„Um festliche Garderobe wird gebeten!“

Hatte ich es schon erwähnt? Für mich gibt es einen Doppelgrund zur Freude, der ungefähr so aussieht:

Erwähnt sei, daß das Opeth-Konzert schon übermorgen statfinden wird und ich dementsprechend vorfreudig grinsend meine Eintrittskarte betrachte…

… und daß die Janus-„Winterreise“ ein Ereignis ist, an dem beizuwohnen ich schon bei dessen Erstaufführung gewünscht hatte.
„Um festliche Garderobe wird gebeten!“

[Im Hintergrund: Opeth – „Ghost Reveries“]

Göttliches Äußeres

„Bist du schön?“

Möglicherweise sollte ich es als gut erachten, daß niemand – wenn man mal von meiner Wenigkeit absieht – auf den Gedanken kommt, andere mit dieser durchaus wenig oberflächlichen Frage zu konfrontieren. Doch käme jemand auf diesen Gedanken, wüßte ich bereits, was ich antworten würde- habe ich mir doch diese fragenden Worte bereits mehrere Male unter die Nase ins Ohr gesetzt.

Mein Antwortspektrum wäre allerdings diffus, reichte von „Heute schon.“ über „Eigentlich nicht.“ bis hin zu „Kommt drauf an.“
Denn das tut es.

Es gibt Tage, an denen ich mich gut fühle, wohl in meiner Haut, in denen ich weiß, daß ich gerne ich bin. Dann fühle ich mich auch schön.
Doch ebenso kommen Zeiten, in denen ich mit jegliche [nach außen hin sichtbare – über keine andere rede ich] Schönheit absprechen und mich am liebsten unter Kapuzen und Bettdecken verkriechen würde.

Aber ich weiß, daß ich schön bin – für die richtigen Augen, für jene Augen, die mich schön finden.

Ich weiß. Der Satz beißt sich selbst in den inexistenten Schwanz. Allerdings bestätigt er auch binsensweisheitliche Sprichwörter über die im Auge des Betrachters liegende Schönheit.
Sollten also die betrachtenden Augen meine eigenen sein, so bedarf es nur eines persönlichen Wohlfühlempfindens, um mich in meinen Gedanken als „schön“ bezeichnen zu können.

Allerdings ist selbiges Wohlfühlempfinden nicht zwingend notwendig, um andere als schön zu empfinden [Hier beobachte ich einen eher gegenteiligen Effekt: Die Nähe einer schönen Frau wirt zuweilen durchaus aufbauend und wandelt dadurch Miesepetrigkeit und Tristesse eventuell sogar in erwähntes Wohlbefinden.].

Nachdem ich unlängst einen Mann als attraktiv empfand, scheue ich mich an dieser Stelle noch nicht einmal zuzugeben, daß Schönheit auch maskuline Wesen betreffen kann [obgleich Frauen unabstreitbar – Gibt es dieses Wort überhaupt? – das schönere Geschlecht darstellen].

Es wundert sicherlich niemanden, wenn ich der Welt verkünde, daß ich es mag Schönheit mit meinen Blicken zu berühren, zu streifen, zu erahnen [Wobei erwähnt sei, daß ich auch hier dem femininen Geschlecht den Vorzug gebe.].

Jedoch fiel und fällt es auf, daß ich, der es mag, Menschen jedweder Art zu betrachten, ihre Geschichte zu erraten, der Menschen gerne offen und neugierig in die Augen blickt, um zu erfahren, was hinter der Hülle des Äußeren zu finden ist, Schwierigkeiten damit habe, schönen Frauen in die Augen schauen, sie länger als einen Moment lang fixieren zu können. Ich scheue mich, die Schönheit mit meinen aufdringlichen Blicken zu belästigen.

