Das Glück der Erde

Weil Alexandra der Ansicht war, dass das Glück der Erde auf dem Rücken von Pferden, nicht auf dem der Elefanten liege, reimte ich ein kleines Gedicht zusammen.

Auf Rösserweichhaarrücken
lag – neben Staub und Mücken
auch schon so manches Glück.

Ein weitaus größres Stück
[das ist doch eigentlich bekannt]
trug immer schon der Elefant
auf seinem wuchtig-grauen Leib
als liebsten Zeitvertreib.

Drum sag ich pädagogisch:
Denkt ausnahmsweise logisch!
Es gibt für diesen Schatz
dort eine Menge Platz.

Fredbuch-Zwischenstatus, Teil 01

Ich bin fleißig. In weniger als drei Monaten muss mein Teil für das Fredbuch abgeschlossen sein, und ich bemühe mich, zusätzlich zum täglichen Comic an jedem einzelnen Tag etwas zu schaffen, das dem Buch zugute kommt. Bisher funktioniert es.
An müdigkeitsschwangeren Abenden scanne ich nur oder zeichne ich nur ein bisschen, erledige nur das Notwendigste. An Wochenenden hingegen, wenn eigentlich Entspannung und zeitliche Freiheit mein Dasein bestimmen sollten, dränge ich mich dazu, mehr zu schaffen als sonst, ersinne und denke fortwährend und zeichne wie ein sich recht gut unter Kontrolle habender Berserker, sobald mir etwas Hübsches einfällt.
Heute beispielsweise besuchte ich die Wilhelma, ein Stuttgarter Lokalität, in der sich botanischer und zoologischer Garten vereinen. Und dort, inmitten wundervoll blühender Magnolien, kreativierte ich herum.



Hätte man sämtliche Menschen durch Kekse und Erfrischungsgetränke ersetzt und die Notwendigkeit des Arbeitens mit angenehmen musikalischen Klängen, hätte mein Dasein kaum besser verlaufen können. Doch immerhin saß ich auf einer Bank im Sonnenschein, umgeben von erwachenden Blüten und zahlreichen Ideen, die immer wieder die Freundlichkeit besaßen, meinen Schädel zu besuchen.



Und während das Wochenende langsam ausklingt und ausklangt, freue mich darüber, dass mir Zuversicht auf den Lippen liegt:
Es geht voran.

Das Fredbuch kommt!

Für alle, die nicht so viel lesen möchten:

– Wuhuu!
– Es wird ein Fredbuch geben.
– BestOf mit diversem Neuzeug
– Herbst 2012
– Und so.

Umfangreiche Version:

Im September 2005 erblickte der erste Fredcomic [beziehungsweise der erste „Fledermaus Fürst Frederick fon Flatter“-Comic] das Licht der Welt und zugleich das Internet. Nur anderthalb Jahre und über 500 Comics später wagte ich es, mich auf die Leipziger Buchmesse zu begeben und die dort herumpräsentierenden Comicverlage mit meiner Existenz zu behelligen. Die Gespräche waren kurz und ernüchternd: Comicstrips waren nicht gewünscht. Cartoons wurden gesucht – oder gleich ganze Comics, bei denen eine einzelne Geschichte sich über mehrere Bände erstreckte. Oder man war ein berühmter amerikanischer DC- oder Marvelcomic, der nur in Deutschland Verbreitung finden wollte. Der Vergleich mit Joschau Sauer von nichtlustig.de fiel oft, hatten doch er und ich etwas gemeinsam: Wir kreierten Amüsantes im Netz, sammelten Anhänger und potentielle Käufer eines ebenso potentiellen Buches. Allerdings war Joscha längst bei Carlsen unter Vertrag, während ich noch durch die überfüllten Buchmessegänge schlich und nichts weiter besaß als eine dünne Präsentationsmappe und ein bisschen Hoffnung.

