rotation

nachts rotiere ich in träumen
kreise wege um dein haupt
verirre drehend mich und finde
den pfad zurück
zu dir.

die kreise werden kleiner
die wege werden kürzer
die blicke suchen mitten
erfinden
finden dich.

und schließ ich jedes auge
fließt jeder traum in bahnen
ein orbit der gedanken
um deine stirn
gelegt.

ein blinder kinderkreisel
die wege werden schneller
das zentrum meiner pfade
erträumt
erwartet mich.

der kreis gerinnt zum punkt
zum schrei
zum nichts, das mich empfing
ein leerer lufthauch
grüßt mich kalt
mit vakuum und kuß.

www.bluthand.de

[Im Hintergrund: The Dresden Dolls – „A Is For Accident [live]“]

Wider die Anhänglichkeit

Was ich befürchte und heute einen Moment lang als vermutlich wahr erachtete, ist, daß ich, sollte ich mich irgendwann [wieder] in eine Beziehung begeben, nicht minder anhänglich und nervig sein, nicht minder selbstbezweifelnd und sie-suchend, als ich es früher, einst, war. Ich befürchte, daß ich noch immer in stillen Momenten falsche Fragen in meine Sinne flüstere und mir noch falschere Antworten erdenke, befürchte anhänglich zu sein, fast so, als benötigte ich eine absolute, hundertprozentige Sicherheit [die es niemals geben kann], um mich zu beruhigen, ihr, die ich liebe, nicht zweifelnd hinterhersinnen zu müssen.

Ich befürchte, daß meine Anhänglichkeit, ja meine Angst, sie zu verlieren, mein Wunsch, ihr stetig und immer nahe zu sein, Dimensionen annehmen wird, die ich nicht wünsche, die sie vertreiben, sie abschrecken werden, befürchte, zu furchtsam zu sein, um auf lange Zeit attraktiv zu wirken, befürchte, durch die vermeintliche Intensität meiner Liebe gezwungen zu sein, die ihre immer wieder in Frage zu stellen.

Nicht weniger fürchte ich mich vor dem Erwachen, vor der Erkenntnis und vor der darauf folgenden Entschuldigung, vor den Beteuerungen, vor dem Wunsch nach Verzeihung, vor den daraus resultierenden zusätzlichen Aufmerksamkeiten und Liebenswürdigkeiten, die mich nicht nur ihrer Liebe versichern, sondern sie von der meinen überzeugen sollen, die – falls die vergangenen Aufdringlichkeiten nicht intensiv genug gewesen waren – das Gesuch nach Nähe wiederholen, steigern, vielleicht ins Unermeßliche, Unerträgliche. Ich befürchte gar, mich, sollte sich zeigen, daß meine Sorge vergebens, meine Sucht nach Nähe für sie erträglich gewesen war, in Entschuldigungen immenser Anzahl zu verlieren – und dadurch letztendlich doch einen Grund zu schaffen, der ein Verzeihen notwendig macht.

Derlei Gedanken besänftigte ich mit einem einzigen, bedeutsamen Satz, der vielleicht endlose Weisheit enthält, vielleicht jedoch unbedeutend wird – angesichts der unzähligen Möglichkeiten drohenden Verlusts:
„Sobald ich weiß, fühle, daß sie mich liebt, sobald ich spüre, ihr bedenkenlos vertrauen zu können, wird sich jede Aufdringlichkeit, jede Furcht verflüchtigen, als wäre derlei nur ein wehender Schatten, ein lächerlicher Traum, gewesen.“

Und vielleicht habe ich recht damit, mich mit diesen Worten zu trösten, bedarf es doch nur weniger versichernder Zeichen, um mich in vollkommenem Vertrauen aufzulösen. Doch was, wenn ich nicht recht behalte? Was, wenn sie nicht die Zeichen sendet, die ich erwarte, sondern andere, für die ich zu blind, zu verbohrt in mein eigenes, albernes Denken bin?
Was, wenn ich sie verliere, bloß weil ich befürchte, sie zu verlieren?

