FFFfF: Der Schal

Es ist erstaunlich. Noch immer schaffte ich nicht, die nicht-ganz-eintägige Verspätung, die mir durch diverse Geschehnisse entstand, auszumerzen. Nicht, daß ich darum kämpfen müßte, täglich einen neuen Comic zu zeichnen. Damit habe ich kein Problem, und ich bin stolz darauf, seit dem 20. September jeden Tag einen Comic veröffentlicht zu haben. Allerdings müßte ich jetzt zwei an einem Tag zeichnen, um den Rückstand wieder aufzuholen und Punkt Mitternacht den Comic des neuen Tages online stellen zu können. Das wiederum ist schon schwieriger.

Aber es beschwert sich ja niemand. Das ist gut und schlecht zugleich.
Gut, weil es zeigt, daß es entweder keine Rolle spielt, ob ich nun mal Verspätuzng habe oder nicht, oder daß so viel Vertrauen herrscht, daß niemand bezweifelt, daß der tägliche Comic auch täglich erscheint.
Schlecht, weil ich das Gefühl haben könnte, es sei egal, ob ich nun täglich oder montatlich [oder gar nicht] zeichne.

Heute jedenfalls erscheint wieder ein neuer „Fledermaus Fürst Frederick fon Flatter“-Comicstrip, die Nummer 77 übrigens.

Und so.


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Gleichnis

Ein befremdliches Gleichnis, das mich soeben befiel:
Während sich die Deutschen einst von einem eindeutig nicht-arischen Mann sagen ließen, welche Rasse die bessere sei, lassen wir heute Dieter Bohlen darüber entscheiden, wer singen kann…

[Im Hintergrund: Chase The Dragon – „Admit“]

Tageswort Nr. 32: Eigenassoziation

Eigenassoziation, die:
Während eines Gespräches stattfindende Gedankenverknüpfungen im eigenen Kopf, die ein soeben berichtetes Geschehnis noch während der Ausführungen mit weiteren verknüpft und somit eine Kette von erzählbaren Ereignissen erwirkt, die bei fehlender Unterbrechung in einen Monolog münden und den Gesprächspartner zum unbeteiligten Zuhörer degradieren lassen kann.

Heimreise

Es begann, als ich mich ausnahmsweise, einer inneren Trägheit folgend, dazu entschloß, an der „Pfälzer Straße“ auf die 2 zu warten, anstatt wie sonst üblich die wenigen Fußwegminuten zur Haltestelle „Universität“ in Kauf zu nehmen, wo unter den vielen zugleich verkehrenden Linien auch eine Bahn sein würde, die mich bis fast vor die Haustür trüge. Während die studentische, geduldig wartende Menschenmasse immer größere Ausmaße annahm, entdeckte ich allmählich nicht nur verstörte Blicke auf die eigene Uhr und in die Richtung, aus der die Straßenbahn eintreffen würde, sondern auch immer wieder Wesen, die ihren Warteprozeß mit enttäuschtem Gesichtsausdruck abbrachen und leise seufzend die Wegstreckenabarbeitung den eigenen Füßen überließen.

Mit fehlender Uhr fiel es mir schwer zu schätzen, wie lange ich wartete, doch als gefühlte zehn Minuten vergangen und noch immer keine öffentlichen Verkehrsmittel in Sichtweite zu entdecken waren, gab auch ich auf und machte mich mit einem resignierenden Gedanken über das Schicksal, das ausgerechnet dann die 2 verschluckt, wenn ich sie zu benutzen gedenke, auf dem Weg zur Haltestelle „Universität“.

Ich sah es schon von weitem: Eine Bahn stand auf den Gleisen, ihrer Passagiere beraubt, tot und träge blinkend. In meinem Schädel formte sich die Hoffnung, es möge nicht meine Richtung sei, die mit wartend-defekten Bahnen blockiert war, doch ich glaubte das Gegenteil, vermutete gar, daß das Fehlen der 2 an der „Pfälzer Straße“ mit der stehenden Bahn an der „Universität“ zusammenhing.

Ich hatte recht, in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur eine, sondern drei Bahnen standen still, reglos in ihren Gleisen verharrend, auf dem Weg in die Richtung, die ich als „meine“ bezeichnete. Ein ‚War ja klar!‘ erübrigte sich; statt dessen bedeckte ich mein Antlitz mit einem Lächeln, plante meine weitere Wegstrecke voraus. Wenn die Gleise blockiert waren, mußte ich noch drei Haltestellen weit laufen, um an die nächste Gleiskreuzung zu gelangen, von der die Möglichkeit bestand, eine Bahn zu erwischen, die mich nicht nur nach Hause brachte, sondern sich überhaupt bewegte.

Im Magdeburger Zentrum liegen zwischen drei Haltestellen nicht mehr als ein Kilometer, fünf Minuten Fußweg über den Breiten Weg, den derzeit unzählige, wegen des Weihnachtsmarktes vom Alten Markt vertriebene Stände blockieren. Es war kalt, doch die wenigen Minuten zu Fuß hatten mich bereits genug erwärmt, um jeder Sorge, wegen möglicher, totaler Straßenbahnfehlfunktion letztendlich nach Hause laufen zu müssen, mit einem desinteressierten Schulterzucken begegnen zu können.

