Nervös

Meine Hände zitterten. So viel stand fest.
Meine Finger fanden ständig den Weg zu meinem Mund, und wie automatisch suchten meine Zähne nach Nägeln, nach etwas, das sie beschäftigte.
Auch mein rechtes Knie war nicht untätig. Permanent hüpfte es auf und ab, als wollte ich jeden Augenblick davonlaufen.
‚Davonlaufen.‘ Ich seufzte durch meine abgeknabberten Fingernägel. ‚Das wäre eine gute Idee.‘
Doch ich blieb. Blieb und starrte auf den Bildschirm, als könnte er mir nun, nach zweieinhalb Minuten permanenten Anstarrens eine Lösung für meine Probleme liefern.
„Du bist nervös.“, piepste es direkt über mir. Verwirrt sah ich nach oben.
Eine kleine Spinne seilte sich elegant von der Zimmerlampe zu mir herab.
„Und zwar ziemlich nervös.“, sagte sie und ihr Körper, den ich eben noch für schwarz gehalten hatte, schimmerte lila im fahlen Schreibtischlicht.
Ich nickte hektisch. Ich war nervös. Sehr nervös.
„Was dir fehlt, ist innere Ruhe.“ Die Spinne befand sich mittlerweile auf Augenhöhe.
„Inneres Gleichgewicht.“
Ich dachte kurz nach. Mein Knie hüpfte auf und ab.
„Und wie soll ich inneres Gleichgewicht erlangen?“, fragte ich unsicher.
„Durch äußeres Gleichgewicht.“, antwortete die Spinne und grinste breiter, als ich es bei einer Spinne für möglich gehalten hätte.
„Und wie soll ich äußeres …“, begann ich zu fragen, doch die Spinne fiel mir ins Wort.
„Du brauchst mehr Beine!“, rief sie und schwang sich auf meinen Kopf.
„Mehr Beine?“, wunderte ich mich.
„Mit zwei Beinen steht man sehr unsicher.“, erklärte die Spinne, während sie vergnügt durch meine Haare und schließlich sogar über meine gerunzelte Stirn krabbelte. „Du brauchst vier. Oder am besten: acht.“
Sie war mittlerweile auf meiner Nasenspitze angekommen, und wie zur Bekräftigung ihrer eigenen Worte hob sie jedes Bein einzeln und stampfte damit auf. Es kitzelte ein wenig.
„Außerdem brauchst du eine Beschäftigung.“, erklärte die Spinne und setzte ihre Wanderung fort.
„Irgendwas, bei dem du deine Hände bewegst, aber nicht nachdenken muss. Etwas, das deine Aufmerksamkeit fesselt, ohne dich zu beanspruchen.“
Die Spinne hockte nun auf meinem Kinn und überlegte.
„Wie wäre es mit Häkeln?“
Ich schüttelte langsam mit Kopf.
„Stricken?“
Kopfschütteln.
„Wie wäre es, wenn du Fäden spinnen würdest?“, fragte die kleine lila Spinne, kicherte leise und hüpfte auf meinen Schreibtisch.
„Fäden?“ Ich musterte sie kritisch.
Die Spinne nickte. Und kicherte noch einmal.
„Außerdem wäre es hilfreich, dich mit Netzen zu umgeben.“, ergänzte sie. Ohne meine Reaktion abzuwarten, kletterte sie auf den Computerbildschirm und setzte sich auf dessen Oberkante.
„Schön warm hier.“ Zufrieden schloss sie die Augen.
Ich verstand plötzlich.
„Du rätst mir, dass ich, um innere Ruhe zu finden, eine Spinne werden soll?!“
Die Spinne grinste mal wieder. Langsam kletterte sie den Bildschirm hinab zur Kante des Schreibtischs. Dann hielt sie inne und blickte mich liebevoll an.
Nach einer Weile nickte sie.
„Mir hat es geholfen.“, sagte sie und krabbelte davon.