Der geplatzte Termin

Ich neige zu Unpünktlichkeit. Zumeist ist dieses Verhalten nicht beabsichtigt. Oft fahre oder gehe ich einfach nur erst auf den letzten Drücker los, so daß ich trotz aller Eile es nicht nicht schaffe, zum verabredeten oder gewünschten Zeitpunkt einzutreffen.

Gestern blickte ich auf die Uhr und stellte fest, daß ich in diesem Augenblick längst mein Fahrrad aus dem Keller holen sollte. Hasig packte ich meine Sachen zusammen und begab mich zur Tür.

Es klingelte. Der Paketdienst. Verdammt.

Ich rannte nach unten, nahm das Päckchen für meinen Mitbewohner in Empfang, rannte wieder hoch, entledigte mich des Päckchens, suchte meinen restlichn Kram, zog die Schuhe an und stürmte erneut die Treppen hinab, holte das Fahrrad aus dem Keller.

Ich war bereits zu spät.

Wie ein Besengter trat ich in die Pedale, nahm alle erdenlichen Schleichwege, Abkürzungen, fuhr risikoreich und schnell. 13 Uhr. Mensa. Das war nicht zu schaffen. Aber vielleicht konnte ich die Verzögerung minimieren, vielleicht hatte ich nur wenige Minuten Verspätung. Wenn ich nur noch schneller fahren könnte.

Rote Ampeln gab es nicht. Nicht für meine Augen. Ich wich Autos, Fußgängern aus, raste Straßen, Wege entlang. Schneller, schneller.

Von irgendeinem Fußweg fuhr vorsichtig ein Smart hinunter auf die Straße. An derselben Stelle wollte ich von der Straße auf den Fußweg hinauf. Wir waren einander im Weg, das sah ich sofort, lenkte, radelte ein paar Meter weiter, fuhr in Höchstgeschwindigkeit die Bordsteinkante hoch.

Und dann wurde ich langsamer. Irgend etwas stimmte nicht. Am Hinterrad schleifte etwas…
Der Schlauch war geplatzt. Mist!

Ohne Zögern schloß ich das Rad an den nächsten Fahrradständer, hastete zur Straßenbahnhaltestelle. Wenn gleich die Bahn käme, wäre das alles nicht so schlimm….
Die Bahn kam nicht. Ich wartete minutenlang.

Dann endlich sah ich sie, fuhr drei Haltestellen, stieg aus, hastete zur Mensa. Niemand wartete. Ich war zu spät.
Ich rannte die Stufen hinauf, in die Mensa hinein, sah niemanden.
Ich war zu früh.
Mist.

Nach einigermaßen sättigender Speise nahm ich erneut die Bahn und begab mich zu meinem Rad. Es stand noch immer da. Wie traurig, trostlos, ein platter Reifen wirken kann.

Ich hatte keine Lust, das Fahrrad bis nach Hause zu schieben oder mich von den Straßenbahnkontrolleuren wegen des fehlenden Fahrrad-Tickets für das Gefährt ausmeckern zu lassen. Kurzentschlossen begab ich mich zu Karstadt, kaufte einen neuen Schlauch, kaufte eine Luftpumpe und geeignetes Werkzeug.

Ich befreite mein Rad, drehte es um und wechselte den Schlauch.
Die argwöhnische Blicke der Passanten musterten mich. Doch niemand sprach mich an. Vermutlich hätte ich einem fremden Rad das Vorderrad ausbauen und selbiges stehlen können, ohne daß irgendwer angemerkt hätte, daß das nicht in Ordnung sei. Mir war es recht.

Direkt vor Karstadt, inmitten des Magdeburger Zentrums, umgeben von unzähligen Vorbeigehenden wechselte ich den Schlauch, ruhig, ohne Hast, im Schatten verweilend, innerhalb weniger Minuten, ohne irgendwelche Komplikationen, fast schon professionell.

Mit der neuerworbenen Pumpe befüllte ich den Reifen noch mit Luft, bevor ich mir in dem Brunnen, der sich direkt neben mir befand, ausgiebig meine Hände wusch. Ein perfekter Platz zum Reifenwechsel.

Ich lächelte. Nun konnte es weitergehen.

Vista ganz kompliziert

Während Spreeblick und andere längst orakelten, daß die offensichtlich wenig durchdachte Namenswahl für das nächste Microsoft-Betriebssystem allerhand Rechtsstreitigkeiten mit sich ziehen wird, berichtet SpOn erst heute darüber, daß „Vista“ als Firmen- oder Produktname längst unzählige Male vergeben ist.