‚Woran liegt das?‘, frage ich mich und suche die Antwort überall, vor allem in dem Standard-Übeltäter Nummer 1: die Medien.
Schönheit wird seit jeher als unantastbar, überirdisch, anbetungswürdig, ja fast göttlich, dargestellt. Millionen von Gedichten und Liedern berichten über schöne Menschen, die durch ihr Äußeres zu bezaubern vermocht hatten.

Ist also in mir der Respekt vor schönen Menschen derart gewaltig, daß ich lieber beschämt-schüchtern zu Boden blicke, als sie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen? Glaube ich – und jeder andere, der ähnlich agiert – wirklich, daß Schönheit etwas Göttliches in sich trägt, vor dessen Antlitz jeder Unwürdige sein Haupt zu senken hat?

Ich bin mir nicht sicher, weiß ich doch zum einen, daß es mir leicht fällt, eine schöne Frau zu betrachten, solange ihre Blicke mich nicht streifen, solange sie mich nicht bemerkt, nicht wahrnimmt, und zum anderen, daß viele Menschen sich keineswegs mit dem erwähnten Respekt belasten. Aber vielleicht fehlt ihnen auch allgemein der Respekt vor irgendetwas und das Feingespür, Schönheit zu erkennen, wenn sie sich nicht auf die Dimensionen sekundärer Geschlechtsmerkmale beschränkt.

Ich weiß es nicht, doch beschloß ich unlängst, nicht länger niederzublicken, sondern der Schönheit in die Augen zu sehen, nicht respektlos, sondern voll von ehrlicher Offenheit, voll von Neugierde, voll von Interesse an ihr und ihrem Sein.

Äußerliche Schönheit ist nur eine Maskerade.
Zuweilen bedarf es nur eines einzigen Wortes, um unschöne Risse in der vermeintlichen Schönheit erkennen zu lassen.
Zuweilen bedarf es nur eines Lächelns, um das vermeintlich Normale mit unendlicher Schönheit zu segnen.

‚Vielleicht auch das meine.‘, denke ich – und lächle.

[Im Hintergrund: Mortal Love – „All The Beauty“]

Kontoauszugsdruckerquälerei

In Anbetracht dessen, daß ich es schon seit Jahren vorziehe, meine Bankgeschäfte online zu vollziehen, erscheint mir die Erfindung der Kontoauszugsdrucker nur insoweit sinnvoll, als daß die an diesen Maschinen abrufbaren Kontodaten online nur über einen begrenzten Zeitraum verfügbar sind.

Um also auch in Zukunft einen Blick in meine finanzielle Vergangenheit werfen zu können, bedarf es bedruckten Papiers und somit eines gelegentlichen Gangs zu einer nahegelegenen Bankfiliale, in der ich den Kontoauszugsdrucker hämisch grinsend mit meiner Bankkarte füttere.

Schließlich weiß ich schon jetzt, was passieren wird:
Der Drucker wird arbeiten und arbeiten, laute mechanische Geräusche von sich geben, seine intensive Tätigkeit bezeugend, wird kaum bemerkbar hin- und herruckeln und ein Blatt nach dem anderen ausspucken, solange, bis der Kontoauszugsauswurfschlitz überfüllt ist und ich zur Entnahme der bisherigen Ausrucke aufgefordert werde.
„Es folgen weitere.“, verkündet mir die Anzeige und ich grinse weiter in mich hinein.

Allmählich wird mir langweilig. Ich wandere in der Bankfiliale umher, betrachte den aushängenden Plakate, sehe immer wieder zum Drucker, der emsig vor sich hinrattert, entdecke, daß dieser auch mit Braille-Schrift versehen ist und versuche vergeblich, mit geschlossenen Augen die einzelnen Buchstaben zu ertasten.
Ich weiß, wie sich ein „O“ aussieht, doch erkennne es nicht unter meinen Fingern.

Die Bankkarte springt aus dem Schlitz, die letzte Seite wird gedruckt und – bereichert um einen dicken Papierstapel aus Kontoauszügen -begebe ich mich auf den Heimweg.