Beim Carlsen-Stand herrschte Ordnung. Zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Tag durfte man sich in die Masse der Wartenden einreihen und nach langem Ausharren seine Mappe vorzeigen. Um mich herum sammelten sich Menschen mit Mappen, die eigentlich Menschen mit prall gefüllten Ordnern waren, die wiederum derart gute und viele Werke beinhalteten, dass sich mein schlichtes, unbuntes, achtseitiges Heftchen mit simplen Kugelfiguren und flachen Wortwitzen am liebsten im Boden verkrochen hätte. Doch ich redete ihm zu. Schließlich war es hochglänzend gedruckt. Und schließlich war es bewusst kurz gehalten, um die gestressten Anschauenden nicht allzu sehr zu belasten. Und schließlich waren die Figuren absichtlich simpel und in schwarzweiß gekrakelt, nicht nur weil es thematisch gut zu nachtaktiven Fledemaus passte, sondern auch, weil ich dadurch die Täglichkeit des Comics garantieren konnte. Und das war etwas, das mich mit Mut erfüllte. Inmitten unzähliger, oft beeindruckend guter Mangazeichnungen war mein kleiner Knuddelfred etwas Besonderes. Und nicht nur das: Er war niedlich, die Comics gefielen mir, amüsierten mich – und ich war nicht der einzige. Zudem war allein die schiere Masse des bisher Veröffentlichten genug, um Eindruck zu schinden.
Die Carlsen-Dame war nett, wusste aber nicht weiter. Dennoch spürte ich aufrichtiges Interesse – und erhielt als Lohn und als Bezahlung für meine Hochglanzmappe eine Visitenkarte. Meine Hoffnung wuchs.

Sie sollte noch weiter wachsen, denn nach dem Ablauf von einer Woche meldete ich mich und erwirkte eine Reihe von Telefonaten, die allesamt vorsichtige Zuversicht in mir erweckten. Doch dann war Schluss. Man rief nicht mehr zurück, beantwortete keine Fragen zum Fortschritt des interenen Prüfprozesses, und obgleich ich nie ein Nein vernahm, war die Idee des Fredbuchs im Carlsen-Verlag gestorben.
Andere Verlage gab es auch, doch die Resonanz war hier minimal. Das Beste, was ich erhoffen konnte, war die Beteiligung an irgendeinem Comicprojekt, von dem ein Szenefremder niemals hören würde.

Die Buchidee starb nie, doch meine Motivation, sie weiter zu verfolgen, war klein. Andere Projekte wartete, die Fredwelt wuchs und nahm mich immer mehr ein – so sehr, dass ich eine Sekretärin gebraucht hätte, um nebenbei noch Anfragen an Verlage, Zeitungen und Magazine zu senden.
Und dennoch sandte ich. Nicht oft, doch hin und wieder. Nebenbei kreierte ich Adventskalender und Jahreskalender, schuf Hintergrundbilder und allerlei Krimskramereien, hielt den Shop am Leben und bastelte zwischendurch noch an der Software der Homepage. Und ich zeichnete einen Comic. Täglich.
Tatsächlich wurden meine Werke veröffentlicht. Das Bayerische Jugendrotkreuz begann irgendwann, eigens kreierte Comics von mir abzudrucken, und die erfundenen Feiertage im Fredkalender erregten hin und wieder ein bisschen Fremdaufmerksamkeit.

Zum Comicsalon 2010 in Erlangen erschien mit Panik Elektro 7 „Seelenstrips“ eine wuchtbrummige Anthologie, in der diverse Webocmickünstler 12 Seiten mit hihi!gem Inhalt füllen durften – und ich war einer von ihnen. Ich wuhuu!te nicht wenig, und als ich dann auf dem Comicsalon den fetzigen Fred in diverse erworbene Bücher signativ hineinkritzeln durfte, fühlte ich mich mehr als toll. Mein Ausweis bewies: Ich war jetzt offiziell ein Künstler.
Die 500 verfügbaren Exemplare waren rasch vergriffen, und es war mir eine Freude, im letzten verbliebenen Comicladen Stuttgart irgendwann genau dieses Werk vorzufinden, „mich“ vorzufinden, zu „meinen“ Seiten zu blättern und in mich hineinzukichern. Noch mehr kicherte ich allerdings, als die Anthologie eines Tages nicht mehr im Regal stand. Verkauft.

