Auf der Wiese, im Grase…

Vom meinem Arbeitsplatz aus blicke ich auf eine kleine grüne Fläche, auf der einst, irgendwann in Zukunft, wenn alle nötigen behördlichen Instanzen durchwandert sein werden, eine russisch-orthodoxe Holzkirche entstehen soll. Das Fundament ist längst gelegt und die benötigten Stämme liegen zahlreich und seit Monaten unbewegt auf der Grünfläche, darauf wartend, mit den erforderlichen Genehmigungen versehen und endlich zu einem Gebilde aufgetürmt zu werden.

Doch derzeit ist von Baumaßnahmen wenig spürbar. Schmetterlinge tummeln sich auf den frisch benetzten Grashalmen, durch die wenigen Bäumen flattert hin und wieder eine Elster, und soeben entdeckte ich zwei Wildkaninchen, für die das ungenutzte Gelände vielleicht zur Heimstatt wurde. Ohne Eile hoppeln sie umher, knabbern an diversen Gräsern und lassen sich auch die durch menschverbietende Bauzaunbegrenzung nicht aufhalten. Geschwind sind sie darunter hindurchgeschlüpft und sonnen sich auf grüner Wiese.

Eine Taube fliegt über die beiden Kaninchen hinweg, und eines von ihnen, ich nenne es Max, scheint zu der Ansicht gelangen, dass es dort sicherer ist, wo Bäume Schutz vor Himmelsgefahren bieten. Er hoppelt auf den Bauzahn zu und zwängt sich mühelos durch eine der Maschen. Moritz bemerkt das Fehlen seines Freundes und beschließt, hinterdrein zu hoppeln, steckt prüfend seinen kopf in eine Bauzaunmasche – und paßt nicht hindurch. Zwei weitere Maschen werden ausprobiert, doch keine bietet Platz für Moritzs Dickschädel.

Ich sehe es nicht genau, kann nur vermuten, dass Moritz unverdrossen mit den Achseln zuckt und dorthin eilt, wo er bereits einmal den Bauzaun durchquerte. Geschwind schlüpft er unter dem Zaun hindurch und befindet sich nun im Schatten. Dort, nicht länger auf saftigem Grase, sondern auf blanker, feuchter Erde, beginnt er ein ausgiebiges Reinigungsritual. Sein Freund Max zieht nach. Er sitzt im Halbschatten, unweit des Zauns, und lässt sich auch durch das leckere Gras in seiner Nähe nicht davon abhalten, sich intensiv zu putzen.

Ich arbeite weiter. „Nicht weggehen.“, flüstere ich den beiden zu.

Und tatsächlich, als ich wenige Minuten später wieder hinunterblicke, entdecke ich die beiden Kaninchen an ihren Plätzen . Nicht sofort, denn ihr graubraunes Fell stellt selbst für meine Augen, die wissen, wo und wonach sie zu suchen haben, eine Herausforderung dar. ‚Gut gemacht, Mutter Natur.‘, denke ich und lüfte meinen inexistenten Hut vor den Tarneigenschaften des Kaninchenfells.

Die beiden Freunde haben es sich unterdessen bequem gemacht. Sauber und gesättigt dösen sie, keine drei Meter voneinander entfernt. Hin und wieder richtet sich ein Ohr auf, prüft die Gegend nach Gefahren, legt sich beruhigt wieder auf das weiche Kaninchenfell.

Ich arbeite, doch nach einer Weile drängt es mich zu einem weiteren Blick nach draußen. Max und Moritz dösen noch immer. „Gute Idee.“, grinse ich den beiden zu und packe meine Sachen.

Der Apfällt nicht weit vom Stamm.
oder:
Der Apfællt nicht weit vom Stamm.

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