„irgendwo tief in mir…“

irgendwie war es mir schon immer bewußt, lauerte tief in meinem denken, doch erst gestern wurde es mir wirklich klar: ich bin noch immer kind.

ich neige nicht dazu, die kindheit glorifizieren zu wollen. aus heutiger sich scheinen die sorgen von damals wesentlich unbedeutenderer natur gewesen zu sein, was den automatischen schluß zuließe, daß die kindheit schön gewesen sein muß und daß man diese zurücksehnen sollte. doch daß in den augen eines kindes die damaligen sorgen womöglich von weltumfassender bedeutung waren, daß also nicht alles an der kindheit schön war, begreift man nur ungern.

was ich aber an der kindheit liebe, ist, bestimmten dingen mit ungetrübtem blick, ohne tiefere gedanken zu begegnen und sie einfach hinzunehmen. ich liebe das auge für details, das ich als kind hatte und bemühte mich längst, dieses nicht zu vernachlässigen, auf alles, noch so winzige zu achten und mich daran zu erfreuen.

ich liebe es, sinnlos herumzualbern, zu hüpfen, zu schreien, herzlich zu lachen, ich liebe es, mich einfach gehen zu lassen und für einen moment alles abzuschalten, was an rationalem in mir wohnt. ich liebe es, kleinigkeiten zu sehen und zu beobachten, mich in winzige spielchen zu vertiefen und die welt zu vergessen.

gestern jedoch wurde mir bewußt, daß ich noch auf eine andere weise kind bin, auf eine weise, die mir weniger behagt, aber längst keinen grund zur sorge darstellt, vielleicht sogar ein zeichen für kindliche offenheit ist.

im zuge meines versuches zur selbstfindung entdeckte ich, daß in mir unzählige interessen wallen, darauf harrend, endlich ausgelebt zu werden. und jede neue tätigkeit ist wie ein spielzeug für mich, das ich unbedingt haben möchte. so war eine der ersten gegenstände, die ich mir in meiner ersten eigenen wohnung zulegte, eine elektrische gitarre. ich war fasziniert, ja gefesselt, spielte zuweilen stundenlang, erfreute mich an jedem klang, der entwich. doch irgendwann ließ das interesse nach, es gab soviel anderes, was getan werden mußte oder konnte. eine eigene heimseite mußte her, freunde und freundinnen wollten beschäftigt werden, ich wollte mich lyrisch und prosaisch ausleben. ich wollte schreiben und tat es. ich wollte zeichnen und tat es. irgendwann entdeckte ich die gitarre wieder und stellte fest, daß eine akustische doch auch wunderschön sei. und bald hatte ich ein neues spielzeug. ich entdeckte die jonglage, entdeckte, wie es ist, plakate und flyer zu designen, entdeckte dies und jenes – entdeckte zuletzt die photographie.

mehrere sachen stellte ich fest. zum einen sind meine „spielzeuge“ wesentlich preisintensiver als die kleiner kinder. zum anderen lasse ich niemals ein spielzeug fallen und will es nicht wiedersehen. sicherlich war niemals genügend zeit, alles gleichzeitg zu nutzen, mich jeder freude gleichzeitig hinzugeben. und doch vermag die alte gitarre noch immer angenehme klänge zu fabrizieren, und doch gebe ich mich noch immer sämtlichen interesen gerne hin, lasse sie ruhen, finde sie wieder und vertiefe mich darin.

mein herz sehnt sich nach abwechslung – und findet diese in immer neuen spielzeugen, die jedoch manchmal nur die alten zu sein brauchen. ich liebe es, mich ausleben zu können, liebe es, auf verschiedenste art und weise meine gedanken gehen zu lassen, liebe es, die schönheit der welt zu entdecken und sie zu würdigen, liebe es festzustellen, daß ich das leben liebe.

längst bin ich erwachsen, doch wieder und wieder bereitet es mir freude zu bemerken, daß in mir noch immer ein teil des kindes steckt, das ich mal war.

der morgendliche wurm im ohr 2

nicht wenig überrascht war ich, als heute morgen schon wieder eines dieser kleinen musikalischen wurmwesen in meinem gehörgang hockte und mir klänge vorspielte, die ich im ersten moment gar nicht zuzuordnen wußte. doch wenige gedankengänge später war ich imstande, des rätsels lösung zu erahnen und freute mich angesichts dessen, daß ich wiederum nicht vermag, dieses lied mit irgendetwas aus näherer vergangenheit in verbindung zu setzen, das auslöser für den ohrwurm gewesen sein könnte.
heute handelte es sich nämlich um:

agathodaimon – „solitude“