Unlängst wurde mir mit Verzücken bewußt, daß es leicht fiele zu begründen, warum Deutschland jenseits seiner Grenzen stets nicht nur mit Tüchtig-, Gründlich- und Humorlosigkeit sondern auch mit Automobilen assoziiert wird.
Leider begegnete mir noch niemand, der nach einer Begründung für den Zusammenhang zwischen meinem Heimatland und Autos suchte und diese unter passierenden Einheimischen zu erfragen wünschte. Dennoch will ich meine Erkenntnis verkünden, sie nicht zurückhalten, sondern hinausschreien in eine Welt, die vermutlich nicht darauf gewartet hat, doch hätte darauf warten sollen, und sei es nur, um den in ihr Wohnenden die Möglichkeit zu schenken, bei der nächsten Party eine attraktiven Person anderen oder gleichen Geschlechts mittels eines bedeutungslosen aber geringfügig interessanten und amüsanten Wortspiels zu einem Schmunzeln anzuregen – vorausgesetzt, sie oder er weiß Sprache und in ihr befindliche Kostbarkeiten zu schätzen.
Nicht selten geschieht es schließlich, daß man zu einer Erkenntnis gelangt oder ob eines abstrusen Gedankens ein Lächeln im eigenen Gesicht wiederfindet, doch bei allen anwesenden Gegenübern nur desinteressiertes Gähnen erntet, versucht man, seine Umwelt mit dem soeben im eigenen Kopf Entdeckten zu unterhalten. Derlei Situationen sollten – auch in meinem Umfeld – vermieden bleiben, weswegen die Ungutheit, meinen simplen, aber dennoch beeindruckenden Gedankengang einer anonymen Öffentlichkeit statt einer mir mittelnah stehenden Menschengruppe darlegen zu müssen, vielleicht gar keine ist.
Warum also ist es eindeutig, daß Deutsche und Autos zusammengehören wie der linke und der rechte Teil eines Paars schwerer, schwarzer Schnürstiefel [Den Vergleich fügte ich nur ein, um mich der darin befindlichen Alliteration zu erfreuen.]?
Die Antwort erweist sich als beeindruckend einfach und bedürfte überhaupt nicht der vielen, bereits von mir verwendeten Zeilen der Vorrede:
Die deutschen Worte „Gefährt“ und „Gefährte“ liegen sprachlich derart nah beieinander, daß sie fast eine Einheit bilden, ja selbst Gefährten untereinander darstellen, untrennbar miteinander verbunden sind. In keiner anderen mir bekannten Sprache [Ich gebe zu, allzu viele sind mir nicht bekannt.] ist ein Synonym für Automobil derart nah an ein Synonym für Freund angelehnt.
Das Gefährt ist also ein Gefährte, das Auto ist ein Freund, nicht nur ein mechanisches Ungetüm, sondern ein Begleiter. Allerdings gilt das nur im deutschen Sprachwortschatz, ausschlließlich bei Deutschen.
Es fällt also leicht zu erklären, warum wir Deutsche in den Augen der Bewohner fremder Länder als autoliebend gelten.
Ein kritisierender Sprachmöger wird einwenden, daß das Wort „Gefährt“ nicht nur auf Automobile anzuwenden ist, sondern auch auf Kutschen, Fahrräder, Roller, Rollstühle, vielleicht sogar auf Rhönräder, welche übrigens von mir nicht unbedingt als ästhetischste aller Turngeräte erachtet werden. Dem entgegne ich, daß wir Deutsche über ein derart immenses Potential an Liebe zu verfügen scheinen, daß nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern sämtliche berädertes Utensilien damit bestückt werden können. Wir finden eben Gefährten in sämtlichen Gefährten, erlaube ich mir zu kalauern.
Mit dem vorangegangenen Satz jedoch lüge ich, während ich die Wahrheit spreche: Denn mir legt nicht viel an Autos. Würde jemand mich, während ich nichts Böses ahnend auf der Straße schlendere [In den seltensten Fällen ahnt man gleichzeitig Böses, während man schlendert, sich als gemütlich und nahezu ziellos fortbewegt.], spontan mit der Frage überfallen, welches denn mein favorisiertes Auto sei, hätte ich abgesehen von einem vermutlich nicht geltenden „Äh…“ keinerlei Antwort parat. Ich erachte Autos für unbedeutend genug, um mir keine Gedanken über diesbezügliche Vorlieben machen zu wollen.
