FFFfF: Geisterstunde

Heute war ich draußen, suchte mir ein ruhiges, grünes Fleckchen und warf Keulen in die Luft, während ich mir den Fred-Comic erdachte. Zumindest theoretisch.

Praktisch war vom Grün noch nicht unbedingt viel zu sehen. Der Frühling hatte seine Fühler noch nicht weit genug ausgestreckt, um den Rasen vollends zu beleben.

Ruhe herrschte auch nicht, befand sich doch mein Park-Platz unweit der sogenannten Tangente, also der Magdeburger Umgehungsstraße, so daß ein konstantes Hintergrundrauschen unvermeidbar war.

Und mit dem Ausdenken war es auch nicht weit her. Mit fliegenden Keulen und ensprechender Artistik beschäftigt, bleibt zwar genug Konzentration, um den augenbglicklichen Ohrwurm mitzusingen oder sich über grandiose Künststücke der eigenen Hände zu freuen, aber nicht genug, um einen einigermaßen humorvollen Fred-Comic zu erdenken. Den ensprechenden Entwurf ließ ich auf dem Heimweg schon wieder sausen.

Erstaunlich war für mich die große Anzahl der Jogger und Hundbesitzer, die in ausreichend weiter Ferne an meinem Standort vorübereilten. Alle Welt scheint einen Hund zu besitzen und, um diesen auszuführen, mit dem Auto zum Park zu fahren und dort ein wenig hindurchzuschlendern, bis das Getier seine schuhwerkbeschmierende Ladung hinterlassen hat. Oder zu joggen. Ich endeckte sogar eine Nordische Walkerin – in meinem Alter!

Als die Sonne sich allmählich dazu entschloß unterzugehen, trat ich den Heimweg an, bei jedem Schritt vorsichtig den Boden musternd…

Und so.


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[Im Hintergrund: JJ72 – „JJ72“ — Unlängst wiederentdeckt und erneut für wundergut befunden.]

Menschen 23: Kaninchenwächterin

Neben dem Riesenterrarium im Magdeburger Allee-Center entdeckte ich eine Frau, nicht unattraktiv, in offzieller Kleidung, deren Funktion darin zu bestehen schien, die kleinen, osterlichen Kuschelkaninchen und ihre schützende Glasscheibe vor den wieauchimmer gearteteten Aktionen übereifriger Kaninchenknuddler zu bewahren. Unbewegt stand sie da und blickte auf die possierlichen Wesen zu ihren Füßen, die das unverschämte Glück hatten, nicht menschlich sein zu müssen und nach Belieben fressen, hüpfen, kacken und kopulieren zu können, während sie selbst mit bemühter Freundlichkeit ihre eigene Präsenz nutzte, um potentiellen Schädlingen ihr ungutes Treiben aus den verzückten Schädeln zu verscheuchen und aufdringlich Fragenden pauschale Nonsens-Antworten zu geben.

Sie stand da und wirkte traurig.
Umgeben von possierlichen Hüpftierchen, die jedem Vorbeigehenden ein erfreutes Lächeln abzwangen, wirkte ihre Traurigkeit unangemessen, ja sonderbar. Vielleicht war es ihre Aufgabe, die sie bedrückte, die sie offensichtlich unterforderte, ja langweilte: Ein starres Stillstehen neben verlockend weichen, doch glasscheibenfernen Fellwesen, eine durch achtsame Wichtigkeit getarnte Untätigkeit.

Mit trauriger Miene stand sie auf ihrem Posten und ihr abgestumpfter Blick konnte auch durch die geballte Kanninchenniedlichkeit nicht mehr zu einem freudigen Glitzern erregt werden.

Cleverness begreifen

Das Magdeburger Allee-Center vediente sich heute meinen ausdrücklichen Respekt. Das ist ungewöhnlich, neige ich doch nicht dazu, Einkaufzentren Respekt zu zollen, insbesondere wenn diese nur einen minimalen Prozentanteil an für mich Bedeutsamen beinhalten.

Unlängst jedoch eröffnete das Allee-Center neu. Es war nie geschlossen gewesen, doch hatte sich mit einer zusätzlichen Etage bestückt, deren Einweihung am 30.03. zelebriert werden mußte – inklusive der üblichen Gewinnspiele und Luftballonverteilerei. Der 30.03. war ein Donnerstag, und ich begriff, daß es vermutlich keinen besseren Wopchentag gab, um eine Einkaufscentereinweihung zu planen, als den Donnerstag.

Denn wer Zeit und ausreichend Interesse hatte, zwängte sich zu den ebenfalls mit Zeit und Interesse gesegneten Massen und erfreute sich daran, daß eine ganze Etage mehr zur Verfügung stand, um sich auf den schmalen gängen gegenseitig im Weg zu stehen.

Freitag dann kamen all jene Neugierigen, die den Donnerstagstrubel gemieden hatten oder innerhalb der Woche prinzipiell nicht viel Freizeit erübrigen konnten. Das Wochenende stand bevor, und was gibt es Schöneres, als das Eintreffen freier Tage mit einem Einkaufsbummel zu zelebrieren?
Während es Donnerstag also innerhalb des Einkaufpalastes voll gewesen war, schien es am Freitag nicht möglich, sich überhaupt voranzubewegen. Bis heute weiß ich nicht, was es beim Weltbild-Glücksrad so Ergreifendes zu gewinnen gegeben haben muß, daß sich das Warten in einer zwanzig Meter langen Schlange lohnte.

