Morgenwurm 52: Anfang

Der berühmte erste Schritt.

Nicht umsonst werden Montage verachtet. Eine neue Woche beginnt, und es fällt schwer, die nötige Zuversicht aufzubringen, um ihr begegnen zu wollen. Das Wochenende lächelt noch heiter in gestrigen Gedanken.

Nicht umsonst werden Morgende verachtet. Das unsanfte Entreißen aus traumwarmen Welten hinein in Wirklichkeit und Pflicht.

Und doch.

Ich mag es, wenn die Woche anbricht, wenn Erlebtes noch im Herzen schlummert und weiteres darauf wartet, gefunden zu werden. Ich mag es aufzuwachen, mag es einen neuen Tag zu erahnen, seine Möglichkeiten mich locken zu lassen.

Und doch.

Die wärmende Weichheit der Decken klammert sich an mich fest, und nur die Verlockung auf weitere Hitze, feucht auf mich herabregnend, überredet mich, den ersten Schritt zu tun. Der kein Schritt ist. Eher ein Sturz ohne Aufprall.

Als ich dem dampfenden Badezimmer entweiche, findet mich die Kälte. ‚Gib dir keine Mühe.‘, denke ich. ‚In wenigen Minuten bin ich ohnehin bei dir, draußen, wo Minusgrade an meinem schützenden Körperwulst knabbern und mein Rad mich durch den Winter trägt. Gibt dir keine Mühe.‘

Kaum habe ich die ersten Kleidungsstücke übergeworfen, schweigt die Kälte, wartet auf ihren großen Moment. Geduldig lässt sie mich gewähren, mein Frühstück vertilgen und dem Lied in meinen Ohren lauschen.


Solstafír – „Fjara“