Die Verlagsbefragungen in Erlangen brachten trotz wirklich hübschem, fast quadratischen, 16-seitigem Präsentationsheftchen, trotz „Künstler“-Ausweis und vorzeigbarer Veröffentlichungen, trotz vierstelliger Comiczahl, trotz liebeswürdigem Lächeln kaum Erfolge. Fred passte nirgendwo hinein – und das lag nicht an seinem Körperumfang.
Mir wurde gar vorgeschlagen, erst einmal mit lokalen Zeitungen bekannt zu werden, weil doch das Internet an sich nichts wert sei. Ich ärgerte mich, knirschte mehrfach mit den Zähnen, doch weigerte mich nachzugeben. Abgesehen davon, dass ich später nachgab und tatsächlich ein paar Zeitungen anschrieb, die mir mit vereintem Schweigen antworteten, und abgesehen von dem in mir wachsenden Wutwunsch, es – was auch immer „es“ war – ihnen allen „zu zeigen“, ließ ich mich davon jedoch nicht beeindrucken, sondern speiste den Buchwahrwerdgedanken mit meinen Emotionen.

Und mit Ideen, denn glücklicherweise ist das Erdenrund mit Nettmenschen wie Michaela bevölkert, die begeistert jede Idee weiterspinnen und freudestrahlend vorab jubilieren. Und mit Fredfreunden, die mir unter jedem neuen Comic kommentierend zusätzliche Freude an meinem Schaffen einflößten.

Ich würde ein Buch kreieren, legte ich fest.
Auf eigene Faust.
Kein Problem.

Schließlich gehörte nicht viel dazu. Ich musste nur sämtliche Comics nach jenen durchforsten, die geeignet wären, im Fredbuch aufzutauchen, suchte meine eigenen Favoriten heraus, hörte auf die Gedanken von Freunden, prüfte, welche Comics die meisten Positivreaktionen auf fonflatter.de hervorgerufen hatten [und ob diese sich tatsächlich auf den Comic oder irgendwas anderes, nicht minder Fetziges bezogen] und wählte aus. Außerdem zeichnete ich neu. Alte Comics, die ich eigentlich mochte, aber optisch nicht meinem derzeitigen Stil entsprachen, überarbeitete ich. Damit die internetigen Fredfreunde, die jeden Comic auswendig kennen, Neuwert zu Gesicht bekamen, ersonn ich neu, zeichnete neu. Zusätzlich plumpste mir der absurde Gedanke in den Schädel, zu jedem Comic eine kleine zusätzliche Ergänzungszeichnung zu kreieren, die einerseits ein bisschen niedlich oder amüsant oder beides sein, andererseits auch einigermaßen zum Comic passen sollte. Ich scannte ein, bearbeitete, ersann, zeichnete, scannte…

Zwischendurch erkundigte ich mich, ob ein Books-On-Demand-Verlag überhaupt imstande sein würde, meinen Wünschen zu genügen – und hatte Erfolg. Nebenbei entstanden weitere Comics, jeden Tag ein neuer. Nebenbei entstanden Kalender, Shopmotive und lauter Kleinigkeiten. Nebenbei verfolgte ich zahlreiche weitere Ideen, die Fred betrafen. Nebenbei zeichnete ich noch anderes Knuffelzeug. Nebenbei überarbeitete ich die Heimseite – oder ließ das von anderen tun. Nebenbei schrieb ich Texte, räumte den dazu passenden Blog um, beendete meinen Roman „Donnerstag“ und veröffentlichte ihn als Ebook. Nebenbei warf ich noch ein zweites Ebook hinterher. Nebenbei arbeitete ich in meinem „echten“ Job. Nebenbei führte ich auch noch ein Leben, das Menschen beinhaltete.

Die Erstellung des Buches streckte sich ein bisschen.

Doch als der 31.12.2011 sich langsam einem Ende näherte, war ich einer Sache gewiss: Im kommenden Jahr würde es ein Fredbuch geben. Auf jeden Fall!
Und auch wenn die Jahresanfangsmotivation rasch nachließ, blieb der Gedanke in meinem Schädel haften, sorgte für schlechtes Gewissen, wenn wieder ein Zeitraum durch mein Dasein gewandert war, ohne sich mit dem zukünftigen Buch befasst zu haben.

