Begegnungen 21: Schuh

Im Gebüsch lag ein einzelner Schuh. Es war ein schwarzer Herrenschuh aus Leder, durchaus elegant, für vornehmere Ereignisse nicht ungeeignet. Obgleich er nicht aussah, als wäre er soeben einem Schuhfachmarkt entsprungen, ließ er es an den nötigen Blessuren fehlen, die die üblichen Entsorgungsgründe für Fußbekleidung bildeten.
„Was machst du hier?“, fragte ich den Schuh, doch mein mit Frühstücksbrötchenteilen gefüllter Mund gab nur unverständliches Genuschel von sich.
„Ich liege herum.“, antwortete der Schuh trotzdem. Seine Zunge wackelte ein wenig, wenn er redete, und eine Hummel floh überrascht aus seinem Inneren.
„Das sehe ich.“, meinte ich und schluckte herunter. „Aber warum liegt ein so hübscher Schuh einsam im Gebüsch herum?“
„Ich habe meinen Besitzer verloren.“, meinte der Schuh und seufzte.
„Ach.“, sagte ich. Mehr fiel mir dazu nicht ein.
„Aber ich vermisse ihn nicht.“, ergänzte der Schuh. „Nur ein bisschen.“
„Ein bisschen?“, hakte ich nach.
„Naja.“, Der Schuh druckste verlegen herum. „Ich mochte seinen Fuß. Irgendwie. Seinen rechten, natürlich. Nicht, weil er hübsch war oder besonders gut zu mir passte. Er fühlte sich noch nicht einmal sonderlich bequem an. Aber trotzdem… Irgendwas vermisse ich.“
„Den Geruch?“, half ich aus.
Der Lederschuh dachte nach. „Könnte sein.“
„Da kann ich vielleicht helfen.“, sagte ich, entfernte den Käse von meinem restlichen Brötchen und legte ihn in den Schuh.
„Mmmh…“, machte der Schuh und schien sich offensichtlich wohl zu fühlen.
„Bis bald.“, verabschiedete ich mich und biss herzhaft in das nun recht trockene Brötchen.

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