Besäße ich ein Auto, so fiele es mir schwer, eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen, weil es zum einen vor allem zu funktionieren und nicht sympathisch zu sein hat und zum anderen über die mir mißfallende Eigenschaft verfügt, Unsummen mühsam erworbenen Geldes zu fressen, allein, um seinen Status Quo zu erhalten und es nutzen zu können.
Ein Automobil wäre mir wahrlich kein Gefährte.
Dennoch bin ich nicht frei von Gefährtenliebe [Es darf geraten werden, ob ich soeben nun den Freund oder das Vehikel meinte.]. Denn unlängst erwarb ich ein Gebrauchtfahrrad, das jedoch von fachkundigen Händen bis zur Funktionstüchtigkeit, ja sogar zu straßentauglicher Verkehrssicherheit, aufpoliert worden war und mich seitdem durch die Gassen der von mir besuchten Städte trägt. In seinem regenaufsaugenden Ledersattel sitze ich königlich, und selbst wenn ich mit Tempo-30-Zonen-Radarfallen auslösender Geschwindigkeit durch die Botanik [wie mein Großvater sich auszudrücken pflegt] düse, verliere ich nicht das behagliche Gefühl einer gemütlichen Kleinstreise.
Als vormaliger Mountainbikebesitzer lobe ich hin und wieder den zuweilen dringend benötigten Gepäckträger mit süßesten Worten, die denen in Rilkes Liebesgedichten in nichts nachstehen oder erfreue mich der silbern glänzenden Werkzeugtasche, deren Inhalt erstaunlicherweise noch immer nicht ersatzlos entführt wurde.
Das Rad ist älteren Baujahres und weiß mich dennoch mit Würde und Komfort zu tragen.
Unlängst ertappte ich mich dabei, nach einer Innenstadtrundreise im Vorbeigehen den Sattel mit den Fingerspitzen sanft zu berühren und ein gelächeltes Danke zu flüstern, als wäre dieses Gefährt tatsächlich mein Gefährte.
Im übrigen frage ich mich, warum die Worte „anschließen“ und „abschließen“, auf Fahrradschlösser bezogen, dasselbe bedeuten können, selbst wenn ich mit letzterem eigentlich das Entfernen des Schlosses und nicht das Anbringen desselben meine, und ob es Alternativbegriffe gibt, welche imstande sind, die Uneindeutigkeit dieser beiden zu ersetzen.
Außerdem frage ich mich, ob die Parallelität [Ich brauchte übrigens dank rechtschreibschwacher Mathematiklehrer eine geraume Weile, bis ich mir erarbeitet hatte, daß das Wort „parallel“ zunächst mit zwei und dann erst mit einem „L“ – und nicht andersherum – geschrieben wird.] zwischen „Gefährt“ und „Gefährte“ wirklich eine holde Dame im Laufe eines Partydialogs zum Schmunzeln anzuregen vermag und woran es liegen könnte, daß beide Worte einander derart ähnlich sind.
Abschließend fällt mir ein, daß „Sputnik“ im Russischen einen Weggefährten bezeichnet – und zugleich der Name einer Serie russischer Satelliten war. Bezeichnete man einen Satelliten als Gefährt, so bestünden Parallelen zum Deutschen. Ich jedoch behalte mir vor, einen Satelliten nicht als Gefährt definieren zu wollen – genausowenig wie ich mir einen Satelliten als Gefährten wünsche.
mir ist letztlich auf einer Dienstfahrt auch so ein Sprachphänomen aufgefallen. Ist dir mal bewußt geworden, dass, wenn man bei dem Wort „Eier“ den ersten Buchstaben durch ein B ersetzt „Bier“ dabei rauskommt? Klingt klingt so völlig verschieden, aber es ist nur ein Buchstabe unterschiedlich. Toll, oder? Aber ich hab nach dieser Entdeckung den Mund gehalten – ich denke, ich hätte nur ungläubige oder mitleidige Blicke von meinen Kollegen geerntet – und mich lieber im Stillen über meine Entdeckung gefreut. Schön, dass ich sie doch noch im passenden Rahmen mitteilen und damit eventuell gleichgesinnte erfreuen konnte 🙂
REPLY:
Als ich das eben las, dachte ich zunächst an:
Toll! Man braucht bei „Mama“ nur vier Buchstaben auszutauschen, und schon heißt es „Bier“!
Aber als ich drüber nachdachte, stellte ich fest, daß du recht hast. Daß es einmal ein langgezogenes IE ist, und das andere mal der Plural, ist durchaus bemerkenswert. Zwar nur eine winzige Kleinigkeit; aber Kleinigkeiten sind oft besonders toll…