fahrstuhlfahrt

die aluminiumtüren gehe auf, ich trete ein. mürrische mienen blicken mir entgegen, zeigen ihren unwillen darüber, daß der fahrstuhl ausgerechnet noch in meiner etage anhalten und die gerade begonnene abwärtsfahrt schon wieder unterbrechen muß. wegen mir. gesenkten blickes murmle ich etwas, das „guten tag.“ aber auch „hallo.“ hätte heißen können. ich schäme mich, ohne zu wissen, warum. die bösen gesichter spucken mir laute entgegen, die ich nicht zu identifizieren weiß. eine begrüßung vielleicht. oder ein fluch.

obwohl mein dürrer leib kaum in die kabine paßt, weicht niemand auch nur einen millimeter von seiner position. jeder beharrt auf seinem platz, als hätte er ihn mühsam erkämpft und redlich verdient. ich drehe mich um, jedes geräusch vermeidend, bloß keinen laut verursachend, nicht wagend, die dumpfe, verdrießliche stille zu stören. ich wende mich ab, will den anderen nicht entgegensehen müssen, starre vor mich hin. die tür schließt sich endlich – öffnet sich erneut. ein zipfel meines mantels hat sich – nach meinung der überwachenden lichtschranke – der fahrstuhltür zu sehr genähert. eilig raffe ich meine kleidung zusammen, überprüfe mit raschem blick auch noch, ob der rest meines körpers außerhalb der kontrollvorrichtungen verweilt. hinter mir spüre ich die genervten, vernichtenden blicke der anderen, spüre, wie die fahrstuhlinsassen langsam zu klauenbewehrten mörderbestien mutieren, mich zu verschlingen drohen. nur mühsam widerstehe ich der versuchung, mich umzusehen.

die tür schließt sich erneut, ein ruck, der fahrstuhl setzt seine reise fort. das aufatmen hinter mir ist gut vernehmlich, formt aus verbrauchter luft ein lautloses „endlich!“, das in den nächsten sekunden immer wieder in meinem kopf widerhallt.

10-8-6… ich spüre ein kribbeln an der nase. ich wehre mich tapfer gegen die versuchung, meine hand zu heben und einfach zu kratzen. um mich herum herrsche totenstille. kein atemzug dringt an mein ohr, nur schweigen, beklemmendes schweigen. warum sagt niemand was? warum sind wir alle einander so fremd, seit jahren im selben wohnhaus lebend? warum kenne ich noch nicht einmal meinen nachbarn? warum grüßen wir einander mit abgewetzten floskeln, die längst ihre bedeutung verloren…?

4-2-erdgeschoß. die tür gleitet auf. hinter mir drängt die monstermenschenmasse nach vorne, noch ehe ich einen einzigen schritt aus der kabine gemacht habe. ich springe hinaus, trete beiseite.

die meute der gesichtslosen wesen stürmt vorbei, löst sich auf. kein abschiedsgruß verläßt die zusammenkniffenden lippen, kein „auf wiedersehen.“. nur raus hier, weit fort von den anderen, nur fort von menschen, die anteil nehmen könnten, fort von den wesen, welche die eigene isolation bedrängen, fort von hier…

der abstand ist nun groß genug. sie reißen die haustür auf, kosten beglückt einen tiefen atemzug stickiger stadtluft und zelebrieren mit weit ausgreifenden, eiligen schritten die rückkehr in die ihre kleine eigenwelt, in die welt der ignoranz.

ich bleibe zurück und suche das lächeln, das ich auf irgendeiner etage verloren habe…