worte zerschellen in der ferne

dein lächeln ist echt. ich weiß es. ich wußte es immer. doch es erreicht mich nicht. es gilt nicht mir. es gilt deinen gedanken. gedanken, die du nicht mit mir teilst. niemals teilen wirst.

in der unerklärlichen traurigkeit der stille forme ich worte. treibe das nichts hinfort, das zwischen uns liegt. befülle das schweigen. du hörst mich nicht.
deine augen bemerken die bewegungen meiner lippen. deine ohren vernehmen laute. und manchmal dringt ein wort in deinen geist. veranlaßt dich zu einem blick. zu einer geste. zu einer regung. manchmal gar zu einem satz. doch du hörst mich nicht.

vieles von dem, was aus meinem mund quillt, ist unsinn. leere, die leere vertreibt. albernheiten. du lächelst nicht. fast nicht. nicht wegen mir. ich weiß es. ich weiß, daß ich nichts sage, wenn ich rede. ich weiß, daß ich dich nicht erreiche. doch versuche es trotzdem. will die stille vertreiben. will die beklemmende stille vertreiben.

manchmal schweige ich. du schweigst auch. bemerkst nicht, daß ich verstummte. bemerkst nicht, das der schwall der wörter versiegte. bemerkst nicht, warum ich schweige. du siehst mich nicht an.

dein lächeln ist echt. doch wenn ich dich frage, schweigst du. ich darf dich nicht sehen. darf nicht in dein inneres sehen. das lächeln ist nur für dich. für dich allein.

vieles von dem, was aus meinem mund quillt, geht tiefer. treibt fragen wie pfeile in die luft. setzt unsichtbare tränen frei. vieles, das mich bewegte. vieles, das mich zum nachdenken brachte. oder zum lachen. du hörst mich nicht.

wenn du redest, spüre ich die dornen in deinen worten. spüre ich die kälte. wenn du redest, bist du unendlich fern. wenn du redest, glaube ich, dich nicht länger zu kennen. dann schweigst du wieder. und lächelst.

ich sehe dich an und frage mich, warum. frage mich, warum ich dich ansehe. frage mich, warum du lächelst. frage mich, warum du schweigst. frage mich, warum meine worte dich nicht erreichen werden.

ich sehe dich an und verstumme. will für immer verstummen. mich abwenden. in tränen zerfließen. doch kann nicht.

dein lächeln ist echt. es verbirgt dich. irgendwo. worte zerschellen in der ferne.

ich bin wohl kein mensch mehr.

im schnee

wie sanftes flüstern rieselt schee aus den weiten des himmels auf mich herab. jede einzelne flocke schenkt mir einen lieblichen kuß, setzt sich zärtlich in mein haar, auf meine kleidung, bildet eine weitere ergänzung eines wirren, wunderschönen musters. mit meiner zunge versuche ich, die weißen flecken aus der luft zu fangen, genieße das prickeln schmelzender schneekristalle. irgendwo aus meinen augen lugt einen seliges lächeln hervor.

die wiese ist weiß. ein anderes wort ist nicht vonnöten, denn alles, was meine blicke erfassen, ist diese farbe. weiß. keine spur führt durch die schneedecke, kein abdruck stört die ihre reinheit. jungfräulich, wie neugeboren, liegt ein kleines stück welt vor meinen füßen und verzaubert mich mit seiner pracht. ich wage nicht, die wiese zu betreten, wage nicht, sie mit mir zu vernunreinigen.

langsam und besonnen wandere ich an ihr entlang, genieße die ruhe in meinem kopf, das leise säuseln des winterwindes, die stille vor meine augen. wie leicht es ist zu vergessen, einen weißen mantel auszubreiten und die welt zu verhüllen, das dasein mit einem dünnen hauch aus schweigen zu bedecken.