Am Universitätsplatz stand die 5, blinkte müde in Richtung des orangefarbenen Einsatzwagens der Magdeburger Verkehrbetriebe, ein lautloser Hilferuf, dem keine Hilfe folgte. Schon minutenlang schien die Bahn hier zu stehen, jede Richtung zu blockieren, ohne daß ein Schaden offensichtlich war. Ich glaubte, eine Oberleitung beschädigt herabhängen gesehen zu haben, doch war mir nicht sicher. Ordnungsgebietend blitzten die Blaulichter zweier Polizeiwagen, doch niemand interessierte sich dafür.

An den Haltestellen, die ich passierte, stauten sich wartenden Menschenhaufen. Niemand hatte ihnen gesagt, was geschehen war, und obwohl sie sehen konnten, daß keine der Bahnen in Sichtweite sich auch nur einen Millimeter rührte, obwohl sie sehen konnten, daß es unwahrscheinlich war, in den nächsten Minuten von der Haltestelle abgeholt zu werden, blieben sie stehen, warteten wie eine verirrte Schafsherde auf ihren Schäfer, der ihnen mitteilte, was zu machen sei.
Doch kein Schäfer kam, und die Schäferhunde – Blaulichtwagen besetzende Polizisten – hielten Informationsweitergabe für überflüssigen Luxus.

Das Gedränge auf dem mit Ständen und Menschen vollgesopften Breiten Weg störte mich nicht, würde doch das Gedränge in den wenigen noch verkehrenden Straßenbahnen um eine Größenordnung stärker sein.
Am Alten Markt angekommen entdeckte ich die 6. ‚Meine Bahn!‘, dachte ich erfreut, nicht zuletzt, weil es so aussah, als würde sie noch fahren können. Überall um mich herum standen leere Bahnen wie abgestorben in ihren Gleisen. Hinzukommende Bahnen wichen in andere Richtungen aus, auf Strecken, die sie sonst nie befuhren, bewirkten, daß die Bewegungsabläufe des öffentlichen Personennahverkehrs aussahen, als wären sie die kranken Gehirn eines Irren entsprungen, von unfähigen Kinderhänden auf Stoffservietten gekrakelt und von blinden Psychopathen realisiert. Doch es funktionierte. Ich sah keinen Autostau, keinen Unfall, keine Verletzten, noch nicht einmal ordnungshütende Uniformierte.

Die 6 stand an der Haltestelle und wartete. Ich wartete ebenfalls. Die Ampel zeigte Rot, und wie bei einem Marathonlauf lauerten mit mir unzählige andere auf den Startschuß, das Ampelgrün, das den Wettlauf einläutete, dessen Ziel die Sicherung eines Platzes im Sardinengedränge, im Inneren der Straßenbahn, war. Ich positionierte mich günstig, war schnell, als einer der Ersten, im Inneren, fand einen guten Platz zum Stehen, hielt mich fest.

„Könnten Sie vielleicht…“, hörte ich eine alte, brüchige Stimme, deren Besitzerin eine Fahrkarte in meine Richtung hielt.
„Na klar.“, meinte ich lächelnd, nahm die Karte in Empfang, wühlte mich durch menschliche Leiber bis zum Entwertungsautomaten, wartete auf das bestätigende Piepen des Stempels, kämpfte mich zurück und überreichte der alten Frau ihre – offensichtlich unnütze [Welcher Kontrolleur würde sich schon durch dieses Gedränge zwängen?] – Fahrkarte, stolz, als hätte ich soeben die hintertibetanischen Dschungelwüsten mit verbundenen Augen durchquert. Sie nickte nur, freundlich und schüchtern zugleich, und ich versuchte, mir meinen Stehplatz zurückzuholen, der jedoch in der Zwischen von Tannengrün besetzt worden war.

Als die Bahn zwei Ampelphasen später losfuhr, atmeten alle Straßenbahnheringe auf. Die Stimmung war gut.
„Wenn Sie fallen, fallen Sie unter Garantie weich.“, lachte eine dickte Frau neben mir.

Die nächste Ampel war ein Greuel. Vor uns standen zwei weitere Bahnen, auf Grün wartend, und pro Grün fuhr nur ein Metallkoloß durch. Es dauerte Minuten, bis wir wieder vorankamen – und am „City Carre“ hielten. Nur eine Handvoll Menschen stieg aus; doch mindestens zehnmal so viele begehrten Einlaß – unter ihnen auch eine Frau mit Kinderwagen und eine Gruppe Punker, standesgemäß mit Kassettenabspielgerät und Bier beziehungsweise Wein, sowie mehreren riesigen Hunden bestückt, von denen einer allerdings – vermutlich aufgrund einer Verletzung – auf einer Art Bollerwagen Platz genommen hatte, welcher natürlich ebenfalls in unserer vollgestopften Straßenbahn Platz finden sollte.