Und dann gab es noch Christine. Christine, deren Hochzeitseinladungskarte ich kreierte und die zum Dank eine mich lobpreisenden Email an einen ihr eigentlich unbekannten Verwandten irgendwo in den Tiefen des Verlagswesens schrieb, mich in aller Herzlichkeit empfahl – und einen Kontakt herstellte. Der Kontakt wuchs und mit ihr die Realisierungschance meiner Idee. Diese hatte in meinem Kopf längst konkrete Formen angenommen, so dass ich bereits mit Zahlen und Fakten, mit Formaten und Inhalten um mich werfen konnte, ohne dass auch nur eine Seite tatsächlich erstellt war.

Aber auch das sollte sich ändern. Rasch schuf ich ein paar Probeseiten, und mit begeisternswerter Geschwindigkeit kam ein Vertrag zustande. Ein Vertrag mit einem Verlag. Ein echter Verlagsvertrag. Über ein Fredbuch. Ein Fredbuch!

Ich war außer mir vor Freude. Abgesehen davon, dass nun noch mehr Arbeit auf mich wartete, abgesehen davon, dass ich nur wenige Monate Zeit hatte, um das Angefangene endlich Wirklichkeit werden zu lassen, abgesehen davon, dass ich mich nun zwang, jeden Tag, unabhängig von Laune, Zeitplan oder Müdigkeitsstatus, etwas Fredbuchiges zu erledigen, abgesehen davon, dass am Ende der Mühen keineswegs ein Palast unerschöpflicher Reichtümer auf mich wartete – abgesehen von diesen vernachlässigbar-winzigen Kleinigkeiten, von diesen unbedeutenden Nichtigkeiten, die noch nicht einmal eines Gedankens würdig waren, abgesehen von diesen albernen Lächerlichkeiten also war alles hyperübersuperfetzig. Mindestens!

Und so begann ich zu arbeiten. Und so arbeitete ich auch heute. Und so werde ich auch morgen arbeiten.

Hin und wieder werde ich aufschreien, begeistert oder entnervt, werde den Fortschritt meines Schaffens in die Welt schreiben, werde mit beränderten Augen schlafarm durch die Welt wanken. Doch meine Begeisterung wird bleiben, mein Lächeln wird in jeder Linie stecken, meine Freude wird mich vorantragen.
Bis dann im Herbst 2012 das Fredbuch die Welt erblicken wird. Im Zweihorn-Verlag, dem ich schon jetzt unendlich dankbar bin. In überschaubarer Erstauflage, doch mit Option auf Weiteres. Und mit haufenweise Hihi!, mit Fred, Käfer und all seinen Freunden, mit albernen Wortwitzen und überschlauen Filosofien, mit Wuhuu! und Keksen, mit Regen und Zuversicht, mit Krawatten und Steinen, mit der Essenz von allem, was seit über 2000 Comics durch die Netzwelt wuselt.

Ihr habt also hiermit meine offizielle Erlaubnis, euch vorzufreuen. Und grinsend durch die Gegend zu hüpfen.
Denn das Fredbuch kommt.
Bald.

23: Ekliptik

Dadurch schließt die ekliptikale Ebene mit der Ebene des Äquators der Erde beziehungsweise des Himmelsäquators derzeit einen Winkel von 23,4385° ein, der Schiefe der Ekliptik oder Obliquität genannt wird (lat. obliquus „schief“).

http://de.wikipedia.org/wiki/Ekliptik#Schiefe_der_Ekliptik

Schön, dass ich dank Google heute nicht nur das hübsch klingende Wort „Äquinoktium“ zurück in mein Gedächtnis katapultierte und mich auch über die umständlich-bezaubernde Deutsch-Variante „Tagundnachtgleiche“ freuen durfte, sondern auch erfuhr, dass die Erdneigung einen Winkel von etwa 23,5° umfasst.

Es begeistert mich, dass das Universum meine Zahlenbevorzugung teilt.

Strandpromenade

Die folgende Geschichte entstand, weil Diego sie sich wünschte.

Die Mittagssonne, ein kolossaler weißer Fleck, der das gesamte Himmelsgewölbe einzunehmen schien, grinste grell auf die Strandpromenade hinab, als gelte es, die gesamte Welt in hellstes Gleißen zu hüllen. Die Promenade war leer, und im samtig weichen Kitzelsand des Strandes tummelten sich nur ein paar verwirrte Krabben. Selbst die eifrigsten Sonnenbadenden hatten das Weite gesucht, sich in kühlen Schatten zu noch kühleren Cocktails gesellt.