In einer hübschen Bildergalerie führt SpOn neun Beispiele an, die belegen sollen, wie verbreitet der Name „Vista“ weltweit bereits ist, jedoch auch zeigen, daß zuweilen komplizierte Dinge wie The Visual Statistics System zu kompliziert sind:

Nachtwandel

Es ist kurz nach vier, als ich erwache. Ich weiß davon nichts, vernehme nur das laute Klopfen der Regentropfen an meine Fensterscheibe, direkt neben mir. Plötzlich wird das Zimmer hell erleuchtet, verdunkelt sich wieder. Ein Grummeln folgt nur Sekunden später.
‚Gewitter.‘, denke ich und freue mich.

Vergnügt lausche ich dem Klang des Regens, der immer intensiver zu werden scheint. Ich fühle mich geborgen, gemütlich, liege lächelnd in meinem Bett und starre an die Dekce
Die Blitze kommen näher, doch das kümmert mich nicht.

Durch das angekippte Fenster dringen ein paar kalte Tropfen in mein Zimmer, benetzen mein Gesicht. ‚Regen ist schön.‘, stelle ich vergnügt fest und überlege, ob ich mich anziehen, rausgehen sollte, im Regen spazieren.
Ich entscheide mich dagegen, gebe mich meiner Müdigkeit hin, schließe die Augen und will wieder schlafen.

Mein Fahrrad fällt mir ein, das ungeschützt im Hof herumsteht und dem Regen ausgeliefert ist. Der Lenker ist leicht angerostet und auch einzelne Schrauben korrodieren bereits. Auch mein Schloß weigert sich in letzter Zeit zuweilen, ordnungesnäß zu funktionieren.
‚Noch mehr Regen tut ihm bestimmt nicht gut.‘, stelle ich fest und überlege, ob ich das Rad in den Keller bringen sollte.

Ich bleibe liegen, doch finde keinen Schlaf. Das Bild des rostenden Fahrrads läßt mich nicht los, sitzt in meinem Schädel und bedrängt mich. Ich gebe mich nicht geschlagen, schließe die Augen noch fester, versuche, an anderes zu denken. Vergeblich.
‚Ich werde keine Ruhe finden, bis ich das Fahrrad in den Keller gebracht habe.‘, mutmaße ich. Doch ich will nicht.

Nach einer geraumen Weile gebe ich auf, erhebe mich, werfe mir einige Klamotten über, suche meinen Schlüssel, schleiche durch die Wohnung, ohne das Licht anzuschalten.
Das Treppenhaus ist ruhig und dunkel. Meine Schritte schallen überlaut durch den Gang. Ich brauche kein Licht, nehme langsam Stufe für Stufe.

‚Wie irreal.‘, stelle ich fest. Nachts um vier durch das Treppenhaus zu schleichen, erscheint mir unwirklich. Die ganze Situation wirkt auf mich, als wäre sie einer fremden Welt entsprungen. Fast kann ich mich selbst beobachten, wie ich die Treppen hinuntergehe, als sähe ich nur einen Film, läse nur ein Buch, dessen Protagonist zufälligerweise Ähnlichkeiten zu mir aufweist.

Ich betrete den Hof. Das stille Treppenhaus hat mich den Regen fast vergessen lassen. Doch hier höre ich ihn, rieche ihn, er ist allgegenwärtig. Das Donnergrummeln dröhnt aus weiter Ferne, die Tropfen klatschen wild auf meinen Körper.

Ich gehe langsam, träge, genieße die Nacht, das Naß. An die Mauer gelehmnt erwartet mich mein Farrad, mit Tropfen übersät, fast ungeduldig.
„Ich bin ja da.“, murmle ich – wie zu einem traurigen Kind und trage es vorsichtig in den Keller.

Die Stufen nach oben nehme ich gar nicht mehr wahr. Ich schließe auf, ziehe die Schuhe aus, gehe ins Bad. 4.22 Uhr. ‚Zeit zu schlafen‘, denke ich müde und lege mich wieder hin, mit gutem Gewissen.
Sofort schlafe ich ein.

Popcornporn

Eben stutzte ich kurz, als ich feststellte, daß in POPCORN das Wort PORN enthalten ist.
‚Das kann doch kein Zufall sein!‘, dachte ich mir und forschte nach:

POPCORN
P-OPC-ORN bzw.
PO-PCO-RN
Blieb nur noch herauszufinden, was „OPC“ bzw „PCO“ bedeutete…

Allerdings mußte ich feststellen, daß die vielen Antworten mal wieder wesentlich unspekulärer waren als die Frage.

Obwohl: Daß die Orthodox Presbyterian Church da ihre Finger mit im Spiel haben könnte, empfinde ich durchaus als amüsant.