Samstag ist traditionell ein guter Tag zum Einkaufen. Inbesondere sonnige Samstagnachmittage laden dazu ein, innenstädtische Neuerungen zu bewundern und sich in Menschenmassen zu stürzen, um dort das eigene Geld endlich loswerden zu können. Wieder waren die Gänge angefüllt mit zahlungsfähiger Kundschaft, und die Das-Einweihungsdatum-Auf-Den-Donnerstag-Leger rieben sich vergnügt die Hände.

Moment, schaltete sich mein Denken ein, wenn aus den bisherigen zwei Etagen drei wurden, dann verteilt sich die bisherige Besucherschaft, was also bewirkt, daß die Menschenkonzentration bei gleichbleibender Besucheranzahl abnimmt und somit für ein Gefühl von Leere in den Gängen des Einkaufscenters sorgt. Es müßte also, um eine gleichbleibende Konzetration aus Einkaufwilligen zu erwirken, die Anzahl der täglichen, stündlichen, minütlichen Schlenderer auf 150 Prozent erhöht werden.
Ich bezweifelte, daß sich plötzlich, nur wegen einer zusätzliche Etage mit Geschäften, die den bisher vorhandenen teilweise erschreckend ähnlich sahen, zusätzliche Massen finden würden, um die den Menschen-pro-Fläche-Faktor konstant zu halten. Zumindest nicht auf Dauer.

Der 30.03. war ein Donnerstag. Zugleich jedoch befand sich dieser Tag zwei Wochen vor dem Osterwochende, so daß die Einweihung der zusätzlichen Etage gerade recht kam, um den größten Anteil des osterlichen Shopping-Wahns abzugreifen.
Zufall? Niemals!

Als ich vorhin durch das Allee-Center eilte, um meinen freitäglichen Plattenladenbesuch nachzuholen, begriff ich noch eine weitere Sache. Die cleveren Allee-Center-Eröffnungsdatum-Planer beließen es nicht dabei, die Einweihung einer neuen Etage strategisch günstig zu legen, sondern fuhren in bereits altbekannter Weise fort, auch Shoppingsdesinteressenten in ihr Gebäude zu locken, in dem sie für wiederkehrende, ja traditionelle, Attraktionen sorgten.

So wird es mich zu Weihnachten nicht verwundern, wenn der jährliche Bühnentrubel nun eine Etage tiefer staffinden, aber mit größerer, weil dreietagiger, Intensität betrieben werden wird. Und mich wunderte auch nicht, als ich die niedlichen Hoppelhäschen wiederfand, die in jeder Vor-Osterzeit ihr eigenes Allee-Center-Riesenterrarium bekommen.

Denn in der obersten Etage befand sich ein riesiger Glaskasten, auf dessen – komplett mit Streu ausgelegtem, mit Häuschen und Ästen, mit Nahrung und Spielzeug bestücktem – Boden sich eine nicht geringe Anzahl knuffiger Kaninchen tummelten und – natürlich – die Blicke aller Vorbeigehenden auf sich zog. Wer findet denn nicht niedlich, wenn kleine, plüschige Fellwesen lustig umherhoppeln oder an einem Brotkanten knabbern? Und wer wird bezweifeln, daß es Kinder geben wird, die allein um dieser Attrakltion willen ihre Eltern mit nervender Fragerei plagen und zu einem Allee-Center-Besuch bewegen werden?

Selbst nicht unberührt vom Anblick der alljährlichen Niedlichkeit, die um so vieles schlichter und besser ist als der protzig-kitschig-klebrige Weihnachtstrubel, verharrte auch ich ein paar Sekunden, um einem putzigen Langohrtierchen beim Hüpfen zuzusehen und den Allee-Center-Planern innerlich zu ihrer beindruckenden Kundenfang-Cleverness zu gratulieren.

Minuten später verließ ich das Allee-Center, ohne auch nur einen Cent ausgegeben zu haben.

„Magdbeurg“

Würde man mich auffordern, eine Sache zu nennen, die mir an Magdeburg mißfällt, so antwortete ich ohne zu überlegen:
Der Name.
Der Name?, wunderte sich dann mein gegenüber, und ich müßte erläutern:

Es geschieht nicht selten, daß ich das Wort „Magdeburg“ tippe. Die Seite der Uni beispielsweise läßt sich, so man sie nicht als Favoriten gespeichert hat, am schnellsten über „www.uni-magdeburg.de“ erreichen.
Oder wenn ich bei nasa.de, der Fahrplanauskunft des Nahverkehrsservices Sachsen-Anhalts, Straßenbahnabfahrtszeitien erfrage. Oder wenn ich irgendwen oder Mail frage, wann er wieder mal in seine Heimatstadt zurückkehrt. Oder …
Ich vertippe mich immer.

„aMgdeburg“, „Magdebrug“ und vor allem „Magdbeurg“ sind die wenig annehmbaren Ergebnisse meiner Tipperei. Und selbst wenn ich das Glück habe, ausnahmsweise mal „Magdeburg“ getippt zu haben, so bleiben meine Blicke überdurchschnittlich lange ungläubig an diesem Wort hängen, erwartend, doch irgendwo einen Fehler zu finden.

Mein fragendes Gegenüber würde sich wundern: Und das war alles?
Ja, das war alles.