Am Fluss

Wir hatten Blicke getauscht, zahlreiche Blicke, und jeder von uns glaubte, bei diesem Tauschgeschäft gewonnen zu haben. Die Blicke waren gewachsen, hatten ihre Scheu verloren, hatten sich mit Neugierde gefüllt.
Unser Lächeln war eins gewesen, war von meinem Mund auf deinen gewandert, hatte kurz in deinen Augen geblitzt, Grübchen geweckt und war dann zu mir zurückgekehrt, als wüsste es nicht, auf wessen Antlitz es erblühen wollte.
Worte waren zwischen uns geflossen, geschriebene, gesprochene, hatten sich zu Sätzen vermehrt, zu Erinnerungen und Wünschen, hatten vor den Augen des anderen Bilder gemalt, um darin zu versinken, hatten Bänder geknüpft, die einander umwebten und zu neuen Mustern verknoteten.

Und nun standen wir hier, blickten auf den Fluss hinaus, der sich irgendwo in der Ferne, in unseren Gedanken, verlor. Sätze krochen aus unseren Mündern in den Himmel, und wir starrten ihnen nach, gemeinsam, nebeneinander stehend, wie versteinert ins Jetzt gesetzt.

Du lachtest und plötzlich bewegte sich deine Hand, Millimeter nur, berührte meine, ein Versehen, zuckte zurück, als wäre sie bei einer Straftat ertappt worden, blieb fern für ein paar Momente, bis die Berührung den Weg ins Begreifen, ins Bemerken, fand, und bewegte sich erneut, langsamer diesmal, bewusster diesmal.
Deine Haut fand meine, streifte sie kurz, wich, kehrte wieder, streifte erneut. Dann regte sich nichts mehr.

Aneinandergelehnt hingen unsere Hände zwischen unseren Leibern, irgendwo inmitten, während unsere Blicke starr den Horizont einfingen.
Sich wundernd wehte ein Wind vorbei, stob durch dein Haar, ließ es meine Wangen kitzeln. Tief sog ich ihn ein, ließ in in meine Lungen sinken, mich sacht erbeben.
So soll es sein, dachte ich, und rührte mich. Langsam flossen meine Finger zwischen deine, hüllten sie ein, liebkosten sie, umringten sie mit mir. Deine Wärme kroch in meine, floss meine Arme hinauf in meine Brust, ließ mich tiefer, schneller, süßer atmen, ließ mich sehnen und wollen.
Ich fing dich, verschlang das scheue Tier Hand mit meinem Fünffingernetz, glitt zwischen dich, ließ mich von dir willkommen heißen.
Unsere Blicke blieben starr, hielten die Ferne fest in unseren Augen. Doch unsere Hände sangen Nähe, suchten sich und fanden sich, fanden das Uns inmitten umeinander tanzender Finger.

Irgendwann drehtest du dich weg, weg vom Dort, weg von Irgendwo, hin zu mir, hin zu meinen Atemzügen, meinen ungesagten Worten. Unter uns wellte sich der Fluss voran, und ein Kuss erblühte auf deinen Lippen.
Meine Finger malten Sehnsucht auf deine Haut; dann versank ich in ihm.

2 Gedanken zu „Am Fluss“

  1. Die Melodie deiner Worte graebt sich in meine Haut. Und gleichzeitig habe ich noch nie etwas leichteres, leicht im Sinne von unbeschwert, gelesen. Sehrsehr schoen, und eben: sehrsehr leicht. Vor allem: das wandernde Laecheln.

    Zugegeben; die starren Blicke haben mich irritiert, aber waeren sie nicht, so fehlte etwas.

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