Eigenarten

Heute hatte ich Grund, mich über mehrere meiner Eigenarten zu wundern und sie mitleidig-geringschätzend-erstaunt zu belächeln. Und obwohl ich eigentlich lernaktiv in der Universitätsbibliothek saß, schweiften meine Gedanken immer wieder hinüber zu den Dingen, die ich für befremdlich und gleichzeitig normal halte, die deswegen einer Niederschrift durchaus würdig sind, aber vermutlich nur einen Auszug aus der Gesamtheit ihrer selbst darstellen:

– Wenn ich schlechte Laune habe – und das geschah beispielsweise am heutigen Vormittag -, ärgere ich mich darüber. Soweit nichts Ungewöhnliches.
Doch wird mir mein Ärger bewußt, steigert sich meine ohnehin schlechte Laune noch. Ein Teufelskreis.

– Ich kann mich selbst verarschen. Das klappt sogar, wenn ich es bewußt darauf anlege: Bei schlechter Laune hilft Essen. Danach geht es mir besser. Immer. Egal, ob ich beabsichtige, meine Laune zu verbessern oder nicht.

– An verschiedenen öffentlichen Orten besuche ich immer dieselbe Toilettenkabine [Pissoirs meide ich stets]. Es fällt mir leicht, aus dem Gedächnis aufzuzählen, wo ich mich wohin wenden werde, sobald ich das dringende Bedürfnis habe, Stoffwechselendprodukte abzugeben:
» „100Wasser“ in Halle: die linke Kabine
» Cinemaxx Halle: die erste Kabine auf der rechten Seite
» Universitätsbiblitothek Magdeburg: die dritte Kabine
» ehemalige Unibibo Magdeburg: die erste von rechts
» Gebäude 16, Campus, MD: ganz links
» Allee-Center MD: erste von links
» …

– In der Universitätsbibliothek Magdeburg stellte ich heute mal wieder fest, daß ich auf Zahlen versteift bin. Ich belege, obwohl es sich um einen vergleichsweise kleinen Spind handelt, immer den mit der Nummer 23.
Ist er besetzt, kehre ich zuweilen durchaus unverrichteter Dinge wieder heim. Oder ich suche – wie heute – verzweifelt einen Ersatz, irre durch die Gänge, bis mir eine freie Spindnummer behagt.
Heute erwählte ich die 55. Eine schöne Zahl.
[Erstaunlicherweise ist das die Nummer des Spinds, den ich in der Magdeburger Stadtbibliothek bevorzuge.]

– Sehe ich einer schönen Frau in die Augen und schaut sie zurück, versuche ich natürlich, den Blick nicht zu senken oder abzuwenden. Statt dessen verkrampfe ich meine Zehen, rolle sie im Schuh zusammen.
Das befriedigt meine Zurückhaltung/Schüchternheit, doch bleibt glücklicherweise unbemerkt.

– Wenn ich ein gutes Lied [über Kopfhörer, aber auch auf „normalem“ Wege] vernehme, kann ich mich oft nicht beherrschen und muß mitsingen, mich mitbewegen, egal wie lächerlich das klingt oder aussieht.

– Ich hasse Tabletten. Wenn ich Kopfschmerzen bekomme, zwänge ich mir lieber literweise Wasser rein [Trinken hilft tatsächlich.] und gehe zeitiger zu Bett oder ertrage das nervige pochen im Schädel, als mir eine Kopfschmerztablette zu erlauben.

[… wird evtl fortgesetzt …]

Daseinsberechtigungsnachweis

„Ich habe mir schon so manches mal überlegt, wie böse es für sie wäre, wenn sie plötzlich ihre Daseinsberechtigung nachweisen und begründen müßten, warum sie weiterleben sollten.“

[aus: Lewis Carroll „Sylvie & Bruno“]

Gedanken über Drängendes

Ich würde gerne schreiben. Oder zeichnen.

Ich fühle es, fühle es in mir. Ich muß schreiben. Mir fällt nichts ein. Ich muß zeichnnen. Alles, was das Papier hergibt, ist Altbekanntes, seelenloses Hingekritzel.

Gut, dann doch Wörter. Ich könnte die eine Kurzgeschichte zu Ende schreiben. „Donnerstag“ heißt sie. Ihr fehlen nur noch zwei Kaptitel. Oder die vom Herrn Konjunktiv. Sie besteht bisher nur aus einem einzigen Kapitel. Dieses ist aber ziemlich gelungen. Oder jene Sci-Fi-Fantasy-Geschichte, für die ich bisher nur drei Vorworte und eine riesige, überdimensionale, in Stichpunkten zusammengetragene Vor-Handlung verfaßte. Oder die von dem Jungen, der mit seinem dreizehnten Geburtstag eine besondere Gabe geschenkt bekommt, die sowohl Fluch als auch Segen darstellt. Oder ich beende eine der anderen, unzähligen Geschichtchen, die ich begann und dann liegenließ.

