In der letzten Zeit erwarb ich ein paar Comics, die an dieser Stelle einigermaßen kurz rezensiert werden sollen.
Marc Hempel – „Gregory 1: Ich Gregory!“
Ja, es gibt mindestens einen weiteren Band. Nein, Herr Hempel ist kein Deutscher. Und das ist ungut, weil ich nämlich die deutsche Version des Comics las. Marc Hempel neigt jedoch dazu, mit Worten zu spielen und diese – beispielsweise in den Überschriften der einzelnen Geschichten – mit unterschiedlichsten Schriftarten zu dekorieren, und ich bin geneigt zu befürchten, dass ein Teil davon bei der Übersetzung verlorengeht. Dennoch hat man sich beim Lettering viel Mühe gegeben, so dass ich eigentlich außer der erwähnten Befürchtung nichts zu meckern habe.
Gregory ist ein kleiner Junge, der in deiner Nervenheilanstalt wohnt und eine Zwangsjacke trägt. Er ist kaum imstande, sich zu artikulieren, aber ist stets vergnügt und aufgeweckt, liebt seine kleine Zelle und beschaut aus seiner eingeschränkten Perspektive heraus die echte Welt, mit der er hin und wieder in Berührung tritt. Und dort gibt es Grund sich zu wundern.
Neben Gregory, dessen Erlebnisse durchaus amüsant sind, sorgen die ständig sterbende Ratte Herman Vermin und die käseknabbernde Maus Wendell für Abwechslung und zusätzlichen Wahnsinn.
Der Comic ist – auf skurrile Art – niedlich, und der Humor nicht unbedingt für jeden geeignet. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen wirken trotz starker Abstraktion [Die Augen von Herrmann sieht man beispielsweise nie.] stets äußerst lebendig und unterstützen zusammen mit der zuweilen chaotischen Panelanordnung die allgemeine Ausgeflipptheit [Darf man dieses Wort noch benutzen oder ist das schon zu antiquiert?].
Auch wenn es anfangs nicht leicht fiel, sich an die Art des Comics zu gewöhnen, mochte ich ihn sehr. Allerdings sind 20 Euro dann doch ein bißchen zu viel, weil zum einen Hardcover nicht nötig wäre, zum anderen die letzten Seiten wirken, als hätte man sie nur zur Streckung benutzt. Denn dort geht es nur um die erwähnte Ratte, so dass ich schon bald Gregory vermisste, der ja die iegntliche Hauptfigut bildet. Und abschließend gibt es noch ein Interview mit Marc Hempel, das man sich hätte sparen können.
Also: Vorher unbedingt reinlesen und bei Gefallen kaufen und genießen.
Christophe Blain – „Isaak der Pirat 1: Amerika“
Ich liebe Christophe Blains Stil. Gesichter, gestalten und Gegenstände, Städte und Schiffe wirken zugleich wackelig-schräg und präzise-detailliert. Zugleich sind alle Figuren liebevoll in Szene gesetzt, und jede Umgebung entwickelt rasch ihr eigenes Flair.
Dieser Comic ist eine Piratengeschichte, jedoch keine der üblichen Art. Isaak ist ein Maler im Paris des 18.Jahrhunderts, der aus Geldnot einen Auftrag auf einem Schiff annimmt. Er muss rasch feststellen, dass er sich unter Piraten befindet – und dass seine Reise wesentlich länger dauert als er erwartete. Sein Auftrag ist es, natürlich, zu zeichnen und zu malen, denn der höfliche, aber bestimmte Käptn plant, Neuland zu entdecken und möchte dies dokumentiert wissen. Doch während an Bord ihn ein aufregendes Leben erwartet, sehnt er sich zugleich zu seiner Verlobten, die ihn Paris ihre eigenen Abenteuer bestreitet…
Mit lockerem, unverwechselbarem Strich gelingt es Blain mühelos, einen Abenteuer-Comic entstehen zu lassen, der mich in den Bann zog und begeisterte. Nur allzu gern bin ich bereit, in nächster Zeit auch die restlichen der bisher erschienenen fünf Bände [jeweils 12 Euro] zu erwerben.
Cyril Pedrosa – „Drei Schatten“
Wieder Schwarz-Weiß, wieder ein unverwechselbarer Stil. Pedrosas Graphic Novel sorgt derzeit für allgemeine Begeisterung, die auch vor mir nicht Halt macht.
Joachim lebt zusammen mit seinen Eltern Lise und Louis in einfachen, aber glücklichen Verhältnissen irgendwo an einem abgeschiedenen Ort. Ihre Welt ist unberührt und rein, bis Joachim eines Nachts in der Ferne drei Reiter ausmacht, die sich fortan häufiger zeigen und das Leben der kleinen Familie verdunkeln. Die Reiter sind gekommen, um Joachim zu holen, doch Louis und Joachim versuchen zu fliehen…
Die Zeichnungen Pedrosas sind herzzerreißend schön und dynamisch. Mit beeindruckender Liebe für Details werden nicht nur das Leben auf dem Hof, sondern auch das Umland, die Wälder, die Stadt, das Schiff usw dargestellt, Stimmungen umgesetzt, optisch Spannungsbögen aufgebaut und märchenhafte Elemente mit wirklichen verknüpft. Und obgleich man bereits beim Auftauchen der Schatten ahnt, wer diese sein könnte, steckt die Geschichte voller überraschender Wenundgen und großartiger Bilder.
„Drei Schatten“ ist mit über 260 Seiten [20 Euro] nicht nur eine liebevoll erzählte Geschichte, sondern ein Augenschmaus, der mich zu Tränen rührte. Unbedingt kaufen!