Sportbetrachtungen

Was mich zumeist daran hindert, mich passiv an sportlichen Ereignissen zu beteiligen, ist nicht nur mein fehlendes Interesse, sondern auch die fehlende Eindeutigkeit. Als Zuschauer ergreife ich automatisch Partei für eine der beteiligten Parteien, oft nur aufgrund eines albernen Vorurteils oder eigener Geburtsörtigkeit, und wünsche dieser herzlichst den Sieg – und den anderen natürlich dementsprechend eine Niederlage. Jedoch ertrage ich es nicht warten, bangen und hoffen zu müssen.

Selbst wenn ich nicht sonderlich intensiv mitfiebere, will ich mir doch nicht ansehen müssen, wie „meine“ Mannschaft immer wieder in Gefahr gerät, im Spiel Nachteile zu erleiden. Dass sie verlieren könnten, kommt mir nicht wirklich in den Sinn; bis zuletzt bin ich angefüllt mit grenzenlosem „Sie werden es schaffen.“-Optimismus, selbst wenn der Nachsprung gewaltig ist. Und nach dem Spiel ärgere ich mich nicht sonderlich, wenn die von mir bevorzugte Partei verliert, weil ich mich daran erinnere, dass – wie eingangs erwähnt – mein Interesse nicht sonderlich ausgeprägt gewesen war, bevor ich mich dazu entschied, doch zuzusehen.

Jedoch stört mich die Uneindeutigkeit. Insbesondere beim Fußball, wo die Anzahl der Tore oft nicht sehr ausgeprägt ist, reicht ein einziges, um letztlich den Gewinn davonzutragen. Das ist schrecklich, weil ich doch die ganze Zeit darauf warte, dass nun endlich dieses eine Tor fällt, das mich aufatmen lässt, das die Warterei, die Hin- und Herschieberei des Balles in Sinn verwandelt und mich kurzzeitig erlöst. Denn ich mag es nicht, mit Ungewissheit bestückt zu sein, zu harren der Möglichkeiten, auf den Torwart als letzten Mann, letztes Bollwerk, vertrauen zu müssen, weil die Abwehr zu schwach ist.

Wenn es nach mir ginge, würde die favorisierte Mannschaft eines Fußballspiels in den ersten Minuten ein Tor schießen, somit alle verblüffen, den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen und dann mit gewonnenem Selbstvertrauen damit beginnen, gezielt, aber risikoarm anzugreifen. Kurz vor der Halbzeitpause sollte dann das zweite Tor für meine nun noch lieber gewonnene Mannschaft fallen, um ihr zusätzliche Kraft für die nächsten 45 Minuten zu schenken – und zugleich dafür zu sorgen, dass die elende Ungewissheit etwas verkleinert wird. Dann wird noch mehr Wert auf abwehrendes Spiel gelegt, aber das Nach-Vorne nicht völlig vernachlässigt. Die Gegner resignieren aufgrund ihrer offensichtlichen Chancenlosigkeit, werden nachlässig und lassen alsbald das 3:0 zu. Nun sind vielleicht noch zehn oder 15 Minuten zu spielen, und ich bin so ruhig, wie es nur geht. Gerne gestehe ich den „Bösen“ noch ein Tor zu, damit ihr Ego nicht allzu sehr verletzt das Spielfeld verlassen muss, und dann trällert der Schiri das Spielende ein, und ich bin glücklich. Überraschungen müssen nicht sein.

Doch dergleichen geschieht nicht. Sobald ich Partei ergreife, muss ich feststellen, dass die Mannschaft zwar hin und wieder gute Chancen hat, dass aber der Gegner auch existiert und ebenso versucht, Chancen zu erwirken und zu nutzen. Selbige nehme ich übrigens kaum als solche wahr; das Vertrauen in „meine“ Mannschaft ist nahezu grenzenlos. Das Spiel selbst birgt jedoch nie die Überlegenheit des „guten“ Teams, so wie ich sie mir wünsche. Es ist ein ewiges Hin und Her, und vielleicht gelingt es tatsächlich irgendwann, ein feines 1.0 zu erwirken.

Doch das allein hilft nicht. Die Gegner zeigen sich davon zumeist unbeeindruckt und verstärken ihre Bemühungen. Nein, nein, denke ich und sehe die winzigen Vorsprung schon zu einem kümmerlichen Nichts zusammenschrumpfen. Die Sicherheit fehlt, jedes weitere Tor ist irgendwie immer überraschend; von massiver Überlegenheit, wie sie mein Wunschdenken sich ausmalt, keine Spur, von Ruhe ohnehin nicht.

Sport zu schauen, wird dadurch anstrengend. Ich möchte, dass das Team, das meine Sympathien hat, überzeugend gewinnt, doch anscheinend besteht stets die Notwendigkeit, allerhand Spannung zu erzeugen. Doch im Gegensatz zum Boxen, wo ein K.O. in den ersten Minuten allerlei Zuseherfreuden raubt, wäre ein Spiel auch nach dem Erwirtschaften eines zeitigen und hohen Vorsprungs nicht vorbei, sondern könnte interessant, technisch hochwertig und ansehnlich sein. Da gibt es keinen zwingenden Widerspruch.

Ich schaue selten Sport, und wenn ich mich denn doch einmal dazu bequeme, möchte ich, dass die von mir favorisierte Mannschaft gewinnt. Haushoch. Mindestens.