Sicherlich gehört es zu den typischen Klischees, die man einer Frau anlastet, daß sie in Zeiten des Frust, fehlender Wärme und unverrückbarer Selbstunzufriedenheit ihr Glück auf anderem Wege zu beschaffen versucht, eine Art Ausgleichsglück zu erwirken wünscht.
Dafür gibt es – dem Klischee folgend – [mindestens] zwei Varianten:
1. Einkaufen
Das Stadtzentrum wird zur Zone potentiell erwerbarer Objekte, der eigene Körper zur Ankleidepuppe. Schuhe, Kleider, Make-Up. Was gefällt oder preiswert ist, wird in die Umkleidekabine genommen und anprobiert oder gleich vor Ort einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Und stellt man vor heimischem Spiegel – oder auch schon vor dem im Geschäft – fest, wie gut man doch mit dem neuerworbenen Equipment aussieht, vermag der neugefundene Seelenfrieden einen Teil des alten Ärgers zu bedecken.
[Die Möglichkeit, sich selbst als zu unförmig, zu fett, zu betrachten oder sich auf andere Art und Weise in keinem der gewählten Kleider oder Accessoires wohlzufühlen, ignoriere ich trotz ihrer nicht geringwahrscheinlichen Existenz.]
2. Essen
Amerikanische Fernsehserien machen es zur Genüge vor: Gefrustete Frauen stopfen tonnenweise Eis und Schokolade in sich hinein, kennen sich selbst, ihrer eigenen Figur, gegenüber kein Erbarmen.
Und tatsächlich: Gegen Wut, Angst, Unzufriedenheit und allerlei andere Seelennöte hilft Süßes, hilft Schokolade, hilft Essen, vielleicht nicht übermäßig viel, doch zumindest genug, um einem wohligen Genuß zu frönen, der einen weiteren Teil des alten Ärgeres verbirgt.
Eine Kombination von Einkaufsorgie mit einem Besuch beim Lieblingseisitaliener könnte demnach Wunder bewirken – glaubt man den gängigen Klischees [die möglicherweise einen wahren Kern in sich verbergen].
Ich bin keine Frau, fühle mich auch nicht sonderlich weiblich.
Und doch kam ich gerade beglückt aus der Innenstadt zurück, in die ich ursprünglich zu Mensabesuchszwecken geflüchtet war.
Schließlich hatte man mir nach einem – aus meiner Sicht äußerst angenehmen – Praktikumsvorstellungsgespräch eine Absage erteilt. Hätte mich irgendwer beobachtet, so hätte er/sie äußerlich keine emotionale Regung an mir wahrnehmen können. Doch irgendwo in der Tiefe meines Schädel lauerte die unterdrückte Frage nach dem Warum, begehrte zu erfahren, was besser hätte laufen sollen, was an mir, an meinem Auftreten, unzureichend gewesen sein könnte.
Offensichtlich bohrte die Frage doch drängender in mir, als es mir bewußt, als es von mir gewünscht war, kam ich doch soeben nach Hause und bekam Gelegenheit, mich selbst und meien Mitbringsel zu betrachten:
Anstelle von Kleidern, Schuhen oder Kosmetikprodukten hatte ich mir nicht nur eine neue CD, sondern auch ein Taschenbuch gegönnt – für mich ausreichende Ersatzprodukte, die tatsächlich mich friedvoll zu stimmen, ja sogar freudig zu begeistern vermögen.
Doch auch das Essen war nicht zu kurz gekommen, verspeiste ich doch soeben die letzten Reste des ersten von zwei leckeren Kuchenstückchen, die ich mir geleistet hatte in dem Wissen, daß sie nicht nur wohlschmeckend, sodnern auch besänftigend sein würden.
Als logische Konsequenz bleibt die Frage, ob ich vielleicht doch weiblicher bin als ich dachte.
Für wahrscheinlicher erachte ich es allerdings, daß auch männliche Wesen in bestimmten Dingen Entzückung finden können und diese zum vorübergehenden Bedecken des eigenen Ärgers zu nutzen vermögen.
Allerdings wage ich zu bezweifeln, daß der Durchschnitts-[Klischee-]-Mann die gleiche Freude über Bücher und CDs zu empfinden vermag, wie ich es tue, weswegen also für jenen diese beiden Optionen zur Rückeroberung des Seelenfriedens verhältnismäßig ungeeignet sind.
Was aber wäre geeignet? Ein neues Handy? Ein Hantelbank? Oder aber, um ein weiteres Klischee zu bedienen: Sportfernsehen und Bier?
Ich weiß es nicht.