MiSt – Rockfabrik Ludwigsburg – Schon wieder

Für Spontanes bin ich immer zu haben. Wenn mich also Kollege T gegen Mittag fragt, ob ich am Abend auf das Konzert einer mir völlig unbekannten Band gehen möchte, ist meine Grundtendenz zunächst ein Ja. T selbst hatte die Musikformation am Vortag entdeckt, war daher kaum wissender als ich. Immerhin kannte er einen Namen: Delain. Angeblich „symphonic metal“, was auch immer das bedeutet. Dem myspace-Profiläußeren folgend würde ich behaupten: Metallisch-Gothische Klänge mit viel Keyboardmelodie und Frauenstimme. Within Temptation lässt grüßen. Oder After Forever. Oder Epica. Oder Xandria. Oder Leaves Eyes. Oder …
Ich sagte zu.

Es war lange nach 19 Uhr, als wir uns endlich von Arbeitgefilden befreien und in Ts Auto setzen konnten – auf nach Ludwigsburg in die Rockfabrik. Den Eingang zu sehen, fiel diesmal leichter; schließlich herrschte Tageslicht: Doch einen Parkplatz zu finden, war nicht leichter als bei meinem letzten Besuch. Glücklicherweise auch nicht schwerer.
Umso komplizierter hingegen wurde uns der Zugang zum Gebäude gemacht. Auf einem an die Tür geklebten Zettel stand in großen Lettern „Eingang“ und darunter in kleiner Schrift, dass sich ebenjener oben befinde. Also liefen wir die Parkdeckauffahrt hoch, folgen anderen Hochläufern und fanden rasch den Eingang zum Floor 2 der Rockfabrik, zum kleineren Raum, in den, so wurde mir vom Türsteher erzählt, bis zu 300 Leute passen. Heute seien es wohl etwa 200, meinte ebenjener Türsteher, kein Vergleich zu den 1200, die auf dem unterne Floor Platz finden.
Dennoch war es voll, eigentlich sogar voll genug. Denn obwohl sich die Menge nach hinten hin geringfügig lichtete, war der Raum doch bis an den Rand gefüllt. Die übliche Cola wurde heute im Plastikbecher geliefert, und zum ersten Mal bemerkte ich die schmalen, eckigen Säulen, die den Blick nach vorn, zur Bühne ein wenig beschränkten.

Auf der Bühne standen beim letzten Mal noch Tische und Stühle; nun bot sie Platz für eine Formation namens LastDayHere aus Slowenien, die mich beim myspacigen Reinhören zwar sehr an Nickelback erinnert hatte, aber nun ordentlich rockten. Und vor allen Dingen taten sie, was eine Vorband tun sollte: Sie wärmten das Publikum auf. Tatsächlich verging keine Minute, ohne dass der Sänger seinen Song um diverse Mitmachaufforderungen erweiterte und es tatsächlich schaffte, die Meute zu bewegen. Die Musik war ein wenig eintönig, aber gut; an der klanglichen Qaulität der Lokation hatte ich nichts auszusetzen. Konzerte in der Rockfabrik sind offensichtlich besuchbar, dachte ich.

In der Umbaupause tat T das, was sich als Raucher gehört. Er markierte den Rockfabrikeingang mit Asche und von Papier ummanteltem Schaumstoff. Zunächst sprach uns ein LastDayHere-Groupie an, ob wir denn große Delain-Fans sein, was wir grinsend verneinten. Vor 24 Stunden hatte keiner von uns jemals von dieser Band gehört. Und von LastDayHere erst recht nicht. Der Türsteher kam hinzu und erzählte Geschichten. Interessante. Von einem anderen Hinzugeseller erfuhren wir, dass es 21.05 Uhr losgehen und 22.20 Uhr enden würde. Theoretisch jedenfalls.

Plötzlich klapperte eine Eisentür, und die gesamte Delain-Band stand vor uns, hochgeführt von einem hiesigen Auskenner, bereit, die Bühne zu erstürmen. Wir waren auch bereit, drängten uns an dem Hauptakt des Tages vorbei Richtung Eingang. Der Gitarrist sprach mich an, aber da ich nicht wusste, ob das nun Niederländisch, Englisch oder Deutsch war, verstand ich nichts, zuckte mit den Schultern und ging rein. Denn nun sollte es losgehen. Und es ging.

Die Musik war gut. Nicht überragend, nicht überwältigend, aber gut genug, um jubeln und sich dem Schlagzeugtakt anvertrauen zu können. Gut genug, um die Band zu mögen. Gut genug, um sogar eine ungefähr 70-Jährige angelockt zu haben. T meinte später, dass die Sängerin zuweilen nicht ausreichend Stimme besessen hätte, und ich ergänzte, dass das Schema der Songs sich bemerkbar glich. Doch das war egal, denn die Band wusste zu gefallen. Das lag nicht nur an klanglicher Eingängigkeit, nicht nur daran, dass die metallischen Passagen sehr dazu verleiteten, das eigene Haupthaar durch die Gegend wirbeln zu lassen, nicht nur daran, dass wieder und wieder [aber nicht übertrieben häufig] das Publikum zum Hey-Schreien, zum Klatschen oder gar zum Headbangen aufgefordert wurde, sondern auch an der Sängerin.

T meinte, dass kleine Clubs wie dieser den Vorteil besaßen, dass sich die Bands nicht hinter Effekten verstecken konnten. Doch diese Band brauchte auch nichts dergleichen; es gab ja die Sängerin.

Ich mag, wie ich vermutlich schon häufiger erwähnte, Frauen, die headbangen können, finde sie schon aus Prinzip ästhetisch. Die Delain-Sängerin war zusätzlich auch bei Stillstand mindestens ansehnlich und schaffte es, auf unglaublich sympathische Weise zu lächeln, zu reden und zu gestikulieren. Kurz gesagt: Wow.
Ich verzichtete freiwillig darauf, meinen Kopf zu schütteln, nur um ihr dabei zusehen zu können.

Wenige Minuten nach Zehn gab es dann die erste Zugabe. Der erwähnte Plan wurde befolgt. Zwei Lieder, die sich ähnelten, doch trotzdem gefielen. Und dann war es vorbei. Artig bedankte man sich, und ich fragte mich, ob die Sängerin nach jedem Konzert derart begeistert vom Publikum war, oder ob das heutige besondere Leistungen vollbracht hatte.

Die Antwort kam rasch, denn nachdem die begeisterte Meute immer wieder lautstark Zugabe skandiert hatte, gab es eine kurve Verwirrung auf der Bühne – und einen weiteren Song, der mit einem verdutzten „Das war gar nicht geplant.“ eingeleitet wurde.

Dann jedoch war es vorbei, und während mich T freundlicherweise nach Hause chauffierte, freute ich mich, zu einem spontanen Ja fähig gewesen zu sein und die Rockfabrik auch als gutfindbare Konzertlokation kennengelernt zu haben.