groß

In Anbetracht dessen, daß es sich immer mehr als üblich erweist, die deutsche Sprache nicht nur mit Anglizismen und Verkrüppelungen unangenehmster Art zu entstellen, sondern auch die gewohnten Regeln der Groß- und Kleinschreibung zU m1sSachT3n, habe ich mich Eigenreflexion unterzogen, die Folgendes ergab:

Ich halte mir für durchaus fähig, Grammatik und Orthographie in ausreichend korrektem Maße zu frönen, bin mir über die Unterschiede zwischen „daß“ und „das“ im Klaren und neige auch dazu, den erweiterten Infinitiv mit „zu“ mittels eines entsprechenden Zeichens vom Rest des Satzes abzugrenzen. Benutze ich jedoch eine Tastatur, beginne ich, die Umschalttaste mit gebührender Ignoranz zu belegen, somit also Fehler aus Prinzip zu begehen.

Einst [und es ist tatsächlich schon eine geraume Weile her] hielt ich das Weglassen von Großbuchstaben für eine wesentliche Vereinfachung der eigenen Schreibe, für den richtigen Weg, sich auf Papier oder dessen digitalem Äquivalent auszudrücken. Ich vernachlässigte meinen Wunsch nach Perfektion und frönte einer Miniaturrebellion — denn damals empfand ich es tatsächlich als eine solche [nicht zuletzt, weil auch die im Englischen ja noch hervorgehobene Bedeutng von Eigenenamen dadurch endgültig deklassifiziert werden konnte]. Dafür war ich sogar bereit, die Problematik zu verachlässigen, daß man, wenn alle Worte mit kleinen Buchstaben beginnen, zuweilen Satzzeichen ignoriert und dadurch bei der Lektüre emfpindlich gestört wird.

Ich gelangte zu der Ansicht, daß Menschen, die fähig sind, Rechtschreibung und Grammatik hinreichend korrekt zu praktizieren [Ich neige dazu, die Unfähigkeit zu NEUER deutscher Rechtschreibung schulterzuckend gutzuheißen, habe ich doch selbst arge Schwierigkeiten mit der Umsetzung dieser Schreibreform], die Erlaubnis besitzen, die deutsche Sprache zu verunzieren, solange sie sich ihres Treibens bewußt sind und dieses jederzeit einstellen könnten.

In den letzten Tagen jedoch wurde ich auf einige wenige Zeilenanhäufungen aufmerksam, die aus anderen durch ein einziges Signum herausstachen und dadurch angenehm ins Auge fielen: Sie bedienten sich korrekter Groß- und Kleibschreibung. Das mag an sich nicht weiter verwunderlich klingen, sind doch Zeitschriften, Zeitungen und Bücher vollgestopft mit derlei Geschriebenem. Doch in den Tiefen des weltweiten Netzes mutierten Großbuchstaben längst zu einer vom Aussterben bedrohten Gattung. Menschen neigen ja dazu, allem, was rar ist, einen gewissen Wert zuzusprechen, der nur allein aus dieser Seltenheit resultiert. So handelte auch ich, einmal mit der Seltenheit des Großbuchstaben in meinem eigenen Wortsalat konfrontiert.

Ich schämte mich ein bißchen und versuchte gleich, Zeilen anzuhäufen und dabei darauf zu achten, den Regeln der geschriebenen Sprache gerecht zu werden. Ich war erstaunt zu bemerken, wie schwer mir dieses Unterfangen fiel, nein: fällt, denn noch immer übersehe ich, daß diesem oder jenem Substantiv die Benutzung der Umschalttaste vorenthalten blieb.

Und so beschloß ich, in Zukunft ein wenig auf mich selbst zu achten und den Versuch zu wagen, trotz kurzzeiliger Forenbeiträge und internetüblicher Kleinschreibung auf die Großbuchstaben nicht länger zu verzichten. Womöglich handelt es sich dabei um einen Schritt zurück, doch bin ich mir sicher, daß jeder Lesende es mir insgeheim danken wird, wenn er bemerkt, daß das eigene Auge mal wieder an einem – früher verborgenen – Satzzeichen hängenblieb. Vielleicht ist es gar ein Schritt nach vorn, wohin auch immer…