Eines Tages begegnete ich einer Weihnachtskarte.
Vielleicht hatte jemand sie liegen gelassen, vergessen. Vielleicht hatte jemand sie einfach nicht gemocht und einfach an erstbester Stelle unauffällig entsorgt.
Die Karte jedenfall wirkte traurig. Sehr traurig sogar. Zwei kleine tränenfeuchte Flecken wellten bereits das Papier, und es lag mehr als nahe, besorgt zu fragen: „Geht es dir gut?“
„Nein.“, schniefte die Weihnachtskarte. „Mir geht es gar nicht gut.“
„Was ist denn los?“
„Ach.“, sagte die Karte. „Eigentlich nicht viel.“
Die Karte schniefte erneut. Das Papier wurde feuchter.
„Es ist nur … Ich fühle mich nutzlos. Ich liege hier, und niemand braucht mich. Ich fühle mich so unendlich leer.“
Die Weihnachtskarte blickte mich an.
„Ich wünschte, jemand würde diese Leere füllen.“
Die Karte schniefte ein drittes Mal.
„Ich wünschte, jemand würde mich beschreiben.“
Ich betrachtete die Weihnachtskarte. Sie war wirklich hübsch. Das Papier war fest, hochwertig und hatte Struktur. Auf der Vorderseite war eine dicke Schneeflocke mit riesigen Kulleraugen abgedruckt, die „Frohe Schnei-Nachten“ rief. Im Inneren befand sich nichts, nur eine riesige weiße Fläche, die sehnsüchtig darauf wartete, dass jemand sie mit Buchstaben und Wörtern füllte.
„Okay.“, sagte ich zu der Weihnachtskarte. „Ich werde dich beschreiben.“
„Wuhuu!“, freute sich die Karte und drehte mir ihre Innenseite zu.
„Du bist eine Weihnachtskarte im Format DIN A6, einfach gefaltet, aus schwerem Papier, vermutlich 210 Gramm pro Quadratmeter. Auf deiner Vorderseite befindet sich ein hochwertiger Vierfarbendruck, der niedliche Schneeflocke zeigt…“
Ich redete ungefähr 23 Minuten lang.
Ich hatte ein Talent für Beschreibungen.