Begegnungen 18: Haselnussstrauch

„Hey!“, sagte der kleine Haselnussstrauch, als ich ihn passierte. Er stand inmitten größerer Holunderbüsche, und ich hatte ihn bisher noch nie bemerkt.
Ich blieb stehen.
„Hey!“, wiederholte der kleine Haselnussstrauch.
„Ja?“, fragte ich vorsichtig, denn in dieser Stadt wird man üblicherweise mit kritschen Blicken bedeckt, wenn man mit Haselnüssträuchern, Löwenzahnblüten oder Taubnesselfeldern redet.
„Ich weiß, wir kennen uns nicht und so.“, begann der kleine Haselnussstrauch, „doch ich hätte eine Bitte.“
„Eine Bitte?“, fragte ich, noch immer vorsichtig. Vielleicht lauterte ja hinter dem Strauch einsibirisches Miniaturkänguru und spielte mir einen Streich.
„Ja, eine Bitte.“, erklärte der kleine Haselnussstrauch und seine Zweigchen wippten ein wenig ungeduldig hin und her.
„Was für eine Bitte denn?“, fragte ich.
„Nur eine kleine.“
„Eine kleine?“
„Ja!“
Der kleine Haselnussstrauch war anscheinend genervt von meinen vielen Nachfragen, und ich beschloss, darauf im weiteren Verlauf unseres Gespräches zu verzichten.
„Was für eine Bitte denn?“, fragte ich.
„Gieß mich.“, sagt der kleine Haselnussstrauch.
„Wie bitte?“
„Gieß mich!“, wiederholte der kleine Haselnussstrauch und ich hörte das Augenrollen zwischen seinen Worten.
„Aber ich kann nur Blei gießen.“
„Das geht auch.“, meinte der kleine Haselnussstrauch, und ich holte ein bisschen Senkblei und eine Gießkanne aus der Jackentasche und goß das eine mit dem anderen.
„Geht doch.“, sagte der kleine Haselnussstrauch und zog sich zwischen die Holunderbüsche zurück.