Das Klingding

Zu den für mich interessantesten Magdeburger Attraktionen, zu den Sehenswürdigkeiten, an die ich Ortsfremde stets zu führen pflege, gehört das Klingding. Sicherlich: das Klingding gibt es auch in anderen Städten und gehört mit Sicherheit nicht zu den architektonischen oder skulpturellen Höchstleistungen der Stadt. Und sicherlich: Das Klingding besitzt vermutlich mindestens einen anderen, vielleicht sogar besser passenden Namen – doch für mich ist es nur das Klingding.

Das Klingding ist ein Quadrat, das wiederum aus neun metallenen Quadraten zusammengesetzt ist. Es wurde irgendwo in den Boden des Nordabschnitts des Breiten Wegs eingelassen, und wenn man versehentlich oder bewusst auf eines dieser Quadrate tritt, erklingt ein Ton. Neun Töne stehen zur Verfügung, und obgleich es bereits erfolgreiche Versuche gab, bekannte Melodien zu erhüpfen, zeichnet sich die Mehrzahl der erzeugten Klangmuster durch eine fast wahllose Aneinanderreihung von Tönen aus. Kling! Klingklingkling!

Kinder mögen es, darauf herumzutollen, und auch ich weiche nur allzu gern von meiner aktuellen Route ab, um dem Klingding ein paar Klänge zu entlocken. Meistens bin ich mit dem Fahrrad unterwegs und brause somit rasch über die Metallquadrate im Boden. Klingelingeling!, vernehme ich und freue mich.

Manchmal ist das Klingding besetzt, und ich wage nicht, mit dem Rad direkt neben einem Töne erwirkenden Kind entlangzurauschen. Also fahre ich einfach vorbei, werfe einen Blick auf den, der sich da vom Klingding Vergnügen schenken lässt, und freue mich, nicht der einzige zu sein, dem dieses unscheinbare Spielgerät gefällt.

Allerdings, wie in jedem Ding, das Freude bringt, wohnen im Klingding auch unangenehme Schattenseiten: Anwohner beschwerten sich direkt nach der Installation darüber, dass selbst nachts die Klingelei zu vernehmen sei und immer wieder irgendwelche Klingdingler sie per unerlaubter Ruhestörung um den wohlverdienten Schlaf brächten. Höhere Mächte reagierten, und so geschah es, dass das Klingding ab einer bestimmten Uhrzeit abgeschaltet wird.

Ich selbst war verwundert, ob derartiges überhaupt möglich sei, doch tatsächlich: In späteren Abendstunden wird es einem erschwert, dem Klingding Töne zu entlocken. Man muss schon mit immenser Wucht auf den Tontasten herumstampfen, um winzigleise Tönchen zu erzeugen.

Um 9 Uhr morgens schlendern bereits unzählige Menschen über den Breiten Weg. Zwar sind die Geschäfte noch eine halbe Stunde, die Stadtbibliothek gar noch eine ganze Stunde mit geschlossenen Pforten bestückt, doch Bäcker, Cafés und Sonnenschein laden ein, hier und dort kurz zu verweilen. Ich radle zur Universität, und wie so häufig fahre ich einen kleinen Schlenker. Das Klingding wartet.

Ich rattere über die quadratischen Metallpatten, doch kein Ton entspringt. ‚Nanu?‘, wundere ich mich, ‚Noch nicht angeschaltet?‘ Ein kleiner Junge, der bis eben noch an einem andere Spielgerät herumturnte, hat meinen vergeblichen Klangerzeugungsversuch mitbekommen. Fröhlich wirft mir sein Lachen hinterher.

Immerhin.

Update: MeinVz/StudiVz hat jetzt auch die entsprechende Gruppe: Klingdingzumklingenbringer.
Tausend Dank und so.

7 Gedanken zu „Das Klingding“

  1. …wenn ich mich recht entsinne, war unser „Klinding“ gar einst für mehrere Tage, oder Wochen gar stumm. Vermutlich wurde in der Zwischenzeit der zeitgesteuerte Hebe- und Senkmechanismus installiert, der für nächtliche Ruhe sorgt. Ich mag das Klindding auch. Bitte klingedingsle bein nächsten Mal für mich mit.

    P.S. : das „verzzerrt“ angezeigte Wort ist fetzig!

  2. …bekenne mich hiermit zum „Klingding“ (übrigens ein sehr treffender Titel für das fetzige Glockenspielteil), und war, als ich es in MD zum ersten Mal entdeckte, hellauf begeistert. Es war auch bei all meinen Besuchen in MD immer ein Ziel für Umwege, um ein paar gutgelaunt-sinnlose Töne (da es irgendwie nicht Tonleiterkonform gestimmt ist, sind Melodien wirklich eine Herausforderung!) zu erzeugen.
    Mittlerweile gibt es auch in meiner Heimatstadt ein Klingding, doch wird für mich das „Original“ immer in MD bleiben und einen Besuch wert sein.
    Klingdinge bitte das nächste Mal auch für mich mit. (=

  3. Ich habe zwar heute an euch gedacht, als ich über das Klingding fuhr, doch das Für-euch-mitklingdingen vernachlässigt. Vermutlich wird, wenn ich mich auf den Heimweg begebe, das Klingding bereits wieder abgeschaltet sein, doch werde ich es nicht vergessen. Großes Indianerehrenwort…

    @G; Kann mich gar nicht erinnern, dass das Klingding jemals abgeschaltet worden wäre – obwohl doch, dunkle Nebelschwaden durchziehen gerade eben mein Gedächtnis, als wäre da mal was gewesen… [Ich glaube, das war tatsächlich die Zeit der Anwohnerbeschwerde…]

  4. Heute habe ich es geschafft. Drei Mal fuhr ich über das Klingding. „Eins für mondstreif, eins für G, eins für mich.“ Die daneben sitzenden älteren Herrschaften schenkten mir verwunderte Blicke, und obgleich ich grinste wie eine portugiesisches Alpenalge waren sie nicht imstande, ein kleines Schmunzeln zu erübrigen. Nun ja…

  5. REPLY:
    Ich danke sehr!

    Übrigens habe ich gestern den offenbar üblichen Namen für Klingdinger herausgefunden – sie nennen sich „Tanzglockenspiele“, aber ich bleibe Fan des treffenderen Titels.

    Wenn ich das nächste Mal auf ein Klingding treffe, werde ich mich revanchieren, und für den Herrn Morast mitklingdingeln. (=

  6. REPLY:
    Naja, „Tanzglockenspiel“ klingt aber auch nett. Schlimmer wäre „Multitongenerator“ oder dergleichen gewesen.

    Bin übrigens vorhin erneut drübergefahren. Diesmal aber nur einfach…

  7. REPLY:
    Fein! Das beeindruckt mich! Für den Fall, dass ich irgendwann einmal wieder in der Heimat verweilen sollte, werde ich auch nochmal persönlich klingdingsen.

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