Geschmacksfragen

Irgendwo las ich den Satz „Ich liebe Kunst.“ und führte ein gedankliches Argh!!! aus. Andere lieben Bücher. Oder Musik. Das ist genauso schlimm. Allein diese verallgemeinernde Ungenauigkeit falsifiziert die eigene Aussage. Wer imstande ist, etwas zu mögen, sollte sich doch präziser ausdrücken können.

Würde ich derart allgemein formulieren, müßte ich schreiben, daß ich Kunst mag und scheiße finde, daß ich Bücher liebe und verachte, daß ich Musik liebe und meide. Ergibt nicht viel Sinn, oder? Ein bißchen Differenzierung könnte da weiterhelfen.

Vielleicht habe ich zuviele MTV-Sinnlossendungen gesehen oder zu häufig in Boulevardmagazinen geblättert, in denen derartige Aussagen zu finden sind; doch ich kann nicht daran glauben, daß zwei Partner nur allein deswegen zusammenpassen müssen, weil sie beide Musik mögen.

„Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“
„Ach, das war damals, im Plattenladen. Ich hatte mir gerade das neue Nargaroth-Album gekauft, also das, wo der Typ wie ein kranker Psychopath rumkreischt und -grölt, da sah ich sie in der Gegend rumstehen: Mannomann, dachte ich mir, die steht in einem Plattenladen rum. Die muß Musik mögen. – Und schwupps war ich verliebt.“
„Und? Mochte sie deine Nargaroth-Platte?“
„Nee, sie hat mir sofort gesagt, ich solle meinen verschissenen Scheiß ausmachen und übertönte die kreischenden Gitarren mit widerlichen Hiphop-Bässen. Aber sowas schweißt ja auch irgendwie zusammen, oder?“
„Äh…“
„Naja, außerdem mögen wir ja beide Kunst…

Ein Gedanke zu „Geschmacksfragen“

  1. Auch wenn ich generell dazu geneigt bin, Verallgemeinerungen ebenfalls abzulehnen(*über den Satz grins*), überlege ich, was wohl die ausreichend wahre und zudem ausreichend knappe Variente wäre.

    Natürlich könnte man verschiedene Richtungen angeben, aber ich wage es zu bezweifeln, dass man selbst diese völlig bedienen kann. Tatsächlich könnte ich persönlich noch nicht einmal sagen: „Ich mag Wolfgang Hohlbein“, weil es Bücher von ihm gibt, die ich mag und welche von ihm, die ich gar nicht mochte, dennoch erachte ich die Aussage angesichts der Tatsache, dass es Hohlbein-Bücher gibt, die ich mag, nicht als völlig falsch.

    Ich kann auch sagen „Ich mag Filk“ und in einem persönlichen Gespräch würde ich das vielleicht auch tun, aber im Rahmen einer MTV-Sinnlossendungen (von denen ich sagen würde, dass ich sie nicht mag, obwohl ich diejenigen, die ich gesehen habe, an einer Hand abzählen kann und es wohl deswegen ein Vorurteil wäre) hätte ich vielleicht keine Lust, zu erklären, was ich darunter verstehe, mich darauf festnageln zu lassen oder mich im schlimmsten Fall sogar dafür rechtfertigen oder diesen Geschmack verteidigen zu müssen, weil ihn niemand teilt.

    Also würde ich sagen ‚ich mag Musik‘ oder ‚ich lese gerne‘, was mich gefühlsmäßig von den Menschen unterscheiden würde, die von sich sagen, in ihrem Leben noch nie freiwillig ein Buch gelesen zu haben, genauso wie ich von mir sagen könnte, dass ich keinen Sport mache, obwohl es durchaus Sportarten gibt, die ich hin und wieder und dann auch gerne ausübe.

    Von daher würde ich sagen, dass in einem oberflächlichen Rahmen nun einmal oberflächliche Aussagen gemacht werden und dass vermutlich jeder ein intuitives Verständnis für den jeweiligen Oberbegriff besitzt, das besagt, dass man eine gewisse Zeit mit diesem Medium (oder was auch immer) verbringt und die Beschäftigung damit eine gewisse Priorität besitzt.

    Dennoch bleibt die Frage: wie könnte man es besser machen?

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