Die Maus und der Sperling

Eines Tages traf ein Sperling auf eine Maus, die sich gerade an einem Käse vergnüglich getan hatte und nun einen Verdauungsspaziergang einlegte. Die Maus piepste, der Sperling zwitscherte, und schon bald bemerkten die beiden, dass sie sich bestens verstanden. Sie gingen gemeinsam ein gutes Stück Weg, schwatzten und lachten, piepsten und zwitscherten, und fanden ineinander gute Freunde. Mit jedem Schritt vertiefte sich ihre Freundschaft, und so gingen sie weiter und weiter, zusammen und vergnügt.

Die Maus trippelte rasch, der Sperling jedoch, dem das Laufen und Hüpfen ein wenig schwerer fiel, musste hin und wieder innehalten und eine Pause einlegen. Die Maus lächelte dann und wartete geduldig, erzählte von Sonnenblumen oder Fellpflege, bis der Sperling seinen Atem wiedergefunden hatte und bereit war, noch ein wenig weiterzulaufen.

Und so liefen die beiden, so ungleich sie waren, mit höchster Freude stundenlang, tagelang, zusammen über Wiesen und Felder, erzählten einander von Träumen und Sorgen, von heiteren Momenten und großen Gefühlen. Oder sie schwiegen zusammen, und es war das köstlichste Schweigen der Welt.

Hin und wieder rasteten sie, nicht selten des Sperlings wegens, doch war jede Pause nur von kurzer Dauer, denn beide Wesen drängten darauf, weiter, immer weiter, zu laufen, zu trippeln und zu hüpfen.

Eines Tages gerieten die beiden an einen Abgrund.
„Hier endet der Weg.“, piepste die Maus, denn obwohl sie sich gründlich umgesehen hatte, fand sie keinen Pfad, der beschreitbar gewesen wäre.
„Hier endet der Weg.“, bestätigte der Sperling traurig tschilpend, und beide wussten, was das bedeutete.

Maus und Sperling schwiegen, und der Abgrund war ein dunkles Dröhnen in der Stille.

„Meine Füße sind längst wund.“, flüsterte der Sperling. „Ich kann dich nicht länger begleiten, kann nicht zurück.“
„Meine Flügel sind zu klein.“, wisperte die Maus. „Ich kann dich nicht länger begleiten, kann nicht weiter.“

Der Sperling nickte, spreizte seine Flatterflügel und erhob sich in die Wolken. Die Maus sah ihm nach, dann drehte sie sich um und huschte davon.

Und manchmal, an traurigen Tagen, blickt die Maus nach oben und schmunzelt. Und manchmal, in allzu stillen Stunden, schaut der Sperling nach unten und schmunzelt. Irgendwo dort gibt es einen Freund.