Nach K

„Wird ganz schön teuer, die Fahrt nach K. „, sagt sie.
„Wieso?“
„Es hat sich niemand wegen einer Mitfahrgelegenheit gemeldet… Willst du vielleicht mitkommen?“
„Ich kenn doch keinen in K.“
„Dann bleibst du halt die ganze Zeit im Auto sitzen und wartest auf mich. Und bezahlst die Hälfte der Benzinkosten.“

Ein Scherz nur, und doch driften meine Gedanken bereits ab. Auf nach K!, denke ich und stelle mir vor, im Auto zu sitzen, auf dem Beifahrersitz, angenehme Musik zu hören, belanglose Dinge zu erzählen, angeregt durch andere Belanglosgkeiten aus ihrem Mund. Manchmal verdichtet sich das Gespräch, dann wird sie ernst, werd ich ernst, wir reden über Gefühle, über Innerstes, bis Uneinigkeit die Worte verdunkelt und ein Schweigen heraufbeschört, das ein kleiner Scherz, ein kurzes Lachen zu unterbrechen weiß.

In K werde ich trotz Kälte und Schneeregen aus dem Auto aussteigen und die Innenstadt betrachten, mich in einzelne Geschäfte wagen, mich womöglich über ein Musikgeschäft mit großer Auswahl freuen und dort geraume Zeit verweilen, vielleicht einen Stadtplan kaufen, Wegweisern zu vermeintlichen Sehenswürdigkeiten folgen, meine Enttäuschung über deren Nichtigkeit unter der Freude verbergen, hier zu sein, allein, mit meinen Gedanken, ungestört, ja frei.
Vielleicht werde ich in ein Museum gehen, mich an meinem Drang nach Wissen, nach Bildung, berauschen, vielleicht anschließend ein Café aufsuchen, um, während ich gedankenverloren mit einem Löffel in der halbleeren Tasse rühre, festzustellen, daß die Heiße Schokolade hier auch nicht anders mundet als zu Hause.

Unterdessen wird sie ihre Freundin besuchen, mit ihr den Nachmittag, den Abend verleben, keine Sorgen an mich verschwendend, bin ich doch alt und intelligent genug, mein Handeln und sein in richtige Bahnen lenken zu können. [Bin ich das?]

Ich sehe mich in einer Stadt, deren Straßen sich ob des Wetters, der nahenden Nacht, ob der schließenden Geschäfte, allmählich leeren und fühle die Freiheit verlustig gehen, die Einsamkeit mich finden, sehe mich zwischen scheinbar altbekannten, nie gesehenen Betonbauten stehen und irgendetwas vermissen, einen Menschen vielleicht, einen Freund, eine wärmende Hand, vielleicht ein Ziel, sehe mich weglos und fröstelnd in einer fremden Stadt umherblicken und wundern, was genau ich hier zu finden geglaubt hatte.

Und während ich darüber nachdenke, während ich die Möglichkeit, spontan Ja zu sagen und ohne weitere Planung mit nach K zu reisen, im Geiste mit Bildern bestücke, weiß ich, daß ich mich betrüge, daß ich nicht nach K zu gehen wünsche, daß mir nicht der Sinn nach Autofahrten steht – sondern daß es allein und einzig die Flucht ist, die mich reizt, die ich ersehne, die Flucht ohne Ziel, an deren Ende eine erneute Flucht stehen wird.

„Ich komm nicht mit.“
Sie weiß es längst, fragt scherzhaft nach Begründungen, die ich sogleich ihr liefere: fadenscheinig und dennoch wahr. Ich schweife ab, lenke das Thema in andere Bahnen. Sie antwortet, und ich bin dankbar dafür, dankbar, daß ich im nächsten Moment vergessen werde, was ich mir soeben noch präzise auszumalen versuchte: Gedanken um eine aussichtslose Flucht.

[Im Hintergrund: Farmakon – „A Warm Glimpse“]