„Kinderwagen! Kinderwagen!“, riefen die Punker, als wollten sie der Mutti mit ihrem Gefährt Zutritt und Platz verschaffen. Doch kaum waren wir noch enger zusammengerückt, drängten sich die vier Gestalten, samt ihrer Hunde und ihres Bollerwagens in die Bahn und sicherten sich damit die ungeäußerte, aber auf vielen Mienen deutlich lesbare Abneigung der anderen Passagiere. Die Mutti paßte nun natürlich nicht mehr hinein. Ihr Kinderwagen ersdt recht nicht.

Interessiert beäugte ich den Penny-Markt-Aufnäher auf einer Lederjacke, der zwischen unzähligen Punkbandemblemen und Antifa-Zeichen eine Besonderheit darstellte. Die Frau neben mir stand auf, und ich konnte mich setzen, trat versehentlich einem schwarzen Hund auf den Schwanz, der gequält winselte, aber meine Entschuldigung – inklusive eines beruhigenden Kopftätschelns – zu akzeptieren schien.

Niemand beschwerte sich, und tatsächlich waren mehrere Zusammengedrängte trotz ihrer Situation freundlich zu den Punkern, gaben den Hunden Platz und akzeptierten, daß eine Tür durch den Bollerwagen versperrt worden war. Als jedoch ein Herr die zurückhaltende Bitte äußerte, den schwarzen Hund, der ihn in einer Ecke einsperrte und somit sein Aussteigen verhindern würde, wegzunehmen, reagierte das einzige Mädel erbost und unwillig, als müßte sie, deren Gruppe erstaunlich viel Toleranz entgegengebracht worden war, immense Aufwände auf sich nehmen, um den armen Hund ein paar Zentimeter zu verrücken, als wäre sie, der es von allen Straßenbahnmitfahrenden noch am besten ging, die einzig Gequälte hier.

Unterdessen unterhielt sich die alte Frau, die ihre Fahrkarte fürsorglich in ihrer Geldbörse verstaut hatte, mit ihrer Nachbarin, einer vielleicht zwanzig Jahre jüngeren Dame, die geduldig jede Frage beantworte und jede Aussage mit nichtssagendem Geplänkel bestätigte. Von der Frage, warum es denn so voll sei, führte die Thematik der alten Frau jedoch über die Feststellung, daß ihr sowieso nur noch wenige Jahre blieben bis hin zu Krankheiten und Tod, bis hin zur Behauptung, daß, wenn man alt und ein wenig wirr wurde, sowieso niemandem mehr für einen da sei, jeder nur die eigene Unwilligkeit mit geheuchelter Anteilnahme überdeckte, um mehr erben zu können.

Das Thema behielt sie bei, ungeachtet der Punkersituation um sie herum, erzählte mit weinerlicher Stimme, was sie wohl schon Tausend Mal erzählt und sich selbst eingeredet hatte. Sie bemitleidete sich selbst, stellte ich fest, und bewunderte die neben ihr Sitzende, die immer wieder zu reagieren vermochte, niemals zu weiteren Aussagen anregte, aber trotzdem den Eindruck erweckte, am Gespräch interessiert zu sein, obgleich auch sie von der Thematik wenig begeistert war. In Gedanken zollte ich ihr meinen Respekt und verlor für kurze Zeit sogar die Punker aus dem Sinn, die sich jedoch alsbald bemerkbar zu machen wußten.

Ein Hund stand an der Straßenkreuzung, die wir soeben passierten, und einer der Punks glaubte in ihm seinen Hund, besser: einen seiner Hunde, erkannt zu haben.
„Halt an!“, rief er nach vorne, zum Straßenbahnfahrer, der jedoch unbekümmert sein Gefährt erst mehrere Hundert Meter später zum Stehen brachte – an der dafür vorgesehenen Haltestelle. Ein unscheinbarer Mann drängelte sich aus der blockierten Tür und erwarb so den Ärger der ebenfalls aussteigenden Punks, die sichtlich Mühe hatten, den mit Hund befüllten Bollerwagen aus der Bahn zu hieven. Er kippte; der verletzte Hund fiel auf seine eigenen Beine, winselte, wurde grob von der Straße gezerrt, wieder auf den Bollerwagen gehoben.

Das Fehlen der Punks löste keinerlei Erleichterung aus. Nur ich freute mich, hatte ich doch endlich genug freien Platz um mich herum – zumindest bis zur nächsten Haltestelle, wo ich ausstieg und die abenteuerliche Heimreise beendete.

FFFfF: Ein wahrer Freund

Willkommen im Dezember, dem mittlerweile vierten Monat, in dem tagtäglich „Fledermaus Fürst Frederick fon Flatter“-Comicstrips veröffentlicht werden.

Ich stelle fest, daß ich noch immer nicht dazu kam, irgendwelche Verlage mit meinen Werken zu überschütten.Aber immerhin erhielt ich eine Nachfrage, ob den Fred nicht in einer kostenlosen Magdeburger Studentenzeitung auftreten wolle. Die genaueren Bedingungen sind mir noch unbekannt; aber ich bin erfreut.

Und so.


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[Im Hintergrund: Janus – „Auferstehung“]