In diesen Augenblicken komme ich zu Besinnung und lächle gnädig über meine obigen Worte.
‚Es wird sich ergeben.‘, denke ich zuversichtlich, voller Vertrauen in die Zukunft, voller Vertrauen in sie, die irgendwann in mein innerstes Leben treten wird.

[Im Hintergrund: The Dresden Dolls – „The Dresden Dolls“]

innehalten

durch die sinne rauscht der wind
mir entgegen
zieht vobei
hält mich fest
momente nur
und läßt mich weitereilen.

der bewegung folge ich
im sprint dem jetzt entfliehend
die welt verschmiert
in meinem blick
bleibt hinter mir zurück.

im flug gefangen stürze ich
der drang nach vorn gefriert
und klebrig harrt der augenblick
raubt unter mir den grund.

grau und grauen werfen sich
in stummer wucht in mein gesicht
durchfahrend sinn und sinne
mit graugestein und sein.

durch den schädel rauscht der wind
singt längst verlorne lieder
die rote blüte auf beton
verblüht, verwelkt, verrinnt.

www.bluthand.de

[Im Hintergrund: The Dresden Dolls – „The Dresden Dolls“]

Beobachtungen

In Stadtfeld, einem politisch eher links orientierten Stadtteil Magdeburgs, versammelten sich unzählige Polizisten. Überall standen sie, musterten mich, musterten jeden, als wären alle verdächtig.
Hin und wieder begegneten mir Punks, teilweise mit den fast traditionellen Bierflaschen bestückt. Ihre Zahl unterschritt die der Polizisten bei weitem…

In der Nähe des Alten Markts hatte die MLPD ihren Stand aufgebaut. Ich sah nicht viel, außer ein paar Tischen und einigen Plakaten. Was jedoch aus den Boxen kam, vernahm ich deutlich: Deutscher Hiphop von Sido und Konsorten.
Ich wunderte mich, hätte ich diese Musik doch eher in eine rechts orientierte Ecke gesteckt.

Vor dem Landestheater standen unzählige Männer und Frauen in Anzügen und Kleidern. Es war kurz vor elf am Samstag Morgen, und nachdem ich mich darüber gewundert hatte, daß die Innenstadt um diese Uhrzeit überhaupt schon so belebt war, verwirrte mich die vor dem Theater wartende, herumstehende, gut gekleidete Menschenmasse erst recht.
Während ich vorbeifuhr, glaubte ich das Wappen eines Sportvereins zu entdecken. Der SCM vielleicht? Doch was wollte der im Theater?
[Meine Recherchen ergaben, daß dort heute die Festveranstaltung „50 Jahre SCM“ stattfindet. Ich freue mich allerdings, das SCM-Wappen im Vorbeifahren erkannt zu haben, ohne mich jemals für diesen Bundesligahandballverein interessiert zu haben.]

Die Bibliothekseingangswächter, die mich in letzter Zeit nicht nur von der bibliotheksinternen Flüssigkeitsaufnahme abhielten, sondern auch immer mal wieder um die Tische herumschlichen, ob nicht ein böser, böser Student heimlich irgendetwas Unerlaubtes eingeschleust hat, scheinen Samstags nicht zu arbeiten. Theoretisch könnte ich mich also mit Bierkasten und Chipstüten bestücken und dann anfangen zu lernen – insofern es mir gelänge, die Nahrungsmittelvorräte vor den restlichen Bibliotheksmitarbeitern zu verbergen und meine Abneigung gegen Chips und vor allem Bier zu überwinden…

Fundstück

Als ich die Bibliothek betrat, fand ich auf einem Tisch einen Schmierzettel, auf dem neben kryptischen allerlei Bemerkungen der Ausschnitt eines Gedichtes meine Blicke auf sich zog. Neuigierig las ich, und war angetan, suchte im Internet und fand hier das Folgende.
[Sobald sich Gelegenheit ergibt, werde ich mich eingehender mit dem Autoren und seinem Werk befassen.]

Johannes Bobrowski
„Die Daubas“

[1954]

Droben schwang der Wind.
Wir lebten am Fluss in den Hütten.
Dunkelnd die Ufer hinauf,
tönte das Schilf.

