Menschen 17: Begegnung mit einem Jungen

Es sind Sommerferien.

Das begreife ich spätestens, als ich bemerke, daß sich in der gesamten McDonalds-Filiale nur noch ein einziger, freier Tisch befindet, an dem ich mich platzieren kann – inmitten des Raumes. Normalerweise bevorzuge ich, irgendwo am Rand zu sitzen, den Rest der Welt in Augenschein nehmen zu können, unbeobachteter Beobachter zu sein.

Doch mir bleibt keine Alternative; ich lasse mich nieder, krame mein Buch aus dem Rucksack und verstecke mich dahinter, lese, während ich die geschmacklich wenig beeindruckenden, aber immerhin vorübergehend sättigenden Komponenten meiner Mahlzeit in mich hineinschaufle.

Als sich die Nahrungsaufnahmeprozedur einem Ende nähert, stehen plötzlich vom Nebentisch zwei Personen auf, die mein Interesse auf sich ziehen: Eine ältere, relativ unscheinbare Frau, die ich auf Ende Dreißig schätze und ein vielleicht dreizehnjärhiger Junge, dem seine Krankheit, besser: sein Defekt, sofort anzusehen ist. Er hat Trisomie 21, auch als Mongoloismus oder Down-Syndrom bekannt.

Neugierig betrachte ich ihn. Er schaut zurück. Ich bemühe mich, nicht mitleidig, nicht abwertend zu blicken – nur offen, interessiert.

Seine Mutter geht an mir vorbei, bringt ihr Tablett weg. Der Junge folgt, geht ohne Zögern auf mich zu und streckt mir seine Hand entgegen:
„Hi!“

Für einen Augenblick bin ich verdutzt, dann freue ich mich, daß es die linke Hand ist, die er mir reicht, da meine rechte mit Nahrungsmittelimitaten vollgestopft ist. Lächelnd schlage ich ein:
„Hallo.“

Seine Hand ist warm und weich, fühlt sich durchaus angenehm, normal, an.
„Hi.“, sagt er nochmal, grinst, zieht seine Hand zurück und schaut mich an.
„Hat’s geschmeckt?“ frage ich ihn. Er nickt, grinst wieder vergnügt und reibt sich woglig den Bauch. Die Mutter sieht ihn an, offensichtlich wenig begeistert.

„Tschüß.“, verabschiedet sich der Junge.
„Tschüß.“, antworte ich herzlich.

Und während ich den beiden nachsehe, entdecke ich an einem anderen Tisch eine Frau, die ihren normalgeratenen Sohn geistesabwesend streichelt, als wolle sie sich vergewissern, ja bedanken, daß er nicht behindert sei.