Begegnungen 15: Maus

Ich hatte kaum die Straße betreten, als ich merkte, dass sich der Schnürsenkel meines rechten Schuhs gelöst hatte. Ärgerlich!, dachte ich, humpelte rasch auf die andere Straßenseite, um nicht überfahren zu werden, und hockte mich dann hin, liebevoll eine Schleife formend.
Aus dem Augenwinkel sah ich eine kleine graue Maus vorbeihuschen. „Huch!“, sagte ich, eloquent wie immer, und die Maus blieb stehen.
„Maus.“, sagte sie.
„Richtig.“, sagte ich, leise, um sie nicht zu verschrecken. „Du bist eine Maus.“
„Haus.“, sagte sie, und blickte, als wolle sie sich vergewissern, in Richtung des Gebüschs. Vermutlich befand sich dort ihr Mäuseloch.
„Wie heißt du denn, kleine Maus?“, fragte ich neugierig.
„Klaus.“, antwortete sie.
„Und du kannst reden?“
„Durchaus.“
„Ist ja toll.“, rief ich begeistert. „Eine Maus, die reden kann!“
Die Maus sagte nichts, schaute nur hin und wieder in Richtung Gebüsch, als wollte sie jeden Moment fliehen.
„Kann es sein“, begann ich nach einer Weile zögerlich „dass sich dein Vokabular auf Wörter beschränkt, die sich auf Maus reimen?“
„Naus.“, sagte die Maus, schüttelte mit dem Köpfchen und rannte davon.

Begegnungen 14: Quaaak

„Quaaak.“, hörte ich, kaum dass ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte.
„Quaaak?“, fragte ich in die milde Frühlingsluft, doch niemand antwortete.
Ich sah mich um, zuckte dann mit den Schultern und ging weiter.
„Quaaak.“, verahm ich erneut, und diesmal sah ich ihn. Ein paar Zentimeter abseits des Weges im taubedeckten Gras hockte ein klitzekleiner Frosch. Hätte ich ihn mir nicht kürzlich geschnitten, wäre mein Daumennagel größer gewesen als dieser kleine grüne Geselle.
„Hallo Frosch.“, begrüßte ich ihn.
„Quaaak.“, antwortete er, und ich verstand: Das war kein Frosch, sondern eine Kröte. Ein Krötchen, um genau zu sein.
„Quaaak.“, ergänzte das Krötchen, und ich nickte schmunzelnd. Amphibien haben einen überraschend guten Sinn für Humor.
„Angeblich bringt es Glück, an einer Kröte zu lecken.“, teilte ich dem Krötchen mit. „Darf ich?“
„Quaaak.“, meinte das Krötchen, und ich hob es sanft aus dem Gras.
Vorsichtig berührte ich den grünen, gesprenkelten Rücken mit meiner Zungenspitze.
„Ich merke nichts.“, sagte ich.
„Quaaak.“, sagte das Krötchen.
„Du hast Recht.“, antwortete ich und leckte nun richtig. Einmal. Zweimal. Dreimal.
„Ich merke noch immer nichts.“, meinte ich. „Angeblich bringt es doch Glück, an einer Kröte zu lecken.“
„Bringt es auch.“, sagte das Krötchen glücklich. „Allerdings nur der Kröte.“
Das Krötchen quaaakte noch einmal und hüpfte dann beschwingt davon.