[Im Hintergrund: VAST – „What Else Do I Need“]

Menschen 19: Ei, ei, ei, was seh ich da…

In der Nähe des straßenbahnverkehrstechnisch überfluteten Alten Markts entdecke ich ein älteres Paar. „Älter“ ist maßlos untertrieben, haben doch die beiden die amtliche Grenze zum Rentnerdasein längst überschritten.
‚Zwei alte Leute. Wahrscheinlich verheiratet.‘, denke ich, „Nichts Außergewöhnliches.“

Doch dann schaue ich zwischen sie, schaue auf seine rechte und ihre linke Hand – und lächle. Das Rentnerpaar hält Händchen, als wären sie frisch verliebt, als wären sie Jugendliche, die aller Welt ihre Liebe, ihre Zusammengehörigkeit demonstrieren wollen.

Ich lächle, als ich bemerke, wie sie in alle Richtungen schauen, sich fragend, welche Straßenbahn die richtige sei, sich in ihrer Verwirrung noch fester aneinander klammernd, Schutz suchend in der Nähe des anderen.

Zu gern hätte ich sie über die Geschichte ihrer Liebe befragt. Doch ich traute mich nicht, wagte nicht, dieses Beisammensein mit meiner Anwesenheit zu stören, ging weiter, noch immer lächelnd.

[Im Hintergrund: Vanitas – „Das Leben ein Traum“]

proud

Ich las vorhin den Satz:
Ich bin stolz, ein Produkt meiner Eltern zu sein.
Dachte darüber nach.
Stimmte zu.

[Im Hintergrund: Vanitas – „Das Leben ein Traum“]

Die heilige Hexe

Nett, daß man das Wort „Sandwich“ auch falsch aussprechen kann:
„Saint Witch“.
Ein schnuckliges Oxymoron.

[P.S.: Ja, so etwas finde ich amüsant.]

[Im Hintergrund: Memoria – „Children Of The Doom“]

Licht gegen Dunkel – Buch gegen Film: „Wächter der Nacht“

Als ich unlängst im Kino die Vorschau für den ersten Teil des dreiteiligen, in Rußland überraschend erfolgreichen Films „Wächter der Nacht – Nochnoi Dozor“ sah, vermochte ich mich nicht zu entscheiden, ob ich den Versuch, eine fantastische Horrorgeschichte auf Leinwand zu bannen, verurteilen oder über die Unbeholfenheit lachen sollte.

Schließlich entdeckte ich innerhalb der wenigen Sekunden, die der Trailer andauerte, so viele Ideen und Gedanken, die im Bereich fantastischer Literatur und Film bereits Hunderte, vielleicht Tausende Male erwähnt und aufgegriffen worden waren, daß dieses russische Werk wie ein schlecht zusammengekittete Fetzensammlung ausgeleierter Klischees wirkte.
Eine Möchtegerndunkelheit wurde proklamiert, die vielleicht für sechzehnjährige Pimkiegruftis mit Lacrimosa-Faible und HIM-Aufnähern attraktiv wirken mochte, doch mich in seiner Lächerlichkeit eher abstieß und den groß angekündigten Dreiteiler als dem Schwarztrend folgende Albernheit bewerten und mit künftiger Ignoranz betrachten ließ.

Aber etwas in mir schien Feuer gefangen zu haben, geschieht es doch nicht alle Tage, daß ein russischer Film auch bei uns Erfolge zu verbuchen versucht. Und so war es nicht verwunderlich, daß ich, in einer Buchhandlung stöbernd, stehenblieb, als ich eines Werkes gewahr wurde, das unauffällig auf einem Regalboden des Fantasybereichs lag:
Sergej Lukianenko – „Wächter der Nacht“

