen 😉

  3. REPLY:
    Immerhin. Ich selbst kann mich auch kaum zügeln und singe in unbeobachtet geglaubten Momenten einfach laut mit. Wenn mich dann jemand „ertappt“, singe ich weiter; schließlich weiß er schon Bescheid.
    Doch der Drang, vor Vergänügen rumzuhüpfen, das Haupthaar zu schüteln oder sonstige taktorientierte Bewegungen auszuführen, ist immens – und ständig muß ich ihm widerstehen, bloß weil es nicht üblich ist…

  4. REPLY:
    Richtig. Doch wer kann es einem verübeln, daß die Lieblingsmusik zu Bewegung oder Mitgesang anregt? Und trotzdem trauen wir uns nicht.
    Ich fordere hiermit zum öffentlichen Sich-Zur-Eigenmusik-Gehenlassen auf. Wenn es alle machen, sieht es nicht mehr komsich aus…

  5. ein schöner und netter gedanke. und manchmal gehts ja, manchmal lässt so mancher raus, was grade raus möchte (und damit meine ich jetzt nicht besoffene gröhler, deren hemmschwelle eben futschgesüffelt wurde). aber dann gehts sogar ohne hilfsmittel-ipod. manchmal trifft man solche leute auf der straße, pfeifend oder singend und das erfreut die seele dann doch sehr.
    seltsamerweise ist das menschliche durchschnittswesen so konstruiert und programmiert, dass der scheissminix bei destruktiven angelegenheiten viel leichter beiseite gelegt wird als bei vergleichsweise beklatschenswerten. ja, schade.

  6. REPLY:
    Ich hatte bis zur siebten Klasse nie getanzt, bis ich auf dem Klassenausflug in Österreich erleben musste, wie 30 sonst grölende, mit erstes-mal-geraucht-, wieder-mal-getrunken-, schon-mal-gekifft-Geschichten protzende Gymnasiasten am letzten Abend schweigend und in Mädchen und Jungen aufgeteilt den Sportlehrern zusahen, die auf der Tanzfläche zwar lächerlich albern herum hüpften, aber ihren Spaß hatten.

    Danach tanzte ich gerne im Wohnzimmer. Auf der Straße oder im Bus, mit meinem 256MB Mp3-Player, bewegte ich mich gerne rhythmisch (oder was ich für rhythmisch hielt). Die verwirrten Blicke der Passanten waren mir egal.

    Hier habe ich leider nichtsdergleichen.

Kommentare sind geschlossen.