Möglicherweise bin ich ein Spinner, vielleicht lebe ich aber auch plan- und rücksichtslos vor mich hin. Fest steht, daß ich dazu neige, Dinge in letzter Sekunde erledigen zu wollen.
Beispielsweise geschieht es nicht selten, daß ich auf die Uhr schaue und feststelle, daß ich, ginge ich jetzt los, ein paar Minuten zu früh am Treffpunkt ankommen würde. Eigentlich empfände ich das gar nicht als sonderlich schlimm; mir macht es wenig asu zu warten, weiß ich mich doch ausreichend mit Buch, Blatt und Beobachtung zu beschäftigen, um Langeweile nicht zu kennen. Doch das rechtzeitige, nein: überrechtzeitige, Losgehen mißlingt immer, finde ich doch stets noch einen unbedeutenden Grund, mich ein paar Minuten lang zu beschäftigen. Die paar Minuten jedoch geraten länger als erdacht, so daß ich mich letztendlich mit Eile und Hast bepflastern muß, um rechtzeitig eintreffen zu können.
Zu jeder mir unbekannten Strecke wird irgendwann eine Zahl in meinem Kopf auftauchen, ob recherchiert oder geschätzt, welche die genaue Minutenzahl angibt, die ich theoretisch von ort A zu Ort B benötige. Komme ich trotzdem zu spät, so habe ich spätestens, wenn ich diese Zahl wieder aus meinem Schädel abrufe, vergessen, daß diese sich als nicht ausreichend erwiesen hatte.
Beispielsweise kann ich die Strecke Zuhause-Uni mit dem Rad innerhalb von zehn Minuten schaffen – allerdings nur mit hoher Geschwindigkeit und unter der VOraussetzung, daß ich bereits voll bekleidet bin und das Rad abfahrbereit auf dem Hof steht. Doch irgendetwas in mir will, daß ich die zehn Minuten als prinzipielle Berechnugnsgrundlage nehme – und erst zehn Minuten vor erforderlicher Ankunftszeit anfange, mir die Springersiefel [jeweils etwa eine Minute Anziehzeit] überzustülpen.
Unlängst konnte ich zusammen mit G erproben, daß es mir gelingt, die Stiefel genau in dem Zeitraum anzuziehen, die der Fahrstuhl in einem Wohnhaus benötigt, um von der 18. Etage ins Erdgeschoß zu gelangen. Kurz bevor die Türen sich im Erdgeschoß öffneten, stand ich vom Boden auf – nun endlich vollständig bekleidet und ob der auf den letzten Drücker gleungenen Tat grinsend.
Eigentlich wollte ich vorhin längst losgeeilt sein und meine Fotos abgeholt haben. Natürlich stellte ich erst 18.21 Uhr fest, daß ich noch immer untätig herumsaß – und der Abholladen schloß 18.30 Uhr. Socken aus, Flipflops anstelle von Stiefeln, Treppe heruntergestürmt [Das dauert allein eine halbe Minute.], Fahrrad abgeschlossen [„abgeschlossen“ als Gegenteil, nicht im Sinne von „angeschlossen“], in die Pedale getreten, in die Laden geeilt – und gerade noch rechtzeitig gewesen. Ich hatte eigentlicht nicht daran geglaubt, daß das gelingt.
Erstaunlicherweise klappt derartiges aber meistens. Ich komme selten zu spät. Irgendwie gelingt es mir stets, zumindest bei Wichtigem, mich in den vorgegebenen Zeitrahmen hineinzuquetschen, obgleich es anfangs unmöglich aussah.
[Daß ich bei Ankunft dann Weltmeere ausschwitze und mit Gabbabeatherzen nach Luft schnappe, halte ich für vernachlässigbar. Ich war pünktlich – das allein zählt.]
Im Laufe des heutigen Abends wird G hier eintrudeln. Soeben duschte ich des Tages Schweiß und Gestank von mir fort, und so sitze ich nun im Bademantel in meinem Zimmer. Die Frage, die sich mir dabei aufdrängt, ist folgende:
Würde ich es schaffen, in der Zeit, die G braucht, um die Treppen hinaufzueilen [Und er eilt tatsächlich!], mich des Bademantels zu entledigen und in normale Klamotten zu schlüpfen…?
[Im Hintergrund: Muse – „Black Holes And Revelations“]
Kommt mir sehr, sehr bekannt vor! 😉 Warum nur? Also warum handelt man so?
du sprichst mir aus der seele….