Doch ich kann nicht. Will nicht.

Schleßlich muß ich studieren. Ich müßte lernen, an meiner Studienarbeit schreiben, müßte mich kümmern, bemühen, nicht sinnlos Wörter aneinanderreihen, sondern mich auseinandersetzen, mich befassen, das Leben wichtig nehmen.

Vielleicht ist es das: Mein Dasein ist mir nicht wichtig genug. Ich lasse mich in ihm treiben und weiß, daß ich irgendwo ankommen werde. Es ist nicht schwer, zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Das stellte ich längst fest.

Vermutlich köntne ich sogar meine Studienarbeit weiterschreiben. Ich fühle es. Doch mir fehlt der Stoff, die Information, der Input. Und wenn ich mich an meine unzähligen, ergebnislosen Versuche in der Vergangenheit erinnere, das Benötigte zu beschaffen, verzweifle ich, halte inne, verharre im Moment – und lasse mich treiben.

Einen Tritt in den Hintern, das ist es, was ich brauche. Irgendwer, vermutlich ich selbst, muß mir ins Ohr schreien:
„Los, du Kasper! Willst du ewig auf derselben Stelle stehenbleiben, während um dich herum alles fließt, alles weitergeht? Willst du ewig der Nichtigkeit frönen, wo doch die Zukunft so nahe liegt? Willst du wirklich dir selbst zusehen, wie du Tag für Tag lebst, als wäre es unbedeutend, ob „heute“ heute, morgen oder gestern darstellt? Willst du wirklich nichts sein?“

Ich möchte schreiben, möchte zeichnen, möchte kreativ sein. Doch das Wissen, der Durck, etwas anderes machen zu müssen, etwas vermeintlich Sinnvolles, Nützliches, etwas, das mich weiterbringen, vorantreiben soll, lähmt mich, mein Denken.

„Du kannst auch danach noch kreativ sein.“ Haha. Es gibt kein „danach“. Gab es nie. Zum einen, weil immer neue dringende Dinge darauf warten, endlich erledigt zu werden. Zum anderen, weil die wirren Gedanken, das kribbelnde Gefühl des Könnens, der Möglichkeiten, nicht planbar, nicht in eienn Terminkalender einsortierbar ist, weil es mich überfällt, mich unterbricht, sich an mich schmiegen und im nächsten Moment für endlose Tage verlassen kann.

Ich besitze keinen Terminkalender.

Das ist falsch. Ich besitze mehrere Terminkalender. Doch ich nutze keinen. Früher dachte ich, daß jeder Termin, den ich mir nicht merken kann, nicht wichtig genug wäre. Das ist natürlich albern. Stumpfsinn, sozusagen. Nun schreibe ich mir Zettel, verteile sie möglichst sichtbar in meinem unaufgeräumten Zimmer, oder kreiere kleine Textdateien auf dem Desktop, die mich erinnern, falls etwas wirklich wichtig ist.

Doch erstaunlich wenige Dinge sind tatsächlich wirklich wichtig, Das meiste läßt sich verschieben, ignorieren, zumindest vorübergehend. Abwarten und Tee trinken. Oder ein Brötchen essen. Mit Nuß-Nougat-Creme. Das werde ich jetzt tun.

Vielleicht bin ich ja dann bereit, mich dem eigentlich Bedeutsamen, dem ewig Drängenden, Unerreichbaren zu widmen.
Ich bin guter Dinge.

Öffentliche Geheimniskrämerei

„The things that make us feel so abnormal, are actually the things that make us all the same.“

Auf PostSecret befindet sich eine umfangreiche Sammlung kleiner und großer Geheimnisse, auf Postkarten geschrieben, gezeichnet, gedruckt – und schließlich der Öffentlichkeit preisgegeben.
Bilder, die in ihrer Menschlichkeit zu beeindrucken wissen.

[via brittbee]

Außergewöhnliche Brotsorten

Im Kaufland kann man die verschiedensten Brotsorten erwerben.
Die Firma PEMA allein bietet ein umfangreiches Sortiment an, das in einem entsprechenden Regal ordentlich nebeneinander angeordnet wird:
Reis-Brot, Dinkel-Brot, Roggen-Brot, Barbara-Rütting-Brot, …

Bitte was? Ja, richtig gelesen: Barbara-Rütting-Brot.

Wenn also in Reis-Brot Reis, in Dinkel-Brot Dinkel und in Roggen-Brot Roggen enthalten ist, will ich nicht wissen, welche Zutat Barbara-Rütting-Brot so außergewöhnlich macht.