‚Das kann doch kein Zufall sein.‘, dachte ich und entdeckte auch gleich einen kleinen Aufkleber auf dem Buchumschlag, der auf den am 29. September in deutschen Kinos anlaufenden Film verwies. Dennoch war ich neugierig, fühlte mich vielleicht aufgrund achtjährigen Russischunterrichts und der langjährigen Rußland-Erfahrungen meiner Eltern [Immerhin hatten sie sich in diesem Land kennengelernt.] mit dem Herkunftsland des 500-Seiten-Werkes verbunden, stellte fest, daß der Film, besser: die Filme, nach der Vorlage dieses Buches geschaffen worden waren [Ich verachte Bücher-Zum-Film, also die Bücher, die erst aus dem Drehbuch heraus entstehen.] – und beschloß spontan, das Buch zu kaufen.

Das war vor zwei Tagen.
Soeben beendete ich die Lektüre der letzten Seite, legte das Werk beiseite und versuche, im Geiste, den angekündigten Film mit dem Buch zu vergleichen.
Es gelingt mir nur schwer, muß ich doch zugeben, bekannte Ideen auch auf den einzelnen Seiten wiederzufinden.

Anstelle himmlischer und höllischer Heerscharen, die einander kriegerisch gegenüberstehen und nur auf den richtigen Augenblick warten, um sich in die Letzte Schlacht zu stürzen – und dabei vielleicht sogar die Erde als Schlachtfeld wählen – gibt es andere Protagonisten, Dunkel und Licht, die einen Vertrag miteinander schlossen, um miteinander auskommen zu können und nicht – wie in Vergangenheit wohl nahezu vollständig geschehen – einander auszulöschen.

Soweit nicht viel Neues. Was neu ist, ist die Art und Weise, wie die beiden Parteien miteinander umgehen, welche regeln sie zu beachten haben, ja sogar, wie die Frage gestellt wird, was das Dunkel, was das Licht eigentlich ist.

Jede gute Tat, die das Gleichgewicht verletzen könnte, darf mit einer bösen ausgeglichen werden. Für die Einhaltung der Regeln, des Vertrages, sorgen Tag- und Nachtwache, Dunkle und Lichte.

Auch das wirkt nicht neu – und ist es doch. Denn mittendrin steht Anton, ein Lichte niederer Stufe, der nahezu mit jeder Zeile die regeln zu verstehen versucht, Fragen stellt, die den Leser klar werden lassen, daß die Abtrennung zwischen Dunkelheit und Licht keine gerade Linie ist, sondern ein schwammiger, verwischter Bereich, der je mehr Fragen aufwirft, je mehr Antworten gefunden werden.

Lichte agieren mittels der Lüge, Dunkle mit der Wahrheit, versuchen beide, die Menschen in die – für sie – „richtige“ Richtung zu weisen und stoßen immer wieder an Grenzen, auf Fäden des Schicksals, auf Intrigen, auf Versehungen.

Anton wird davon nicht verschont, versucht zu verstehen, doch fehlt ihm zumeist der Durchblick, läßt auch den Leser im Unklaren.
Während er den von seinen Vorgesetzten und Gegnern gesponnenen Fäden zu entkommen versucht, verirrt er sich tiefer in ihren Netzen, agiert dadurch, daß er eigenständig denkt und handelt, zuweilen als Puppe, als Schachfigur in einem unverständlichen Spiel Schwarz gegen Weiß, Weiß gegen Schwarz.

Jedes mühevoll erwirkte Licht kann Dunkel mit sich ziehen, jedes Dunkel Licht. Es ist, als gäbe es keinen Weg als den des ewigen Stillstands beider Seiten.
Und doch ist es nur ein Belauern, ein Warten, ein Abwägen der eigenen Möglichkeiten, ein Kalter Krieg, der um die nichtsahnenden Menschen herum, im Zwielicht, tobt.