Ein einziger Mann lief die Promenade entlang. Langsam und behäbig, seinen dicken Leib mühsam vorwärts schleppend warf er einen riesigen runden Schatten auf den hellen Stein. Seine Sandalen knirschten sich träge durch die zahlreichen Sandkörner, die Wind und Menschen gen Stadt geschleift und auf dem Weg verteilt hatten. Der Mann ächzte, und Schweiß lief im die Schläfen hinab.

Die Krempe seines lächerlichen Touristenhutes schützte seinen dicken rotglühenden Schädel kaum vor dem überpräsenten Strahlen der Sonne, und auch die gelb gerahmte Sonnenbrille auf seiner Schweißperlennase half ihm kaum, dem Gleißen beizukommen. Halb erblindet kroch er voran, legte mühsam Meter um Meter zurück, als gelte es, in Zeitlupe den Schatten hinterherzujagen, die längst geflohen waren.

Seine Oberschenkel waren von unnötig kurzen Bermudashorts mit Papageienmotiv bedeckt und rieben bei jedem Schritt aneinander, erzeugten ein weiches Geräusch, das in dem immer wiederkehrenden Ächzen aus dem ausgetrockneten Hals des dicken Mannes beinahe unterging. Unterhalb der Shorts befand sich Haut, nackte Haut, die einst weiß gewesen war, doch nun zu warnender Röte erblühte. Auch hier floss Schweiß, folgte den Zwängen der Gravitation und landete schließlich in hellblauen Flipflops, wo er sich zu salzigen Pfützen sammelte.

Es war heiß, soviel stand fest, und selbst ausgedörrteste Wüsten hätten zugeben müssen, dass dies der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort, das richtige Wetter für Luftspiegelungen, für irre führende Fata Morganas, gewesen wären, der perfekte Moment, um einen dicken, langsam vorwärts schwankenden Mann mit Illusionen zu narren und ihn an seinem Verstand zweifeln zu lassen.

Doch was er sah, war keine Illusion, war kein Trugbild, kein billiger Zauber, den glühende Luft oder ein von Hitze zermürbter Verstand erwirkt hatten. Was er sah, war ein Nilpferd, ein echtes, lebendiges, aufrecht gehendes Nilpferd, das dem dicken Mann nicht nur entgegenkam, sondern auch noch gute Laune zu haben schien.

Die wild brütende Mittagssonne schien das Nilpferd ebenso wenig zu bekümmern wie das Fehlen von Menschen auf der Promenade – oder gar die Anwesenheit des dicken, behäbigen Mannes. Auf seinen zwei Hinterbeinen laufend wirkte es recht vergnüglich und gut gelaunt – soweit man das von Nilpferden überhaupt sagen kann. Und es trug zwei prall gefüllte Eistüten, aus denen das zarte, verlockend kühle Milchprodukt auf köstlich aussehende Weise langsam herauszuschmelzen begann.

Das Nilpferd stapfte fröhlich vor sich hin, der dicke Mann ächzte ihm entgegen. Unter einer Palme, die, hätte man sie befragt, das derzeitige Wetter mit „aufdringlich heiß und unerträglich trocken“ bezeichnet hätte, trafen sich die beiden Gestalten, die einander in Körperform nichts nachstanden. Die Palme schwieg, weil niemand sich für ihre Wettermeinung interessierte, der dicke Mann keuchte und schwitzte, und das Eis tragende Nilpferd gluckste aus den Tiefen seines voluminösen Bauchs.

Der dicke Mann hob den Blick. Allein diese kleine, fast winzige Bewegung schien ihm übermenschliche Mühen abzuverlangen, und der Schweißstrom auf seiner Stirn floss in neuen, bisher unbekannten Ausmaßen.

