Der alte Mann

Am Ende der Rampe stand der alte Mann, und wie immer widerte er mich an.

Eigentlich stand er nicht. Er lehnte seinen übergewichtigen Leib gegen das Mauerwerk, das die Abfahrt zum Tunnel begrenzte. Er lehnte sich dagegen, als wäre er zum Stehen kaum imstande. Und vielleicht war es auch so.

Eigentlich war  er auch nicht alt, doch sein ungepflegtes Äußeres, sein fettiges, ungekämmtes, frisurenfernes Haar und seine aufgedunsenen, mit Schuppen übersäten Wangen ließen eine Schätzung unmöglich werden. Er konnte vierzig sein oder auch sechzig.

Er war krank, so viel stand fest. Seine Haut verriet es, seine Augen verrieten es. Und in regelmäßigen Abständen hustete er so tief, dass ich erwartete, schleimigen Auswurf und Lungenteile aus seinem Mund fliegen zu sehen.

Am Ende der Rampe stand der alte Mann, und wie immer widerte er mich an.

Seine Atemgeräusche weckten Ekel in mir, und ich bemühte mich, vorbeizueilen, bevor er erneut husten würde. Außerdem rauchte er. Zigarren. Also ob er seine abstoßende Erscheinung um eine weitere Sinnesebene erweitern wollte, tötete er mit monströsen Glimmstangen auch noch jede atembare Luft in seiner Umgebung.
Was tut er hier?, fragte ich mich wie jeden Morgen, als ich seinem Umfeld zu entkommen versuchte. Worauf wartet er?

Wie immer ignorierte er die Temperaturen und trug einen Anzug. Vielleicht war es stets derselbe, doch sah er nicht schäbig aus. Auch sein weißes Hemd zeigte keine Spur fehlender Pflege – auch wenn es sich mit wenig Eleganz um den unförmigen Leib legte.

Er war krank, so viel war offensichtlich. Sein gesamte Äußeres rief Krankheit, und seine unpassende Kleidung, seine schlechte Angewohnheit, Zigarren zu rauchen, erwiesen ihm sicherlich keinen Dienst. Er sollte nicht hier sein, dachte ich, nicht jeden Morgen am Tunneleingang stehen und auf irgendetwas warten.

Vor zwei Tagen entdeckte ich ihn am Einkaufszentrum. Andere Zeit, anderer Ort, doch sein röchelndes Husten hätte ich überall wiedererkannt. Er saß auf einer Bank, trug seinen Anzug und sein Hemd und hustete. Alles in mir drängte mich fort von ihm, doch eine Mischung von Neugierde und Mitleid ließ mich ein paar Schritte in seine Richtung laufen. Wer war dieser Mann?

Ich wusste nicht, ob ich mit ihm reden würde, ob ich es ertragen könnte, in seiner Nähe zu verweilen, doch war bereit, es zu versuchen. Ich ging auf ihn zu, zögerte, ging weiter. Dann zündete er sich eine Zigarre an. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis der braune Kolben betriebsbereit war, doch dann dauerte es nur Sekunden, bis mich der Gestank einhüllte. Und, als wäre es ein untrennbarer Zwilling, begann der alte Mann zu husten.

Angewidert verzog ich den Mund und wandte mich ab.