irgendwann lasse ich mich fallen, einfach so, in das weiche weiß hinein. schnee umschließt mich, wirbelt hoch, legt sich auf mich nieder. ich spüre die kälte an meinem hals, doch fühle mich wohl, geborgen. aus dem grauen himmel fallen die flocken auf mich hinab, hunderte, tausende. ich folge ihnen in gedanken, betrachte beglückt ihren träumerischen tanz, lausche dem sanften flüstern ders schnees.

als ich irgendwann weitergehe, lächle ich.

erinnerungen

zurückblickend erhasche ich die vergangenheit, einen fetzen davon, halte ihn fest, um ihn zu betrachten, um ein lächeln zu suchen, das ich einst wagte, um eine träne zu finden, die ich einst vergoß.

menschen über menschen, bedeutungslose leergesichter in der masse des buntgrauen breis. ich versuche, ihre formen zu greifen, ihre silhouetten zu erahnen. schattengleich schweben sie vorbei, schwammig und existenzlos. ich sehe ihnen traurig hinterher, frage mich, welche rolle sie spielten, welche rolle sie noch spielen würden, ob ich imstande sein würde, ihre gesichter zu erkennen, wenn ich nur wollte. ich sehe ihnen hinterher und versuche, ihre namen zurückzubehalten, klangslose wortstücke aus meinem kopf zu klauben und mit inhalt zu befüllen. es gelingt nicht.
und so viel schönheit, so viel licht, so viele möglichkeiten, die ich nicht zu nutzen wußte, dich ich nicht zu nutzen weiß. wie soll man wissen, was richtig sein wird, wie soll man lernen, was der bessere pfad, wenn jegliche möglichkeit verwehrt bleibt, zurückzukehren und anders zu entscheiden, andere pfade zu wählen?
‚das jetzt ist voller wege.‘ eine stimme flüstert lächelnde zeilen in mein ohr. gesichter berühren meine sinne, entgleiten meinem herzen. die stimme kichert, küßt mich. ich wehre mich nicht. bilderwelten überfluten meinen atem, kein dunkel hält mich noch fest, als ich den boden unter mir zurücklasse. mein lächeln birgt freiheit, meine liebe führt mich traumtanzend durch das labyrinth. der ausweg bliebt verborgen unter trümmern, doch gleite ich empor, davon.
kein gedanke vermag mich noch zu trüben, mein antlitz glitzert lichterloh. wohin soll meine reise gehen? wohin treiben mich alle pfade? wohin führt mich meine sehnsucht? wohin mein feuer?
‚ins jetzt, ins jetzt, ins leben.‘ die stimme kichert ein weiteres mal. silbersanft beühren ihre laute meine sinne. ich wünschte, ich könnte sie für einen moment berühren, halten, in mir bergen. ich wünschte…

ich erwache auf einer waldwiese. am blauen himmel ziehen wattewolken ihre kreise. ich kann die stimme kichern hören. in mir. irgendwo in mir.

der morgendliche wurm im ohr 3

ich kenne mich mit den paarungsgewohnheiten in ohren wohnhafter wurmwesen nicht sonderlich gut aus, mußte allerdings heute morgen beim unfreiwilligen erwachen [unglaublich, wie weich und bequem ein bett sein kann…] feststellen, daß mich gleich zwei der putzigen tierchen heimgesucht hatten:

scream silence – „greed for love“ und
samsas traum – „der spiegel sieht mich nicht“

noch immer bin ich nicht imstande, zusammenhänge zwischen den morgendlichen ohrwürmern und anderen dingen herzustellen, vermag also keine regel zu finden, kein grund, warum ausgerechnet jenes lied in meinem schädel herumschwebt. aber ich bleibe dran, werde weiter beobachten und vermutlich in nicht allzu ferner zukunft dieses befremdliche mysterium lösen, dafür mindestens zweieinhalb nobelpreise erhalten, ein denkmal gebaut bekommen und offiziell für „extrem gutaussehend und intelligent“ erklärt werden.