Mediale Zukunft

Angeblich gehört es zu den Eigenschaften eines Bloggers, hin und wieder Meta-Texte auszuformulieren, sich also gedanklich und schriftlich mit der von mir ungern als solche bezeichneten Blogosphäre und der eigenen Position darin zu beschäftigen. Und so brauche ich kein schlechtes Gewissen zueigen zu nennen, wenn ich mich heute ausnahmsweise mal mit ebenjener Thematik beschäftige, die seit längerem in meinen Fingerspitzen kribbelte.

Subjektiv betrachtet enthalten die meisten Blogs nur Schwachsinn. Objektiv betrachtet sicherlich auch.
Doch erachte ich Blogs als ein Medium, das dieser Betrachtung nicht bedarf, dienen sie doch in erster Linie dem Autor und denen, die dennoch Gefallen finden können. Nicht denen, die sich ohnehin abwenden.

Die freie Verfügbarkeit von Weblogs im Internet erwirkte, daß theoretisch jeder einzelne Erdenmensch imstande sein könnte, das Geschreibe eines anderen zu konsumieren. Dieser Gedanke weist riesige Lücken auf, doch ein potentielles Publikum von 6 Milliarden Menschen klingt durchaus reizvoll. Nicht minder reizvoll erachte ich den Gedanken, daß es innerhalb dieser riesigen Menschenmasse zufallsbedingt ein paar Individuen geben muß, die ähnlichen Geschmacks frönen wie der Autor oder zumindest das mögen, was dieser zusammenwerkelt.

Es ist nicht schwer zu begreifen: Die meisten Blogs werden niemals ein Massenpublikum erreichen. Doch das müssen sie auch nicht, weil Blogs Teil eines Trends sind, der sich wahrscheinlich [hoffentlich?] auf die gesamte Medienlandschaft ausweiten wird beziehungsweise bereits mit jener Ausweitung begann. Denn weil es immer leichter geworden ist, Medien, seien es Texte, aber auch Filme und Musik, mit ansprechender Qualität zu produzieren und – dank des Internets – auf einfachstem Wege zu veröffentlichen, entsteht ein mediales Angebot immenser Größe. [Daß Teile davon zwangsläufig niederwertig sein werden, ist erwartbar und im „echten“, also fernsehlandschafts- und radiosendergeprägten Leben auch nicht anders.]
Dieses Überangebot sorgt zwangsläufig dafür, daß der Konsument imstande ist, sich von den wenigen medialen Quellen, die bisher für ihn existierten und bisher die Vorauswahl über zu Konsumierendes trafen, abzuwenden und aus der entstehenden, reichhaltigen Masse das herauszufiltern, was am ehesten seinem Geschmack entspricht. Dazu gehört ein wenig Mühe, doch selbst diese wird durch immer ausgefeiltere Hilfwerkzeuge reduziert.

Allein die unkomplizierte Veröffentlichbarkeit des eigenen medialen Schaffens wird erwirken, daß es mehr höherwertige Quellen gibt als derzeit in internetfernen Medienbereichen. Der Konsument wird wählen – und sich für das entscheiden, was seinem persönlichen Geschmack entspricht.
Und das ist, was Blogs, youtube und Co längst erwirkten: Es ist möglich, seinen Medienkonsum zu personalisieren. Nicht länger ist es nötig, sich auf die Vorgaben weniger zu beschränken. Nicht länger ist es nötig, dem Einheitsbrei Folge zu leisten.

Da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, wird die einzelne Quelle, also ein Film, Lied oder Text, aufgrund der Reichhaltigkeit der Angebote nicht länger automatisch Millionen von Konsumenten anlocken, sondern eine kleinere Zahl an sich erfreuenden Nutzern, die natürlich Weiterempfehlungen vornehmen und das Konsumierte bewußt oder unbewußt verbreiten werden. Doch die Schranke des Überangebots wirkt auch hier: Der Mensch ist nicht imstande, unendlich viel zu konsumieren; er siebt aus, was er sehen, lesen, hören möchte und was nicht.

Es wird also darauf hinauslaufen, daß Sendungen jeder Art fortan vorwiegend mit kleinerem Publikum vorlieb nehmen müssen, daß diese damit rechnen müssen, nicht mit einem Schlag die ganze Welt erobern zu können.

