Alles Gute

Alles Gute!, wünsche ich dir ins Leere. Es fehlt an Luftballons und Partyhüten, an Kuchen und feiernden Gästen. Und es fehlt an dir.
In der Ferne birgt ein dunkler Stein deine Reste, und vielleicht trägt er heute eine einzelne, einsame Geburtstagskerze. Doch niemand wird kommen, sie auszublasen.
Du fehlst mir., denke ich, und begreife, wie wahr das ist. Wie sehr ich das vergaß. Wie sehr ich dich vergessen habe.
Die Erinnerungen an dich verblassen, sind nur noch bewegte Fotos, Wackelbilder, um die herum eine zerbröckelnde Geschichte schwebt. Und vielleicht erinnere ich mich auch nicht länger, wiederhole nur die Erzählungen, die immer wiederholt werden, finde nur die Bilder in mir, die ich aus Fotoalben stahl.
Zwischen alledem schwebt stets die düstere Drohung deines kommenden Welkens, und jede Erinnerung birgt den bitteren Beigeschmack deines baldigen Fehlens.
Ich entsinne mich deines Bartes und schmunzle. Er stand dir nie, und niemals begriff ich, warum er unbedingt dein Gesicht füllen musste. Dann blicke ich in den Spiegel und sehe meinen eigenen Bart, schmunzle noch ein wenig mehr.
Das Leben neigt zu Wiederholungen, denke ich, und frage mich, wie viel Wiederholung ich bin, wie viel von dir ich in mir trage. Und weiß, dass ich mir diese Frage bereits tausendfach stellte. Dass sie keine Antwort braucht.
56 Jahre wärst du heute geworden, rechne ich. 56 Jahre. Das ist nichts, denke ich. Das ist nichts!, schreit es in mir, und Tränen bahnen ihren Weg.
Ich setze mich auf den Boden. Weine.
Die Tränen sickern zögerlich, als hätten sie verlernt, mich zu verlassen. Ich bin erwachsen geworden, denke ich, doch in diesem Augenblick bin ich Kind. Sitze auf dem Boden, weine und sehne mich danach, in deiner Umarmung Trost zu finden.
Dann bin ich leer, verweile noch, halb Kind, halb ich, stehe auf und packe meine Sachen. Wie lange ist es her, dass ich zum letzten Mal weinte?, frage ich mich, aber der Gedanke findet keinen Halt. Verliert sich zwischen den flatternden Fetzen, die nun dein Gedenken bilden.
Alles Gute!, wünsche ich traurig ins Leere.
Gehe zur Arbeit, als wäre dies ein ganz normaler Tag.