Wir waren Kinder mit unsern
Herzen. Die sangen uns jahrhin.
Anders nicht als die Erde
kamen Fröste und Regen,
Blitz und Gewölk, wie die Zeit –

wie die Zeit,
die wir nahmen
und gaben sie aus den Händen,
rot von Früchten. Die Winter
flossen ins Licht.

Das ist vergangen.
Wir ließen die Dörfer dem Sande.
Kaum wie ein Flößerruf
zogen wir fort.

Folgend der Bitternis, legen
wir Holz zu den Feuern der Fremde,
wissen ein Lied noch: einst
blühte der Apfelbaum.

Wo denn
wollen wir bleiben?
Immer ist es die Erde,
der Grund, da wir liegen werden.
Die Kinder
finden das Dorf nicht.

Aber die Gärten, der Schilfstrich
am Strom – jenes Uferland Daubas –
gilbende Scheunen –
und das Gespann, das vom Wald kam –
der Habicht im leeren Blau –

noch verfärbts uns die Blicke.
So treten wir unter den Bogen
dieser Jahre. Und zählen
unsre Freuden der Erde zu. –

Fühlend das Blut in den Schläfen,
das Haar zu streichen den Töchtern,
abends sprichst du: Komm,
Liebste, du bleibst noch – so
sehn ich mich nicht.

War ja klar

Es nützt nichts, die knapp 2,7 Kilometer durch die Innenstadt in nur etwa sieben Minuten zurückzulegen – mit dem Fahrrad, versteht sich -, vier Minuten vor Ladenschluß der Postbeamtin atemlos und stolz entgegenzublicken, mit feuchtwarmen Schweißbächen auf der Haut den Brief abzugeben, mit Höchstgeschwindigkeit zu naheliegenden Karstadt zu eilen, in die Technikabteilung zu Reklamationszwecken zu weilen – und dann das zurückzugebende technische Gerät vergessen zu haben.

[Genausowenig nützt es, tagelang sowohl in Magdeburg als auch in Halle nach hochzeitsgeeigneten Klamotten zu suchen, in einem alternativen Lädchen endlich fündig zu werden und freudig nicht allzu viel Geld auszugeben, sich stolz mit neuem Gewand vor Mutter und Mitbewohnern zu zeigen, die Kleidungsstücke mit Sorgfalt zu bügeln und mit größerer Sorgfalt aufzuhängen – um dann auf dem Weg zu der in der Slowakei stattfindenden Hochzeit, kurz vor Bratislava, zu bemerken, die wundervollen Kleidungsstücke zu Hause auf dem Bügel vergessen zu haben.

[Derartiges wird von meinem lieben Freund G übrigens als „einen Bastian machen“ bezeichnet.]

P.S.: „Einen Bastian machen“ ist unter meinen Mitbewohnern allerdings die Bezeichnung dafür, etwas Sinnbefreites, Pseudokomisches oder ein schlechtes Wortspiel von sich zu geben. ]

Herbst: Lenkte Einsam Meinen Schritt…

Das Gold des Herbstes nahm die Welt
doch es war stumpf und grau verhangen
Braun durchzog Verfall die Weiten
Trug zu Grabe, was vergangen

Wind schwoll an in kalten Chören
Nebel hob sich von den Flüssen
Rief das Moor bis an die Ufer
Unter kalten Regengüssen

Das Land wand sich in Hagelstürmen
Herbstlaub, Schlamm und Nebelfelder
Es ertrank in meinen Sorgen
Wolken, Wind und leere Wälder

Denn ich spürte fernes Unheil
Fühlte Jammer, Leid und Weh
Weiter zog ich, fort und fort
Vom Hagel in den ersten Schnee

Wie des Landes Leichentuch
Eisig flieht die weiße Pracht
Lautlos, kalt und unerbittlich
Tag um Tag und Nacht um Nacht

Und ich zog in großer Eile
Lenkte einsam meinen Schritt
Um noch Hoffnung in mir zu retten
Die da schwand mit jedem Tritt

[Nocte Obducta]

[Im Hintergrund: Nocte Obducta – „Nektar I: Zwölf Monde, eine Hand voll Träume“]