Natürlich wird es Ausnahmen geben. Angeblich setzt sich Qualität, oder zumindest Massentaugliches, ja durch, weswegen hier und da ein Hype entstehen wird, der mehr als Hundert oder Tausend Nutzer anlockt. Auch wird es weiterhin jene Konsumenten geben, die sich abends in einen Sessel setzen und mit buntem Geflimmer berieseln lassen wollen, solange ein gewisser Mindestunterhaltungsgrad nicht unterschritten wird.
Blogs und deren Äquivalente werden also keineswegs die klassischen Medien auslöschen können, nicht zuletzt auch, weil deren Machtspielraum ein Vielfaches höher ist als der einer „normalen“ Quelle.

Dennoch gehe ich davon aus, daß die zukunft der Medien dahin ??????????????? wird, daß sich die Masse der Konsumierenden auf die Masse des Angebots aufteilen wird.

Dagegen stehen natürlich diverse Versuche, diese Entwicklung in geldregenschenkende Bahnen zu lenken, beispielsweise also im Internet befindliche Medienplattformen zu kommerzialisieren und so die freie Verfügbarkeit zu beschränken beziehungsweise nur bezahlt zur Verfügung zu stellen. Jedoch neige ich zu eher zuversichtlichem Denken und gehe davon aus, daß die Macher und Möger andere Wege finden werden, Geschaffenes zu veröffentlichen und zu konsumieren.

Dagegen steht derzeit auch, daß Medien, die von klassischen abweichen, noch immer nicht alle Bevölkerungsschichten erreichen, daß also alles oben Beschriebene einer noch zu geringen Zahl an Nutzern dient. Jedoch werden vergehende Zeit und die damit einhergehende zunehmende Gewöhnung an das Medium Internet ihren Positivbeitrag leisten, um die Entwicklung vom Allgemeinen zum Speziellen, von einer geringen Anzahl an Medienquellen mit großer Nutzerspanne hin zu einer großen Zahl an Medienquellen mit weniger umfassenderen Nutzerspannen voranzutreiben.

Daß jetzt die Diskussion entflammte, inwieweit Blogs mit Werbung befüllt, Blogeinträge an Firmen verkauft werden dürfen, stellt für mich nur einen natürlichen Teil dieser Entwicklung dar. Das Internet wird nicht länger als weltfremdes, fast außerirdisches, ungreifbares Objekt gesehen, dessen nur Eingeweihte habhaft werden können, sondern als sich entwickelndes Medium – aus dem kapital geschlagen werden kann. Es war unzweifelbar vorhersehbar, daß Blogs den Weg, den klassische Medien längst beschritten, ebenfalls zu begehen hatten, sobald sie von der Masse bemerkt wurden.

Wirksames Werben bedarf vor allem eines konsumierenden [und weitertragenden] Publikums. Und so wird bezahltes Bloggen, Werbung in Blogs und dergleichen vorwiegend jenen vorbehalten sein, die ohnehin größere Massen anzulocken imstande sind. Diese Quellen stellen jedoch nur Einzelfälle dar – verglichen mit der Anzahl bereits existierender und noch entstehender Weblogs im Internet.

Es ist meines Erachtens nach kaum möglich, dieser wabernden Masse von Blogs habhaft zu werden, jenen, die zuweilen nur eine Handvoll Nutzer ihr eigen nennen – und dennoch Medien produzieren. Das Publikum sucht sich seine Unterhalter, und je reichhaltiger das Angebot ist, desto schwerer wird es Werbenden gemacht, große Massen zu erreichen.

Ich fürchte mich nicht vor einer Gleichschaltung aller Medien, fürchte mich nicht vor einem Verlust der vielgepriesenen Meinungsfreiheit. Allein weil es auf einfachsten Wegen möglich ist, Medien zu produzieren, allein, weil es aufgrund der Masse an Konsumierwilligen immer jemanden geben wird, der einem ähnlichem Geschmack frönt, der gutheißt, was irgendwer veröffentlicht, ist es heute schwer wie nie, Schranken aufzuerlegen, das Denken zu begrenzen oder in Bahnen zu lenken.

Ich heiße diese Entwicklung, die längst begann, gut und harre erfreut des medialen Umschwungs, der da kommen möge.