„Eis!“ röchelte er, als er plötzlich erkannte, was das fröhliche Nilpferd dort, direkt vor seinen Augen durch die sengende Hitze transportierte. „Eis!“
Die Augen des dicken Mannes bekamen einen fiebrigen Glanz, und als hätte er im Wilden Westen eine lupenreine Goldmine entdeckt, begann er, das eine Wort, den Namen des soeben gefundenen Reichtums, wieder und wieder auszurufen:
„Eis! Eis! Eis!“

Das Nilpferd nickte. Seine Zustimmung wirkte fast majestätisch, und es wunderte niemanden der leider abwesenden Anwesenden, das es nun nasal und mit wichtigtuerischer Stimme sprach:
„Speiseeis. Richtig. Und nicht nur das, sondern auch in verschiedenste Sorten Eises: Stracciatella, Walnuss, Melone, Blaubeere, Schokolade, Schlumpfeis, Malaga, Joghurt, Erdbeere – und diverse weitere. Sie alle vereint nicht nur eine exquisite, erfrischende Kühle, sondern auch der Umstand, dass sie sich in meinem Besitz befinden.“
Das fröhliche Lächeln des Nilpferdes bekam einen höhnischen Zug.

„Eis.“, keuchte der dicke Mann und mobilisierte seine letzten Kräfte für einen vollständigen Satz. „Könnten Sie mir bitte ein Eis abgeben?“
Das Nilpferd schnaubte. Es war ein lustvolles Schnauben, feucht und heiter, und irgendwie schaffte es das fröhliche Nilpferd auch noch, dabei ungestüm mit dem Kopf zu schütteln.
„Nein, nein und nochmals nein!“, rief es aus. „Dies ist mein Eis!“
Der dicke Mann weinte fast:
„Aber Sie haben zwei…“, begann er, doch das Nilpferd unterbrach ihn.
„Nein, nein und nochmals nein! Dies ist mein Eis!“

„Also gut.“, meinte da der dicke Mann und richtete sich auf. Seine Hose war zu eng und zu bunt, seine Haut zu rot und zu nackt, sein Gesicht zu feucht und zu salzig. Und doch schaffte er es für einen Moment, würdevoll auszusehen: „Sie haben es so gewollt!“
Der Nilpferd verstummte und schaute den dicken Mann fragend an. Erste Tropfen geschmolzenen Eises benetzten leise plätschernd den heißen Steinboden.
Der dicke Mann räusperte sich. Dann sprach er den einen Satz, der alles verändern sollte:
„Nilpferde besitzen keine Daumen.“

Das Nilpferd starrte verdutzt auf seine Vorderpfoten, die noch immer die beiden prall gefüllten Eistüten hielten, starrte zum dicken Mann, der nun seine letzte Kraft verloren hatte und langsam in sich zusammensank, als wäre er nur ein vergessener roter Ballon irgendwo am Strand. Dann starrte das Nilpferd zurück auf das Eis – und begriff.

Nilpferde besitzen keine Daumen. Nilpferde können überhaupt kein Eis halten. Nilpferde können überhaupt nichts mit ihren Gliedmaßen halten!
Die Erkenntnis durchfuhr das einst so fröhliche Nilpferd wie ein Blitz, und die beiden prall gefüllten Eistüten fielen zu Boden. Ein feuchtes Schmatzen erklang, als Waffeln und schmelzende Frostmilch aufschlugen, und sowohl dicker Mann als auch verdutztes Nilpferd sahen ihnen nach, als wohnten sie einem Wunder bei.
„Weg.“, sagte das Nilpferd nach einer Weile, die nur Sekunden währte, und der dicke Mann nickte bestätigend: „Weg.“

Und plötzlich, als hätte sie dort oben die ganze Zeit auf den richtigen, den perfekten Augenblick gewartet, stürzte eine silberne Möwe aus dem grellen Gleißen der Mittagssonne, stürzte hinab und klaubte die Eistüten auf, eine nach der anderen, balancierte sie in ihrem orangefarbenen Schnabel und schwang sich im nächsten Moment bereits wieder hinauf in leuchtende Höhen, die erbeuteten Objekte trophäengleich vor sich her tragend.

„Tja.“, sagte der dicke Mann, als die Möwensilhouette in der Sonne verglomm.
„Tja.“, sagte das Nilpferd, und gemeinsam gingen die beiden ins nächste Café, um sich einen Eisbecher zu bestellen.
Oder auch zwei.

Wuhuu! Eine Rezension!

