Doof

„Doof!“ Der Rascheligel war sichtlich erzürnt. „Doof! Doof! Doof!“ Sein ohnehin quietschig grelles Stimmchen überschlug sich mehrfach und purzelte beinahe davon. Sämtliche Stacheln des Rascheligels hatten sich aufgerichtet und mehr denn je sah er aus wie ein niedlicher Kaktus. Wie ein zorniger, niedlicher Kaktus, um genau zu sein.
„Doof,“ wiederholte er ein weiteres Mal und pausierte dann trotzig. Irgendwo unter seinem Stachelkleid hatte er vermutlich seine Ärmchen verschränkt, aber so genau konnte man das nie wissen.

„Was genau ist denn so doof?“, fragte das Regenbogenkänguru mit einer Stimme, deren wohliges Dröhnen selbst einen Kolibri beruhigt hätte.
„Nicht was, sondern wer!“, quietschte der Rascheligel, dem heute offensichtlich keineswegs danach war, fröhlich durch Herbstlaub zu rascheln. Er hatte sich in eine Raserei hineingesteigert, aus dem es kein Entkommen zu geben schien. Einzig die butterweiche Stimme des Regenbogenkängurus hielt ihn davon ab, komplett durchzudrehen.

„Wer genau ist denn so doof?“, fragte das Regenbogenkänguru geduldig, und man musste es dafür bewundern, dass es nicht genervt mit den Augen rollte. Noch nicht einmal ein bisschen.
„Naja, diese Leute!“, ereiferte sich der Rascheligel, „Diese doofen Leute, die sich über andere aufregen!“
Das Regenbogenkänguru nickte wissend.
„Und die doofen Leute, die schlecht über andere reden!“, ergänzte der Rascheligel rasch. „Obwohl die anderen gar nicht anwesend sind und sich verteidigen können!“
„Hm.“, brummte das Regenbogenkänguru.
„Das sind die schlimmsten!“, rief der Rascheligel noch, dann verstummte er. Offensichtlich hatte er seinen gesamten Vorrat an Zorn aufgebraucht.

Eine Zeitlang geschah nichts. Ein dicker Käfer krabbelte verträumt durchs Geäst, und an den Baumwurzeln wogten saftige Grasbüschel zufrieden im sanften Frühlingswind. Zeit flog davon, als würde sie gerade nicht gebraucht.

Dann begann das Regenbogen zu sprechen. Zu dröhnen, um genau zu sein:
„Ich rede niemals über andere. Niemals. Weder gut noch schlecht.“
Neugierig hob der Rascheligel das Näschen, und seine Stacheln sanken langsam nieder.
„Immer wenn ich über jemanden rede, erscheint er plötzlich neben mir.“
Das Regenbogenkänguru redete langsam und ruhig. Seine Stirn lag in Falten und sein Blick war ernst. Nur in seinen Mundwinkeln saß noch immer das warme Lächeln, das die Waldbewohner so sehr mochten.
„Wenn ich über eine Maus redete, krabbelte sie mir zum Beispiel plötzlich über die Füße.“
Es ploppte leise, und eine sichtlich verwirrte Muffelmaus krabbelte über die riesigen Füße des Regenbogenkängurus.
„Wenn ich über Schokokuchen redete, tauchte er plötzlich irgendwo auf, als wäre er dort längst gewesen.“
Erneut ploppte es, und der Rascheligel sah verwirrt von dem Stück Schokokuchen auf, an dem er anscheinend die ganze Zeit geknabbert hatte.

„Und wenn du über alles redest?“, fragte der Rascheligel schließlich, nachdem er damit fertig war zu kauen und hinunterzuschlucken. Und dann nochmal abzubeißen, erneut zu kauen und erneut zu schlucken.
„Was passiert, wenn du über alles redest?“, fragte der Rascheligel noch einmal.
„Dann erscheint alles.“, sagte das Regenbogenkänguru.

Es ploppte kurz, und plötzlich war der Wald ziemlich voll.