erblindet

zuweilen will ich nicht mehr sehen. mit tränenverschleierten blicken schaue ich mich um und kann nicht ertragen, was sich mir zeigt, wünsche zu fliehen, allem zu entkommen, die welt um mich herum einfach auszuschalten, jeden menschen aus meinem dasein zu löschen.

ich nehme meine brille ab, verstaue sie behutsam irgendwo in meinen taschen, entreiße mir das augenlicht. die welt verschwimmt, verliert jede kontur. ihre formen werden aufgelöst. menschen mutierten zu schwammigen silhouetten, gesichtslos und fremd. ich fliehe.

die tränen auf meiner wange stören nicht länger. ich sehe niemanden, nichts, und kann selbst nicht gesehen werden, wandle als unsichtbarer durch das verwischte sein, dessen existenz ich ignoriere.

kein blick, keine mißgunst kann mich erreichen, da augen zu schattigen löchern in hellen flächen verwimmen, da worte an meinen betäubten ohren zerschellen. ich fliehe, lasse die welt zurück, kehre in mich selbst, um irgendwo in der tiefe mich zu finden.

irgendwann, nach ungezählten zeiten, wenn meine tränen getrocknet sind, schenke ich mir meinen blick zurück, wandle meiner pfade und beginne, mich der unvollkommenen schönheit meiner welt zu erfreuen, jedes detail in mich aufzusaugen wie einen verlorengeglaubten schatz, atme das leben, als hätte ich es erneut entdeckt …

widrige umstände

widrige umstände brachten es mit sich, daß ich den letzten bus verfehlte, so daß mir nichts verblieb, als nach hause zu laufen. wie leergefegt lagen die straßen nun vor meinen müden blicken. kein mensch, keine maschine, zerbrach die reglose gegenwart. eisigkalt wehte der winter mir um die ohren. unter meinen füßen knirschten die letzten streusandreste. in einer tiefgarageneinfahrt warfen meine schritte hohle echos an die nackten wände.
in mir frohlockte es, eine dankbarkeit überfiel mich. ich war dankbar, am leben sein zu können, mein dasein mit allen sinnen zu spüren, dankbar gegenüber gott, soweit ich bereit war, an ihn zu glauben.

eine ampel verkündete mit schrillen piepsern ihre grüne färbung. ich verkroch mich tiefer in meinem mollig warmen wintermantel. in der tasche klirrten fröhlich die schlüssel. mein spiegelbild blickte mir aus einer schaufensterscheibe entgegen.

‚vielleicht bin ich noch immer nicht erwachsen geworden.‘, mutmaßte ich und lächelte bei diesem gedanken.

der morgendliche wurm im ohr 12

aus trüben träumen erweckt. irgendwo in einer turnhalle spielt eine rockband. doch niemand sieht hin, niemand schüttelt sein haar, rastet aus. das publikum tanzt, jenseits der bühne, wie in einer diskothek, die blicke sich selbst und den andern, doch niemals der band zugewandt.
schnitt.

ich entdecke sie an einem computer in der ecke eines verdunkelten raumes. sie bemerkt mich nicht.

schnitt.
sie liegt mir in den armen, lehnt sich an mich, wir drehen uns im kreise und mit jeder drehung spüre ich, daß ihr widerstand nachläßt, daß auch sie mich liebt, mich ersehnt hat. während ich sie in den armen halte, rennt sie gleichzeitig weg, holt einen lied- oder gedichttext, über den sie sich amüsiert. ich kann nicht viel damit anfangen, doch ein anderer, neben mir stehender kann es. sie kommen ins gespräch und lachen. gleichzeitig preßt sie sich an mich und steht abseits, jenem anderen näher kommend. ich spüre tiefste liebe und zerfetzende eifersucht zugleich. unerträglich.
und während ich aufwache, sehe ich, daß die, die ich in meinen armen halte, eine andere ist, die gleiche, die es immer war, und doch eine andere…

der heutige morgenwurm paßt gut zum traum, gut zu meiner stimmung, gut zu so vielem.

dementi – „meine welt“

wach auf mein kind
zieh deine schuhe an
und laß uns an den rand des lebens laufen
nimm mich mit dir
halt mich fest an deiner hand
versuch zu fliegen
wir lernen zu tauchen

im meer aus wolken
geführt von einer kraft
die entspringt dem einzig wahren licht
bleib ganz nah bei mir
bewahr dir dein lachen im gesicht

dies ist nicht meine welt
sie hat mich nie bekommen

nicht fähig

noch immer
zum finden
nicht fähig

gesucht
doch nie
entdeckt.

menschenmünder
grüßen
lachen
werfen worte
weichen fort.

nichts bleibt
in mir
bei mir.

noch immer
nicht fähig
gefunden
zu sein.

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