Wuhuu! Mein donnerstagiger Zahnbürstenroman „Donnerstag – Ein Zahnbürstenroman, der für unglaublich wenig Geld hier als kindle-Ebook erwerbbar ist, erhielt eine Rezension.
Und nicht irgendeine Rezension, sondern eine wunderwundertolle, die mich grinsenderdings grinsen lässt.

Um sie zu lesen, müsst ihr nur hier klicken. Es lohnt sich. Wirklich.

Danke, allerfetzigste Beate / @Heart_Bea_t – nicht zuletzt für das auf meinen Wunsch hin klammheimlich in die Rezension eingeschmuggelte Wort „blaubeerblubberrot“!

Morgenwurm 56: Vereint

Und dann ist es Abend, später Abend, und meine Augen verweigern sich der Welt. Lider suchen das Unten, und jeder Gedanke kriecht bleiern durch den Schädel.

Dennoch ruft die Tat. Plötzlich, wissend, dass der Tag seinem Ende entgegenflieht, entspinge ich mir selbst, entraube mich dem kommendem Schlaf. So viel ist zu tun, so wenig ward geschafft. Plötzlich bewegen sich meine Hände, Finger wirken Linien, Tasten klappern, weil Buchstaben geschrieben sein möchten. Das Morgen lauert bereits hinter dem Dunkel, und – ach – so viele Vorbereitungen wären noch vonnöten, so viel Heute noch zu befüllen.

In emsiger Geschäftigkeit eile ich umher, verliere mich in Gleichzeitigkeit, erinnere mich, während ich vergesse, und handle, agiere, treibe voran. Alles sollte geschehen, jetzt, hier, bevor mir der Tag entronnen sein wird.

Irgendwann halte ich inne. Die Uhr droht mit rotem Leuchten, und Vernunft ruft mich zwischen Decke und Laken.
Doch noch immer stehe ich nicht still. Ich gedenke meines zukünftigen Ichs, dem Wesen, das morgen nach allzu kurzer Rast neu erstehen wird, gedenke seiner lächelnd und mit einer Spur von Mitleid und beschließe, ihm ein Geschenk zu machen. Ich werde ihm Minuten schenken, überlege ich, vielleicht nur Sekunden, eine Kleinigkeit, doch möglicherweise genug, um die ersten Schritte in das Kommende ihrer Schwere zu berauben.

Und schmunzelnd lege ich mir morgige Kleidung bereit, sortiere sie gar nach der Reihenfolge des Anlegens, wechsle in die Küche, wo ich dem immer näher rückenden Frühstück den Weg bereite, so dass dem morgigen Ich nur wenige Gesten genügen werden, um sich versorgt zu wissen.
Viel zu spät, doch noch immer mit dem Hauch eines Lächelns bestückt, bette ich mich schließlich nieder, schließe die Augen, die das Geschenk des Schlafes rasch und dankbar annehmen.

Der neue Tag beginnt mit lärmender Zeit. Meine Laune schläft noch, meine Sinne meiden jedes Licht. Erst als Heißwasser mich zu wecken beginnt, erwacht auch mein Lächeln. Heimlich danke ich dem vergangenen Ich und schlüpfe in die bereitgelegte Kleidung. Weiterer Dank entströmt mir, als nur wenige Handgriffe später das Frühstück meinen Mund findet und ich mit neuem Lebensgeist beseelt das neue Heute empfange.

Der Tag wird lang, und mein Haupt wird viel zu spät in die vertrauten Kissen sinken. Doch Morgen und Abend wird ein Lächeln vereinen, vom heutigen Ich an das morgige, vom gestrigen Ich an das heutige weitergereicht.

Und zwischendrin entdecke ich das Lied, das seit dem Erwachen in meinen Ohren tönt:

Dead Soul Tribe – „In A Garden Made Of Stones“

zwischen

zwischen atemwarm gehauchten zügen
zwischen lippensüßem rot
zwischen funkelschimmerzähnen
schlummert mir ein wort

als hättest du es ausgesprochen.

zwischen glimmend güldnen rahmensträhnen
zwischen zwei stillen gelegt
zwischen dem du aus dir
und dem ich aus uns
schlummert mir ein wort

als wartete es
auf sich.