Aber auch die Menschen ahnen, fühlen Stiche in der Seele, fühlen Glück – je nachdem, welche Seite gerade obsiegt.
Menschen sind leicht zu beeinflussen. Das Dunkel ist dabei stets attraktiver als das Licht – und läßt einen Endsieg der Dunklen in fernern Zukunft erwarten.
Doch egal, in welche Richtung Menschen bewegt werden, sie fühlen sich am wohlsten, dürfen sie sich für beide Seiten entscheiden, sowohl Dunkel als auch Licht wählen, sie selbst sein.

Es gibt in diesem Buch nicht das überall proklamierte „Absolut Böse“. Dunkelheit kann aus winzigsten Unstimmigkeiten, aus Unzufriedenheiten, resultieren – und nur die Anderen, die Lichten und Dunklen, jene, welche im Zwielicht wandeln können, spüren ihre Manifestation.

Die große Schlacht, das Armageddon bleibt aus, begegnet man doch all dem aus der Sicht Antons, der mit den ewigen Fragen aus dem Blickwinkel eines Zweiflers, eines Halbwissenden konfrontiert wird. Er sucht sich selbst, seine Rolle als Lichter und versucht, sie zu verstehen – was schwer genug fällt in Anbetracht der unlösbaren Verstrickung beider Seiten.

Das Buch stellt keine gewöhnliche Fantasygeschichte mit guten und bösen Menschen dar, sondern den Weg eines Menschen, der zum Anderen ward, der hinterfragt, was er ist, was er will, wofür er zu kämpfen hat, eines Suchenden, der finden will, doch von höheren Mächten benutzt wird, in Fallen tappt, sie durchschaut, um weiteren Irrwegen zu folgen, und letztendlich doch wieder einen Pfad in die für ihn richtige Richtung zu entdecken.

Die Stimmung des Romans ist düster, es fehlt das übliche Heldengeschwafel, die überzeugte Sicherheit der guten, hellen Seite, mit der das Böse bekämpft werden soll.
Ich war beeindruckt.

Der bald anlaufende Film „Wächter der Nacht – Nochnoi Dozor“ ist als Dreiteiler geplant, was mich vermuten läßt, daß jeder einzelne Teil eine der drei Geschichten des Buches zum Inhalt haben wird.
Doch auch eine Fortsetzung des Buches wird es geben – „Wächter des Tages“.

Bis jetzt bin ich mir im Unklaren darüber, ob der Film mittels der erwähnten, wahrlich schlechten Trailers nur minderwertig angekündigt wurde oder ob die Verfilmung des Buches, das mich angenehm überraschte, vollkommen mißlang, ob zu viel Wert darauf gelegt wurde, die Nebensächlichkeiten, die Hintergründe, zu dokumentieren als die tatsächliche Geschichte des Anton Gorodezki, ob ich mir diesen Film mit seinen drei Teilen ansehen, antun, mich zu den mit Nickelpentagrammen bestückten Pseudogruftis gesellen sollte, oder es bei dem Buch belassen, das bei Weitem gut genug war, um es bedenkenlos weiterempfehlen zu können.

Abwarten.

Hoffnung, wo ich keine suchte

Es ist, als erwache ich aus einem Traum, einem trüben, schmerzlich-süßen Traum, einem, der mich in eine angenehme Leichtigkeit hüllte und diese bis jetzt, bis hinein in das langsame, zögerliche Erwachen, das unsichere Blinzeln in das grelle Licht des Tages, andauern, ja wachsen läßt. Ich fühle mich frei, sicherlich nur für Momente, doch frei genug, um zu lächeln, mich zu erheben, fast zu schweben, als wäre ich nicht länger gefangen, gefesselt an das Jetzt, an das welkende Gestern, an das drohende Morgen.

Ich sehe auf, lege das Buch beiseite, das bis eben noch meine Gedanken, meine Blicke absorbierte, betrachte mich wie einen Fremden, einen liebgewonnenen Fremden, dem zu vertrauen ich endlich bereit bin.

