Zwischenzeit

Wäre Kälte imstande zu klirren, hätte sie Gelegenheit gehabt. Die Luft war klar, als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel, und lächelnd sog ich sie ein. Eisig umwehte mich lauer Wind, und dankbar gedachte ich der stoffenen Schichten, die meinen Körper der Jahreszeit entzogen. Natürlich waren weder meine lange Unterhose noch die Mütze unter dem Helm dazu geeignet, stilbewusste Damen in begeistert Ohnmacht fallen zu lassen, doch verweigerten sie den zweistelligen Minusgraden strikt und kompromisslos jeglichen Zugang zu mir.
Ich schwang mich auf das Rad.
Der Boden war von Kristallglanz überzogen, und ein hauchdünner Film aus Schnee begann soeben sein Wachstum. Im Himmel schwebten die Flocken und versuchten, kalte Wintersgrüße in mein Antlitz zu küssen. Viel Platz blieb ihnen nicht, bot ich doch der morgendlichen Eisesluft nur wenig rosig warme Haut feil.
Mein Lächeln blieb, als ich in die Pedalen trat und Geschwindigkeit fand, als ich mich freigeschaufelte Wegesrinnen und reibungsfreie Kurven zu vorsichtigsten Manövern zwangen, als ich die umhüllende Kälte mit ganzem Köper erfuhr, sie teilte, durchsägte, ohne von ihr berührt, gefangen, zu werden.
Ich liebe den Winter!, dachte ich und fuhr, als gäbe es nichts, das mich aufhalten könnte.

Die Temperaturen wanderten bergab, und erste Vögel versuchten sich an Tönen. Plötzlich waren die Wege voller, und meine sorgsam gewählte Kluft sehnte sich Stück für Stück danach, meinen Körper wieder freizugeben. Aus zwei stofflichen Schichten unter dem schützenden Helm wurde eine, und selbst diese träumt in raren Momenten, wenn die Sonne sich ihren Pfad durch Grauwolken bahnte, davon, mein Haupt zu verlassen, meine Ohren dem Fahrtwind darzubieten.
Menschen wagten in das Außen, zuweilen selber Rad fahrend, Schale diätierten zur Tüchern, und Handschuhe krochen zurück in ihre Sommerhöhlen in den Tiefen der Schränke. Der Boden weichte auf, und meine Blicke suchten an den Ästen erstes Grün. Ich fand nichts.
Die Null war gerade überquert, die Freude zu früh, der Kalender stand noch immer auf Winter. Ich fuhr Rad, und der Wind hatte seine eisigen Lieder noch nicht vergessen.
Ich liebe den Winter!, dachte ich, und brauste durch das schläfrige Land, das langsam dem Erwachen entgegenschmolz. Zwei, drei Flocken wagten noch, das kühle Oben zu verlassen, setzten sich auf meine Nase, doch blieben nicht lange.
Meine Stiefel ließen die Pedalen rotieren, und die Räder stoben Streugut empor. Ich radelte an wollenen Mützen vorbei und wusste, dass niemand dem Winter traute. Er ist ein schelmischer Gesell, dachte ich, und freute mich auf den Morgen, an dem er vor meiner Türe warten würde, grinsend, Händchen haltend mit Frost und Eis.
Ich fuhr, und ließ mich von den verbleibendes Resten des Winters umarmen.

Dann sah ich die Krokusse. Am Wegesrand wuchsen sie, nicht vereinzelt, sondern in Scharen, gleißend bunt im allgegenwärtigen Grau, blumige Jauchzer, die mich innehalten ließen.
Ich liebe den Frühling!, dachte ich und lächelte.