Das Fenster

Ich weiß, es ist nur in meinem Kopf. Und doch sehe ich dich, wenn ich aufblicke, drei Etagen über mir, am Fenster stehen, verbotenerweise rauchen und mir zuwinken, als wüßtest du, daß ich in wenigen Schritten neben dir verweilen, das Dasein aus deiner Perspektive betrachten, die Worte aus deinem Munde aufnehmen und mit einem Lächeln, einem Kuß, beantworten würde.

Das Gebäude wirkt leer ohne dich, alt und verlassen, ein wartendes Wesen, das nur noch Hülle ist. Wenn ich innehalte, um in die Vergangenheit hinaufzublicken, wispert es wehmütig dein Fehlen in mein Ohr, als träumte es – wie ich – von deiner Rückkehr, als habe es nur für dich existiert. Das befensterte Gemäuer ergibt keinen Sinn ohne dich. In meinem Schädel fehlen die Wirklichkeiten, die notwendig wären, sich das Gebäude, sich dieses Fenster ohne dich, winkend, lachend, vorzustellen.

Immer wenn ich hier vorbeigehe, bleibe ich stehen und denke an dich. Manchmal glaube ich eine Bewegung wahrgenommen zu haben, einen Schatten, der deiner Silhouette gleicht, fast so, als wärest du nicht längst diesem Gebäude und der mit ihm verbundenen Kleinwelt entkommen, als wärest du nicht in ein anderes Leben entwichen, irgendwohin, wo du erlaubterweise an eigenem Fenster stehen und rauchend auf die in der Tiefe Vorbeigehenden blicken kannst.
Doch unter ihnen, vielleicht spürst du es, fehle ich.

[Im Hintergrund: Swallow The Sun – „The Morning Never Came“]