Ich betrachte die Zeiger der monoton tickenden Küchenuhr, begreife, daß ihre Reise zu weit fortgeschritten ist, um ihnen noch hinterhereilen, sie einholen zu wollen, doch störe mich nicht daran, kümmere scheinbar verlorene Vergangenheiten, atme tief und ruhig, als müßte ich jedes Gramm Luft einzeln sondieren, in meinen Lungen spüren.

‚Es ist, als fände ich Hoffnung, wo ich keine suchte.‘, stelle ich fest und lasse mich treiben, in mir, in meinen Gedanken, in der von ergreifender Musik festlich bemalten Stille um mich herum.

Und während ich aus dem schmutzversehrten Fenster blicke, den mit Wolkenschatten beklebten Himmel betrachte, vergeblich um die Stimme eines geliebten Menschen an meinem lauschenden Ohr bitte, begreife ich, daß ich nicht darauf verzichten möchte, in diesem Augenblick zu leben, ich zu sein, meine Gedanken zu denken, ja auch meine Ängste zu spüren.

Das Lächeln lauert in meinen Mundwinkeln und scheint jede Tat für möglich, jede Sorge für lösbar zu halten.
Kann ich ihm glauben?

‚Ich will.‘, denke ich, mich eines alten Liedes erinnernd, greife mein Jacket, gehe hinaus und schlendere leichtfüßig durch die Straßen, als könnte mir die Welt heute nichts anhaben.

[Im Hintergrund: Stillste Stund – „Biestblut“]

Brotgedanken

Warum scheint es in Deutschland nicht [mehr] möglich zu sein, Brötchen und Weißbrot so herzustellen zu backen, daß ihre Konsistenz als „normal“ bezeichnet werden kann und nicht in irgendwelche albernen Extreme ausartet?

An dem superwatteweichfluffigen Inneren und dem kackigleckerkrossen Äußeren des gerstern erworbenen Weißbrots haben sich bereits sowohl elektrische Brotschneidemaschine als auch Brotmesser vergeblich versucht, so daß mir nun nichts weiter verbleibt, als mir das Brot in zerrupften Stückchen einzuverleiben…

[Im Hintergrund: Samsas Traum – „A.ura und das Schnecken.Haus“]

Morgendlicher Ohrwurm 33: Der Spiegel sieht mich nicht

Als ich erwachte, vermißte ich den üblichen Lärm. Es ist albern, dergleichen zu vermissen, wenn der eigene Wecker sich alle Mühe gibt, möglichst viel Krach zu verbreiten, um sein Opfer aus den weichen, mit schier magischer Anziehungskraft bestückten Kissen zu vertreiben. Und doch vermißte ich das Hämmern und Bohren, das Sägen und Schreien. Es war zu ruhig.

Ich erinnerte mich Traumes, der noch immer wie ein Schleier vor meinen Blicken schwebte. Sehnsucht vermischte verschiedene Gestalten meiner Vergangenheit, meiner Gegenwart, formte ein süßes Bild, das mich gefangenzunehmen versuchte, mich festhielt und den Abschied aus der Traumwelt zu einem bitteren Schmerz wandelte, zu einem Stein inmitten federleichter Gedanken, der die unangenehme Erkenntnis in sich barg, daß der Traum eben nur ein solcher gewesen war.

Seufzend erhob ich mich, ignorierte den Wecker, der sich noch immer bemühte, unerträglichen Lärm von sich zu geben, und lauschte den Klängen in meinem Kopf, dem heutigen Ohrwurm:

„Das da ist ein Mann,
Sieh‘ ihn Dir noch einmal an,
Der mit langen oder kurzen Messern
Brot in Scheiben schneiden kann.

Doch wer nicht einmal das schafft,
Hat erst recht nicht die Kraft
Dazu, fünf Kinder zu ernähr’n
Und eine Frau so zu begehr’n
Wie sie es mag, Tag für Tag.“

[Aus: Samsas Traum – „Der Spiegel sieht mich nicht“]